Der BGH hat entschieden, dass Ansprüche nach § 64 GmbHG gegen die Geschäftsführung wegen verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife durch die D&O-Versicherung abgesichert sind.
In seinem Urteil vom 18. November 2020 hat der BGH klargestellt, dass der Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer einer GmbH aus § 64 S. 1 GmbHG wegen verbotener Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nach Insolvenzreife als Schadensersatzanspruch im Sinne des Versicherungsvertrags einzustufen ist. Er ist damit vom Versicherungsschutz der D&O-Versicherung erfasst.
Insolvenzverwalter klagte gegen D&O-Versicherung
Dem Urteil vorausgegangen war die Klage eines Insolvenzverwalters über das Vermögen einer GmbH (= Versicherungsnehmerin) gegen die D&O-Versicherung, die die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 S. 1 GmbHG als Versicherungsleistung übernehmen sollte. Der Insolvenzverwalter hatte zuvor den Geschäftsführer (= versicherte Person) der GmbH wegen Zahlungen nach Insolvenzreife in Höhe von mindestens EUR 1.500.000,00 in Anspruch genommen.
Der Versicherungsvertrag sah vor, dass Versicherungsschutz für den Fall gewährt werde, dass eine versicherte Person wegen einer Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) in Anspruch genommen werde. Als Vermögensschäden waren dabei alle Schäden definiert, die weder Personenschäden noch Sachschäden sind noch sich aus solchen Schäden herleiten.
Die D&O-Versicherung hatte sich gegen die Inanspruchnahme damit verteidigt, dass Ansprüche gegen die Geschäftsführer aus § 64 S. 1 GmbHG nicht unter den Begriff des „Vermögensschadens″ fallen. Sie stellten Ersatzansprüche eigener Art und gerade keine Schadensersatzansprüche dar. Die D&O-Versicherung bezog sich dabei auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 20. Juli 2018, das dies so zugunsten der D&O-Versicherer entschieden hatte.
BGH stellt klar: Ansprüche nach § 64 S. 1 GmbH sind Schadensersatzansprüche
Der BGH, der über einen konkreten D&O-Versicherungsvertrag zu entscheiden hatte, stellte klar, dass die vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung der Zahlungen nach Insolvenzreife gem. § 64 S. 1 GmbHG „gesetzliche Haftpflichtansprüche auf Schadensersatz″ im Sinne des Vertrags darstellen.
Er begründete seine Ansicht damit, dass bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen grundsätzlich auf einen durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherten oder Versicherungsnehmer abzustellen ist. Da der typische Adressaten- und Versichertenkreis bei D&O-Versicherungen ein speziellerer ist, sind die Hürden in diesem besonderen Fall sogar etwas höher. Es ist dann auf einen durchschnittlichen, aber geschäftserfahrenen und mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertrauten Versicherten oder Versicherungsnehmer abzustellen.
Selbst wenn man diesen speziellen Adressatenkreis heranzieht, so ergibt die Auslegung der Versicherungsbedingungen, dass Ansprüche nach § 64 S. 1 GmbHG vom Haftungsumfang erfasst sind. Für den Ausdruck „Schadensersatz″ gibt es keine eindeutig festgelegte Definition in der Rechtssprache. Vielmehr kommt es für den Versicherten oder den Versicherungsnehmer nach der Umgangssprache darauf an, dass der gegen ihn geltend gemachte Anspruch darauf gerichtet ist, einen Ausgleich im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadensereignis zu schaffen.
Die Vorinstanz hatte darauf abgestellt, dass die Ansprüche nach § 64 S. 1 GmbHG darauf gerichtet seien, die verteilungsfähige Insolvenzmasse im Interesse der Gläubigergesamtheit zu mehren. Die Vorschrift gleiche damit keinen Schaden der insolventen Gesellschaft aus, die die Gelder ohnehin zur Begleichung von Verbindlichkeiten verwendet hätte. Vielmehr gleiche sie den Schaden der Insolvenzgläubiger aus, denen aufgrund der verbotenen Zahlungen eine verringerte Insolvenzmasse zur Verfügung stehe. Aus diesem Grund stellten die Ansprüche auf Ersatz verbotener Zahlungen einen „Erstattungsanspruch eigener Art″ und keinen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft dar.
Der BGH stellt klar, dass eine derartige Detailkenntnis der Rechtsdogmatik auch von einem geschäftserfahrenen Versicherten oder Versicherungsnehmer ohne vertieftere juristische Kenntnisse nicht erwartet werden kann. Die Versicherungsbedingungen treffen keine Aussage dazu, bei wem der Schaden eingetreten sein muss. Für den Versicherten oder Versicherungsnehmer kommt es vielmehr auf den Sinn und Zweck der D&O-Versicherung an. Sie dient der Absicherung der versicherten Personen, die von sämtlichen Schadensersatzansprüchen befreit werden sollen. Geschäftsleiter, für die die Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG ein besonders scharfes Schwert darstellt, werden nicht erwarten, dass gerade dieser Anspruch vom Versicherungsschutz ausgenommen sein soll.
Vorsicht in der Praxis – Prüfung der Versicherungsverträge dennoch zu empfehlen!
Das Urteil des BGH ist ein Paukenschlag für D&O-Versicherer. In der Praxis war zu beobachten, dass sich D&O-Versicherer nach dem Urteil des OLG Düsseldorf häufig gegen die Inanspruchnahme unter Berufung auf die Rechtsprechung wehrten. Die Entscheidung des BGH beseitigt nunmehr die große Verunsicherung, die diese Praxis mit sich gebracht hatte. Nichtsdestotrotz ist Vorsicht geboten!
Der BGH hatte über die Auslegung der Versicherungsbedingungen im konkreten Fall zu entscheiden, doch nicht alle Versicherungsverträge sind gleich. Im Zuge der Entscheidung des OLG Düsseldorf wurden in der Praxis viele Versicherungsverträge angepasst. Häufig wurde nachträglich klargestellt, welche Ansprüche vom Versicherungsschutz erfasst sind und welche nicht. Auch bei älteren Versicherungsverträgen, die keine Aktualisierungen erfahren haben, kann der Wortlaut von den heute üblichen Formulierungen abweichen.
Die klare Empfehlung lautet daher, den Versicherungsvertrag zur D&O-Versicherung prüfen zu lassen und mit der Versicherung gegebenenfalls eine Klarstellung darüber zu treffen, wie weit der Versicherungsschutz reicht. Die Ansprüche nach § 64 S. 1 GmbHG werden zwar erst in der Krise des Unternehmens relevant, doch rücken in stürmischen Zeiten andere Themen in den Fokus und die aus Sicht der Geschäftsführung so wichtige Absicherung durch die D&O-Versicherung gerät aus dem Sichtfeld. Eine frühzeitige Klärung der Absicherung kann daher entscheidend sein.