D&O – Versicherung deckt nicht die Geschäftsführerhaftung nach § 64 GmbHG wegen nach Insolvenzreife getätigter Zahlungen.
Im April hat der Bundesgerichtshof GmbH-Geschäftsführer aufhorchen lassen, indem er entschieden hat, dass ein Geschäftsführer in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung den Beteiligten gegenüber wie ein Insolvenzverwalter haftet (Urteil vom 26. April 2018 – IX ZR 238/17). Nun hat das Oberlandesgericht Düsseldorf eine weitere bemerkenswerte Entscheidung im Zusammenhang mit der Haftung von GmbHG-Geschäftsführern getroffen.
Nachdem das OLG Celle schon im Jahr 2016 eine ähnliche Rechtsauffassung vertreten hatte (Beschluss vom 1. April 2016 -8 W 20/16), hat der 4. Zivilsenat des OLG Düsseldorf nun mit Urteil vom 20. Juli 2018 (Az. 4 U 93/16) entschieden, dass der Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung nicht den Anspruch einer insolventen Gesellschaft gegen ihren versicherten Geschäftsführer auf Ersatz insolvenzrechtswidrig geleisteter Zahlungen gemäß § 64 S. 1 GmbHG deckt.
Sachverhalt: Deckungsprozess wegen Geschäftsführerhaftung
Die Klägerin war Geschäftsführerin einer GmbH und wurde vom Insolvenzverwalter der Gesellschaft erfolgreich nach § 64 S. 1 GmbHG in Anspruch genommen, da die Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife noch Überweisungen in Höhe von rund EUR 200.000 ausgeführt hatte. Nachdem die Geschäftsführerin rechtskräftig zur Zahlung des Betrages in Höhe von EUR 200.000 verurteilt worden war, meldete die Geschäftsführerin diese Forderung bei ihrer Versicherung an und verlangte die Freistellung von der Pflicht zur Zahlung. Nach Auffassung der Geschäftsführerin sollte die abgeschlossene D&O-Versicherung auch für derartige Haftungsansprüche aufzukommen haben.
Ausweislich der zugrunde liegenden Bedingungen der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung wurde Versicherungsschutz gewährt
für den Fall, dass eine versicherte Person […] wegen einer […] Pflichtverletzung […] für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird […].
Dass auch eine Inanspruchnahme der versicherten Geschäftsführerin aus § 64 S. 1 GmbHG hiervon erfasst sein soll, war in den Versicherungsbedingungen nicht ausdrücklich geregelt.
Haftungsanspruch als Ersatzanspruch eigener Art
Nach Auffassung des OLG Düsseldorf handelt es sich beim Haftungsanspruch gemäß § 64 S. 1 GmbHG nicht um einen auf Kompensation eines Vermögensschadens gerichteten Schadensersatzanspruch, sondern um einen „Ersatzanspruch eigener Art″. Diese dogmatische Einordnung hatte der Bundesgerichtshof bereits mehrfach in nicht versicherungsrechtlichen Zusammenhängen vorgenommen (vgl. BGH, Urteil v. 8. Januar .2001 – II ZR 88/99; BGH, Urteil v. 31. März 2003 – II ZR 150/02).
Das OLG Düsseldorf führt weiter aus, dass es im Versicherungsrecht für die Frage, ob der Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG als Schadensersatzanspruch im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen sei, nicht auf die (gesellschafts-) rechtliche Einordnung, sondern auf die tatsächlichen Elemente des Haftungstatbestandes ankomme. Doch obwohl auch eine Inanspruchnahme aus § 64 S. 1 GmbHG zu einer finanziellen Einbuße bei dem versicherten Geschäftsführer führe, sich für diesen die Inanspruchnahme also wie ein Schadensersatzanspruch anfühle, fehle es an einem auch im tatsächlichen schadensersatzähnlichen Charakter des Anspruchs. Denn auch wenn diese Ansprüche nach dem Gesetzeswortlaut der Gesellschaft zustehen, dienten sie aufgrund der Insolvenzsituation allein dem Interesse der Gläubigergesamtheit. Eine D&O-Versicherung sei jedoch nicht auf den Schutz der Gläubigerinteressen ausgelegt.
Der Gesellschaft selbst entstehe gerade kein Schaden, weil der verbotswidrigen Zahlung regelmäßig das Erlöschen einer durch die Zahlung getilgten Verbindlichkeit gegenüberstehe. Das Vermögen der Gesellschaft bleibe somit gleich, lediglich die potentiellen Befriedigungsmöglichkeiten der Gesellschaftsgläubiger seien beeinträchtigt. Schließlich rechtfertigt das OLG Düsseldorf seine Rechtsauffassung auch damit, dass verschiedene Einwendungen, welche im Schadensersatzrecht üblicherweise erhoben werden können, im Rahmen der Verteidigung gegen einen Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG nicht vorgesehen seien.
Trotz möglicher Deckungslücken kein Versicherungsschutz
Das Gericht erkennt, dass seine Rechtsauffassung durchaus zu Deckungslücken in der D&O-Versicherung führen kann, da im Falle einer Insolvenz einer GmbH der Insolvenzverwalter in der Praxis oft Ansprüche gegen den Geschäftsführer auf § 64 S. 1 GmbHG stützt. Wegen der neben einem Anspruch gemäß § 64 S. 1 GmbH häufig vorliegenden Voraussetzungen für einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der insolvenzrechtswidrigen Zahlungen kann es sogar allein von der vom Insolvenzverwalter gewählten Anspruchsgrundlage abhängen, ob für den versicherten Geschäftsführer Deckungsschutz besteht oder nicht. Dennoch soll im vorliegenden Fall keine Auslegung der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen in Betracht kommen, der zu Folge ein Ersatzanspruch i.S.d. § 64 S. 1 GmbHG erfasst ist.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich die Klägerin oder der als Streithelfer betroffene Insolvenzverwalter mit einer Nichtzulassungsbeschwerde an den Bundesgerichtshof wenden werden.
Auswirkungen für die Praxis: Bestehende D&O-Policen überprüfen
Für die Praxis ist das Urteil von erheblicher Bedeutung, denn es betrifft nicht nur Geschäftsführer, sondern auch D&O-Versicherer und Versicherungsmakler.
Geschäftsführern ist aufgrund dieses Urteils dringend anzuraten, bestehende D&O-Policen von einem qualifizierten Rechtsanwalt dahingehend überprüfen zu lassen, ob diese Versicherungen einen Ersatzanspruch aus § 64 S. 1 GmbHG ausdrücklich abdecken. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste wegen einer möglichen Anpassung der Versicherungsbedingungen Rücksprache mit dem jeweiligen Versicherer gehalten werden.
Darüber hinaus sollten insbesondere auch Vorstände und Aufsichtsräte einer AG bzw. einer (dualistisch geprägten) SE bestehende D&O-Policen rechtlich überprüfen lassen. Im Aktienrecht existiert mit dem Anspruch aus §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 1 AktG ein Anspruch, der dem Ersatzanspruch nach § 64 S. 1 GmbHG weitgehend entspricht. Es ist daher nicht auszuschließen, dass von der Rechtsprechung auch die versicherungsrechtliche Deckung des aktienrechtlichen Anspruchs wegen nach Insolvenzreife getätigter Zahlungen abgelehnt wird, wenn die Versicherungsbedingungen die Deckung nicht explizit vorsehen.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. Masseforderung, Verkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Zuletzt haben wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt.