7. Januar 2019
ESUG
Restrukturierung und Insolvenz

ESUG Evaluation – Reform gelungen, Nachbesserungen nötig

Die von der Bundesregierung beauftragte Evaluation zum ESUG stellt der Reform ein gutes Zeugnis aus, sieht aber punktuell auch Bedarf zur Nachbesserung.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen („ESUG″) im Jahr 2012 wurde festgelegt, dass das Gesetz nach fünf Jahren evaluiert werden sollte, um die Wirkungen der Reform einzuschätzen und eventuellen Änderungsbedarf zu erkennen. Die Ergebnisse dieser Evaluation wurden am 10. Oktober 2018 veröffentlicht.

Den Gutachtern wurden insbesondere vier Fragen gestellt: zum gestiegenen Einfluss der Gläubiger im Verfahren und dessen Auswirkung auf die Auswahl und Unabhängigkeit von Insolvenzverwaltern, zur Nutzung der neuen Möglichkeiten zum Eingriff in Rechte der Gesellschafter, zur Nutzung der Verfahrensvarianten „Schutzschirm″ und Eigenverwaltung sowie zur Organisation der Insolvenzgerichte.

Kein Zurück zum alten Recht – trotzdem Reformbedarf

Im Ergebnis halten die Gutachter das ESUG für gelungen und empfehlen, die neuen Regelungen beizubehalten, da sie sich weitgehend bewährt hätten. Insbesondere die Eigenverwaltung habe seit der Reform an Bedeutung gewonnen.

Das Schutzschirmverfahren habe sich neben der „regulären″ vorläufigen Eigenverwaltung jedoch nicht etabliert. Die Gutachter empfehlen deshalb, die Verfahrensvarianten nach § 270a InsO und § 270b InsO zusammenzufassen. Die Praxis nehme die neuen Möglichkeiten weit überwiegend positiv auf. Zu erkennbaren Nachteilen für Gesellschafter oder Arbeitnehmer habe die Reform nicht geführt. Bei der Auswahl von Insolvenzverwaltern und Sachwaltern solle die Balance zwischen Insolvenzgerichten und Gläubigern verfeinert werden.

Die Regelungen zum Insolvenzplan sollen punktuell nachgebessert werden. Insbesondere solle eine bessere Verzahnung mit dem Umwandlungsrecht vorgenommen werden, um solche Maßnahmen in einem Insolvenzplan effizienter umsetzen zu können. Auch hinsichtlich der Organisation der Insolvenzgerichte gebe es keinen akuten Handlungsbedarf, jedoch sei eine Konzentration der Insolvenzgerichte und damit eine Professionalisierung der Richter und Rechtspfleger zu prüfen.

Der Debt-Equity-Swap, also die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital, habe sich in der Praxis bislang als weniger relevant erwiesen, als es noch bei Schaffung des ESUG vermutet worden war. Dies mag auch daran liegen, dass es sich um ein relativ kompliziertes Sanierungsinstrument handelt. Für Banken, die weiterhin die wesentlichen Finanzierungspartner insbesondere mittelständischer Unternehmen sind, wird das Halten von Gesellschaftsanteilen sicher auch künftig nicht zum Geschäftsmodell gehören. Es ist aber gut vorstellbar, dass die Zunahme hybrider Finanzierungsformen oder ein wachsender Markt für Forderungen auch zu einer Zunahme von Debt-Equity-Swaps führen wird.

Auch ansonsten sprechen sich die Gutachter im Verhältnis zwischen Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht dafür aus, die mit dem ESUG eingeschlagene Aufgabe der sogenannten „gesellschaftsrechtlichen Abstinenz des Insolvenzrechts“ beizubehalten und etwaige im Gesellschaftsrecht vorhandene Blockadepositionen bei Unternehmenssanierungen mit den Mitteln des Insolvenzrechts zu überwinden.

ESUG als großer Schritt auf dem Weg zu einem modernen Insolvenzrecht

Das ESUG ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem modernen Rechtsrahmen für Unternehmenssanierungen in Deutschland. Auch aus Beratersicht hat es sich bewährt. Unternehmen und Unternehmer sollen sich frühzeitig mit den Möglichkeiten einer Unternehmenssanierung auseinandersetzen und entsprechende Schritte einleiten. Je früher eine (Unternehmens-)Krise erkannt wird, umso eher lässt sie sich überwinden. Deshalb ist es wichtig, das Stigma einer Insolvenz als vermeintlichen Ausdruck des Scheiterns zu überwinden und zu erkennen, dass Krise und Insolvenz zum Wirtschaftsleben ebenso dazugehören, wie das Gründen und Aufbauen von Unternehmen. Eine Verbesserung haben die neuen Regelungen zu Eigenverwaltung, Schutzschirm und Insolvenzplänen bereits erzielt. Am Ziel ist man aber noch nicht.

