14. Juli 2022
Inbox Advertising informierte Einwilligung
Datenschutzrecht

Inbox Advertising nur noch mit informierter Einwilligung

Der BGH hat entschieden, dass sog. Inbox Advertising nur nach informierter Einwilligung im Sinne der DSGVO zulässig ist (Inbox-Werbung II).

Wer einen kostenlosen, aber werbefinanzierten E-Mail-Dienst in Anspruch nimmt, hat es vermutlich schon erlebt: Von Zeit zu Zeit erscheint in der E-Mail-Inbox Werbung in Gestalt einer E-Mail. Nach einem Klick auf die vermeintliche E‑Mail wird man auf die Website des werbenden Unternehmens weitergeleitet und erst dann fällt einem auf, dass es sich nicht um eine persönliche Nachricht, sondern um Werbung handelt. Diese von herkömmlichen E-Mails nur schwer zu unterscheidende „automatisierte Werbeeinblendung auf dafür vorgesehenen Flächen“ im Posteingang wird Inbox Advertising genannt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun entschieden, dass diese Praxis eine wirksame Einwilligung erfordert, und die Anforderungen an eine solche Einwilligung konkretisiert (BGH, Urteil v. 13. Januar 2022 – I ZR 25/19).

BGH-Vorlage beim EuGH

Hintergrund war die Unterlassungsklage eines Stromlieferanten gegen seinen Konkurrenten, der eine Werbeagentur mit der Schaltung von Inbox-Werbung in E-Mail-Postfächern von Nutzer:innen eines kostenlosen E-Mail-Dienstes beauftragt hatte. Der betreffende E-Mail-Dienst stand auch als werbefreie, kostenpflichtige Variante zur Verfügung.

Die zunächst zur Entscheidung berufenen Gerichte, das LG Nürnberg-Fürth (Endurteil v. 22. März 2018 – 3 HKO 4495/17) und das OLG Nürnberg (Endurteil v. 15. Januar 2019 – 3 U 724/18), beurteilten die Rechtslage unterschiedlich: Während das LG Inbox Advertising als unzumutbare Belästigung und irreführend einstufte und der Unterlassungsklage stattgab, erkannte das OLG keinen Wettbewerbsverstoß. Der daraufhin angerufene BGH legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Beschluss vom 30. Januar 2020 (I ZR 25/19) verschiedene unionsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 (ePrivacy-RL) sowie der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 vor. 

Bereits der EuGH hatte nach Vorlage verschiedener Fragen des BGH in derselben Sache (BGH, Urteil v. 30. Januar 2020 – I ZR 25/19) entschieden, dass Inbox Advertising u.U. wettbewerbswidrig sein kann und nur mit Einwilligung zulässig ist (EuGH, Urteil vom 25. November 2021 – C-102/20). 

Welche Voraussetzungen die grds. erforderliche Einwilligung erfüllen muss und wie sich der Umstand der Wahlmöglichkeit zwischen einem kostenfreien, werbefinanzierten oder einem kostenpflichtigen, werbefreien E-Mail-Dienst dabei auf die Wirksamkeit der Einwilligung auswirkt, ließ der EuGH jedoch offen. Hierzu hat sich nun der BGH unter Bejahung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs positioniert.

Inbox-Werbung ist elektronische Post zum Zwecke der Direktwerbung und wirkt wie Spam

In seiner Urteilsbegründung folgt der BGH dem EuGH und qualifiziert das Inbox Advertising als unzumutbare Belästigung. 

Zunächst hebt der BGH unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH hervor, dass § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F.) im Lichte des Art. 13 Abs. 1 der ePrivacy-RL unionsrechtskonform auszulegen (hierzu auch BGH, Urteil v. 30. Januar 2020 – I ZR 25/19 – Inbox Werbung I) und die dort aufgeführte Liste der elektronischen Kommunikationsmittel nicht abschließend, sondern aus technologischer Sicht entwicklungsfähig und weit auszulegen sei. Entsprechend seien die Werbenachrichten unter Verwendung von elektronischer Post verbreitet worden. Ferner verhindere das Inbox Advertising den Zugang zu den privaten E-Mails und ähnele deshalb Spam:

Im vorliegenden Fall wurde die Werbenachricht aus der Sicht des Adressaten in der Inbox des Nutzers des E-Mail-Systems, das heißt in einem normalerweise privaten E‑Mails vorbehaltenen Bereich, angezeigt. Der Nutzer konnte diesen Bereich erst nach Überprüfung des Inhalts der Werbenachricht und nur durch aktives Löschen derselben freimachen, um einen Überblick über seine ausschließlich privaten E-Mails zu erhalten. Anders als Werbebanner oder Pop-up-Fenster, die am Rand der Liste mit privaten Nachrichten oder separat von diesen erscheinen, behinderte die Einblendung der vorliegend in Rede stehenden Werbenachrichten in der Liste der privaten E-Mails des Nutzers den Zugang zu diesen E-Mails in ähnlicher Weise wie dies bei unerbetenen E-Mails („Spam“) der Fall ist.

