Der BGH bestätigt, dass sich die sachliche Zuständigkeit bei Ansprüchen aus Vertragsstrafeversprechen in Wettbewerbssachen nach dem UWG richtet.
Bislang war es in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob sich die sachliche Zuständigkeit bei wettbewerbsrechtlichen Vertragsstrafeprozessen nach § 13 Abs. 1 S. 1 UWG richtet oder die allgemeinen Zuständigkeitsregelungen nach §§ 23, 71 GVG einschlägig sind.
Mit seinem Hinweisbeschluss vom 29. Oktober 2016 (Az.: I ZR 93/15) hat sich der BGH nun erstmals zu der Streitfrage geäußert und erklärt die Landgerichte streitwertunabhängig nach § 13 Abs. 1 S. 1 UWG für ausschließlich zuständig.
Klage bei Landgericht trotz niedrigem Streitwert
Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb, hatte den Beklagten im Jahr 2009 wegen irreführender Aussagen im Internet abgemahnt. Der Beklagte gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Wegen Verstoßes des Beklagten gegen die Unterlassungserklärung klagte der Kläger vor dem LG Kiel auf die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 2.500 € nebst Zinsen.
Das Landgericht wies die Klage wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit als unzulässig ab. Auf die Berufung des Klägers wurde der Beklagte vor dem OLG Schleswig antragsgemäß verurteilt (OLG Schleswig, Urt. v. 9.4.2015 – 6 U 57/13). Das Berufungsgericht ließ die Revision im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit der Klage zu. Mit der Revision begehrte der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
BGH: sachliche Zuständigkeit bei Ansprüchen aus wettbewerbsrechtlichen Vertragsstrafeversprechen liegt bei Landgerichten
Der BGH hatte die Frage nach der Zuständigkeit bei wettbewerbsrechtlichen Vertragsstrafeprozessen bisher ausdrücklich offen gelassen (zuletzt BGH, Beschluss vom 26.08.2014 – X ARZ 275/14; vgl. auch BGH, Urteil vom 15.12.20011 – I ZR 174/10 – Bauheizgerät).
Auch im vorliegenden Fall hätte der BGH sich nicht zu der Streitfrage äußern müssen und die Revision mangels Prüfungskompetenz zurückweisen können. Nach § 545 Abs. 2 ZPO prüft die Revision im Interesse der Prozessökonomie nicht die Entscheidungen der Vorinstanzen zur gerichtlichen Zuständigkeit nach. Dennoch nutzte der BGH nunmehr seinen Hinweisbeschluss um die Streitfrage im Rahmen eines obiter dictums zu klären.
Die Richter bestätigten die Entscheidung des OLG Schleswig vollumfänglich und schlossen sich der Ansicht an. § 13 Abs. 1 S. 1 UWG begründe auch bei Ansprüchen aus wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverträgen eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte.
Entscheidend: Am Gesetzeszweck orientierte Auslegung der Norm
Der BGH stellt zunächst fest, dass der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG auch Ansprüche auf Grund von Vertragsstrafeversprechen erfasse. Wettbewerbsrechtliche Verträge, in denen sich der Schuldner strafbewehrt zur Unterlassung einer unzulässigen geschäftlichen Handlung nach dem UWG verpflichte, begründeten Ansprüche „auf Grund″ dieses Gesetzes. Die vertragliche Verpflichtung, mit der die Wiederholungsgefahr für den gesetzlichen Unterlassungsanspruch entfalle, trete lediglich an die Stelle des gesetzlichen Anspruchs.
Diese Auslegung werde nach Ansicht der Richter auch durch den Gesetzeszweck der Norm gestützt. Mit der Neuregelung der gerichtlichen Zuständigkeit in Wettbewerbssachen in § 13 Abs. 1 UWG habe der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten bei den Landgerichten zu bündeln. Auf Grund der dort streitwertbedingt überwiegend anfallenden Wettbewerbssachen sei der erforderliche Sachverstand und das notwendige Erfahrungswissen vorhanden. Diese Kenntnisse seien auch bei Streitigkeiten auf Grund von Vertragsstrafeversprechen und Unterlassungsverträgen erforderlich, da bei diesen ähnliche spezifische wettbewerbsrechtliche Probleme aufträten wie bei originären gesetzlichen Ansprüchen aus dem UWG.
Des Weiteren stellt der BGH für die Frage nach der Zuständigkeit bei Ansprüchen aus wettbewerbsrechtlichen Vertragsstrafeversprechen auf den inhaltlichen Gleichklang mit den entsprechenden Normen des MarkenG, DesignG, GebrMG, PatG und des UKlaG ab, die ebenfalls Alleinzuständigkeiten der Landgerichte begründeten. Diese Vorschriften seien weit auszulegen und erfassten nach einhelliger Meinung auch eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Landgerichte für Klagen aus strafbewehrten Unterlassungserklärungen.
Da der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 13 Abs. 1 UWG ausdrücklich einen Gleichklang mit den Zuständigkeitsvorschriften im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und nach dem Unterlassungsklagengesetz herstellen wollte, müsse § 13 Abs. 1 UWG ebenso weit ausgelegt werden. Dass der Wortlaut des § 13 Abs. 1 S. 1 UWG, der – auf Ansprüche „auf Grund″ des Gesetzes abstelle, geringfügig vom Wortlaut der Regelungen der gewerblichen Schutzrechte („Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse″) abweiche, sei auf Grund des eindeutig erklärten Ziels des Gesetzgebers zur inhaltlichen Gleichstellung unerheblich.
Keine ausdrückliche Klärung der Streitfrage zum „fliegenden Gerichtsstand″ in wettbewerbsrechtlichen Vertragsstrafeverfahren
Die klarstellenden Worte des BGH zur Auslegung des § 13 Abs. 1 S. 1 UWG sind zu begrüßen und werden zur Rechtssicherheit in Wettbewerbsprozessen erheblich beitragen.
Entgegen anderslautender Meldungen hat sich der BGH allerdings nicht zu der Frage geäußert, ob bei wettbewerbsrechtlichen Vertragsstrafeverfahren auch der „fliegende Gerichtsstand″ nach § 14 Abs. 2 S. 1 UWG gilt. Die Norm regelt den Gerichtsstand des Begehungsortes und eröffnet dem Kläger insbesondere in Internetsachverhalten einen weiten Spielraum zur Wahl zwischen verschiedenen örtlich zuständigen Gerichten.
Die Anwendung des Art. 14 Abs. 2 S. 1 UWG auf Unterlassungsverträge ist ebenso umstritten wie zuvor die Frage der sachlichen Zuständigkeit nach Art. 13 Abs. 1 UWG. Erst kürzlich sprach sich das LG Frankfurt (Urteil v. 10.02.2016 – 2-06 O 344/15) in einer viel beachteten Entscheidung für die Anwendung auf Vertragsstrafeverfahren aus.
Nach der Entscheidung des BGH besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass künftig auch andere Gerichte folgen. Da § 14 Abs. 2 S. 1 ebenso wie § 13 Abs. 1 S. 1 UWG von Klagen „auf Grund dieses Gesetzes″ spricht, müsste eine einheitliche Auslegung beider Normen auch zur Anwendung des § 14 Abs. 2 S. 1 UWG bei Ansprüchen aus Unterlassungsverträgen führen. Folge wäre insofern auch die für den Kläger besonders vorteilhafte Geltung des „fliegenden Gerichtsstands″ in wettbewerbsrechtlichen Vertragsstrafeverfahren.