Die Versendung von Werbung für die Premium-Mitgliedschaft einer Partnerbörse kann an bereits registrierte Nutzer grundsätzlich auch ohne deren ausdrückliches Einverständnis erfolgen.
Das Oberlandesgericht München hat sich in seiner Entscheidung mit der Zulässigkeit von Werbe-E-Mails unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten befasst. Eine Online-Partnerschaftsbörse hatte Werbe-E-Mails an ihre bereits registrierten Nutzer versendet, in denen für eine Premium-Mitgliedschaft geworben wurde. Bei dem Portal handelt es sich mit ca. 11 Millionen Mitgliedern um eine der größten in Deutschland.
E-Mail Werbung für Premium-Account an registrierte Nutzer
Das Portal bietet den Nutzern zwei verschiedene Stufen der Mitgliedschaft an:
Zum einen besteht die Möglichkeit der kostenlosen Registrierung unter Angabe der eigenen E-Mailadresse. In diesem Fall bekommt der Anmelder eine Registrierungs-E-Mail zur Bestätigung seiner Anmeldung zugeschickt. Nach erfolgreicher Bestätigung hat der so registrierte Nutzer die Möglichkeit, die Funktionen der Partnerschaftsbörse in eingeschränkter Form zu nutzen. Der Nutzer bzw. die Nutzerin kann etwa Profile und Fotos anderer Mitglieder ansehen, selbst jedoch keine Nachrichten verschicken.
Darüber hinaus wird auf dem Portal eine Premium-Mitgliedschaft angeboten. Diese ist kostenpflichtig und bietet über die bereits erwähnten Funktionen hinaus die Möglichkeit der uneingeschränkten Kontaktaufnahme mit anderen Nutzern sowie weitere Funktionen.
Gestritten wurde nun über die Frage, ob die an kostenlose Accounts versendete Werbung für den Premium-Account wettbewerbswidrig war. Nach Ansicht des klagenden Verbraucherverbands handelt es sich hierbei um unzulässige Werbung im Sinne des § 7 UWG.
Keine unzumutbare Belästigung durch Werbe-E-Mail im Sinne von § 7 Abs. 3 UWG
Das OLG entschied jedoch, dass die Versendung keine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 3 UWG darstellt. Zwar sei der Tatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erfüllt, da es sich um die Versendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten handele. Es greife jedoch die Ausnahme des § 7 Abs. 3 UWG.
Zusammenhang mit bereits erhaltener Dienstleistung
Dabei sah das Gericht zum einen die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG als erfüllt an. Hiernach liegt eine unzumutbare Belästigung bei Verwendung elektronischer Post nicht vor, wenn die E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung vom Kunden überlassen worden ist.
Der Begriff des Verkaufs sei nach Ansicht des Gerichts weit auszulegen und umfasse jede Form des Austauschvertrags. Ein solcher Vertragsschluss sei anzunehmen gewesen, weil auch die kostenlose Mitgliedschaft für beide Seiten Vor- und Nachteile bietet:
Der Nutzer einer kostenlosen Registrierung hat laut Ansicht des Gerichts den Vorteil, dass er Profile anderer Nutzer betrachten und sich so überlegen kann, ob er eine kostenpflichtige Mitgliedschaft abschließen möchte. Dies stelle entgegen der Ansicht der Klägerin einen Mehrwert für den Nutzer dar. Auf der anderen Seite besteht auch für die Beklagte ein großer Vorteil, da sie insbesondere daran interessiert ist, zu Werbezwecken möglichst viele Mitglieder zu gewinnen. Denn eine hohe Zahl von Mitgliedern macht auch den Kauf eines Premium-Accounts für andere Mitglieder attraktiver, da hierdurch die Erwartungshaltung an eine mögliche Interaktion steigt.
E-Mail-Werbung für eigene ähnliche Dienstleistungen
Darüber hinaus sah das Gericht aber auch zusätzlich die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG als erfüllt an. Hiernach ist eine unzumutbare Belästigung auch dann nicht anzunehmen, wenn die E-Mailadresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet wird. Die Werbung für den Premium-Account stellt nach Ansicht des Gerichts einen solchen gleichen typischen Verwendungszweck dar. Dies ist nämlich immer dann der Fall, wenn die Produkte oder Dienstleistungen austauschbar sind und dem gleichen Zweck dienen bzw. beim Kunden den gleichen Bedarf decken. Zwar ist dieses Verhältnis eng auszulegen, letztlich ist aber entscheidend, dass die Produkte austauschbar sind. Dies ist nach Ansicht des Gerichts hier der Fall, da sowohl der kostenlose Account wie auch der Premium-Account letztlich dem gleichen Zweck dienen, nämlich der Suche nach einem potentiellen Partner. Dies sei über den kostenlosen Account grundsätzlich möglich, der Premium-Account stelle hierzu lediglich eine sehr viel effizientere Art und Weise dar.
Das Gericht stellt folgerichtig fest, dass der Premium-Account letztlich ein Upgrade zum kostenlosen Account ist und der Sinn und Zweck des kostenlosen Accounts eigentlich darin besteht, dass der Kunde zunächst einmal die Gelegenheit hat sich zu orientieren und sich dann überlegen kann, ob ein Upgrade für ihn sinnvoll sein könnte. Letztlich verfolgen damit beide Mitgliedschaftsformen einen identischen Zweck.
Auch die Rückausnahme nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 war vorliegend nicht gegeben, da seitens der betroffenen Kunden kein Widerspruch vorgelegen hat. Darüber hinaus war bei Registrierung auch ein Hinweis gegenüber dem Mitglied auf die Widerspruchsmöglichkeit erfolgt, so dass die Klage hier abzuweisen war.
Lebensnahe Auslegung des Ausnahmetatbestandes
In der Entscheidung legt das Gericht die Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 3 UWG konsequent vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Vorschrift aus. Es ist lebensnah, dass der Nutzer, der sich für einen kostenlosen Account anmeldet, auch damit rechnet und damit einverstanden ist, Werbung für den kostenpflichtigen Premium-Account zu erhalten. Letztlich dürfte dem Nutzer bekannt sein, dass es sich um eine Test-Mitgliedschaft handelt und er diese entweder in eine Premium Mitgliedschaft upgradet oder sich wieder abmeldet. Dass das Portal in dieser Situation typischerweise Werbe-E-Mails versendet ist damit wettbewerbskonform.