Die Werbung richtete sich zudem direkt und individuell an einen Verbraucher, weil sie in Form einer E-Mail direkt in der Inbox des privaten E-Mail-Postfachs des betreffenden Nutzers erschien (…). Dem steht nicht entgegen, dass der Adressat der Werbenachricht nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurde.

BGH fordert Einwilligung i.S.d. DSGVO

Sodann widmet sich der BGH der Einwilligung, denn das Versenden elektronischer Post zum Zwecke der Direktwerbung ist nur mit vorheriger ausdrücklicher Einwilligung zulässig (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. (bzw. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F.). Dass sich der unionsrechtlich relevante Begriff der Einwilligung im Laufe des Verfahrens und mit Inkrafttreten der DSGVO geändert hat, ändert nach dem BGH an dem Ergebnis nichts. 

Die DSGVO definiert in Art. 4 Nr. 11 Einwilligung als jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.

Der BGH lässt das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung u.a. an den fehlenden Tatbestandsmerkmalen „für den bestimmten Fall“ und „in informierter Weise“ scheitern. Denn der Umstand, dass Nutzer:innen die unentgeltliche, werbefinanzierte Variante des E-Mail-Dienstes gewählt und sich nur allgemein damit einverstanden erklärt hätten, Werbeeinblendungen zu erhalten, um kein Entgelt für die Nutzung des E-Mail-Dienstes zahlen zu müssen, erfülle die Voraussetzungen einer Einwilligung nicht. 

Der BGH hat damit klargestellt, dass eine pauschale Einwilligung in Werbeeinblendungen in Form des Inbox Advertising für die kostenfreie Nutzung eines E-Mail-Dienstes nicht ausreicht. Im Leitsatz der BGH-Entscheidung heißt es: 

Eine wirksame Einwilligung in eine Inbox-Werbung (automatisierte Werbeeinblendung auf bestimmten dafür vorgesehenen Flächen in der E-Mail-Inbox des Nutzers), die eine Werbung unter Verwendung elektronischer Post im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG [Anmerkung: § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F.] darstellt, liegt nicht vor, wenn der Nutzer, der eine unentgeltliche, durch Werbung finanzierte Variante eines E-Mail-Dienstes gewählt hat, sich allgemein damit einverstanden erklärt, Werbeeinblendungen zu erhalten, um kein Entgelt für die Nutzung des E-Mail-Dienstes zahlen zu müssen. Erforderlich ist vielmehr, dass der betroffene Nutzer vor einer Einwilligungserklärung klar und präzise über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung und insbesondere darüber informiert wird, dass Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E-Mails angezeigt werden.

Das allgemeine Einverständnis, einen kostenfreien, aber werbefinanzierten E-Mail-Dienst zu nutzen, reicht nicht aus

Nach dem BGH muss sich die Einwilligung also u.a. auf das konkrete Inbox Advertising beziehen. An diesem Erfordernis ändert nach Auffassung des BGH auch der Umstand nichts, dass Nutzer:innen sich generell damit einverstanden erklärt haben, kein Entgelt für die Nutzung des E-Mail-Dienstes zu zahlen.

Die Entscheidung des BGH überrascht insgesamt nicht, da der EuGH bereits die Weichen in Richtung dieser Einordnung gestellt hatte. Der BGH hat aber insbesondere die Anforderungen an eine informierte Einwilligung im Falle von kostenfreien, aber werbefinanzierten Angeboten nun klar beantwortet. 

Sollte die geforderte Einwilligung für den bestimmten Fall und in informierter Weise bislang nicht eingeholt worden sein, sollten Diensteanbieter dies nun zeitnah nachholen. Die in der Vergangenheit eingeholten, pauschalen Einwilligungen genügen jedenfalls nicht. Einige Diensteanbieter sollen infolge der BGH-Entscheidung bereits den Text der von ihnen genutzten Einwilligungserklärung angepasst haben. 

Tags: Datenschutzrecht DSGVO Einwilligung Inbox Advertising Werbung