Auch aus Gläubigersicht ist das ESUG ein Erfolg. Ein modernes Insolvenzrecht lebt davon, dass sich die Gläubiger im Verfahren einbringen und dieses im Rahmen ihrer Gläubigerautonomie mitgestalten. Dies erleichtert die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger und vermindert die Schäden, die durch Forderungsausfälle entstehen.

Zusammenspiel mit der Schaffung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens

Die Evaluation empfiehlt auch, den derzeit noch in der Diskussion befindlichen Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur Schaffung eines Rechtsrahmens für präventive Restrukturierung konstruktiv zu begleiten und umzusetzen. Dabei soll keine direkte Verzahnung mit Schutzschirm-, Eigenverwaltung und anderen Varianten des Insolvenzverfahrens stattfinden, sondern ein davon abgegrenztes vorgelagertes Verfahren geschaffen werden. Dadurch stünden Unternehmen und Unternehmern rechtssichere Instrumente zur Restrukturierung frühzeitig zur Verfügung, ohne dass zugleich sämtliche Werkzeuge des Insolvenzverfahrens verfügbar seien, die teilweise erheblich weiter in die Rechte der Beteiligten eingreifen.

Die Erkenntnisse aus der Evaluation des ESUG sind dabei wichtige Bausteine. Wie auch in der Eigenverwaltung, wird es in einem präventiven Restrukturierungsverfahren darauf ankommen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen klar und funktional sind und, dass sämtliche Beteiligte professionell und in Übereinstimmung mit dem Zweck des Verfahrens agieren. Nur so kann verhindert werden, dass von vorneherein ungeeignete Fälle zu Misserfolgen führen.

Gleichzeitig kann Missbrauch vermieden werden. Hierzu gehört auch, dass die Ausschlusskriterien klar geregelt und konsequent umgesetzt werden und mit einfachen aber konsequenten Mechanismen zur Haftung der Beteiligten bei Pflichtverletzungen flankiert sind. Dies ermöglicht es Geschäftsführern, Beratern und Sachwaltern, in unübersichtlichen (Krisen-)Situationen schnell und sicher zu agieren. Zugleich ermöglicht es eine effektive Kontrolle durch die Gläubiger, die dadurch ihre Interessen selbst wahren können.

Der Pressemitteilung des Europäischen Rats vom 19. Dezember 2018 konnte man entnehmen, dass in den Trilog-Gesprächen zwischenzeitlich eine Einigung zwischen Europäischem Rat und Europäischem Parlament erzielt worden sei und eine finale Entwurfsfassung derzeit noch sprachlich überarbeitet werde. Mit der Verabschiedung einer Richtlinie kann noch in diesem Frühjahr vor Ablauf der aktuellen europäischen Legislaturperiode gerechnet werden. Die Umsetzungsfrist soll ab Veröffentlichung der Richtlinie zwei Jahre (für manche Bereiche drei Jahre) betragen.

Im Rahmen der auf die Veröffentlichung der Evaluationsergebnisse folgenden Diskussion war aus dem BMJV wiederholt zu hören, dass man sich bei der Umsetzung des Richtlinienentwurfs einen größtmöglichen Spielraum ausbedungen habe und sich an der Evaluation des ESUG orientieren werde. Man sehe beide Themenfelder in einem engen Zusammenhang und wolle die Umsetzungsfrist der Richtlinie möglichst nicht voll ausschöpfen.

Eine passgenaue und funktionale Ergänzung der bestehenden Möglichkeiten wäre jedenfalls zu begrüßen. Ein praktikables Verfahren zur präventiven Restrukturierung von Unternehmen (teilweise auch „vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren″ genannt) ist der konsequente nächste Schritt auf dem Weg zu einem modernen Rechtsrahmen für Unternehmenssanierung und Insolvenzen in Deutschland.

Forderung nach einem Steuerrecht für Insolvenz und Sanierung

Zu begrüßen ist auch, dass die Gutachter eine klare Empfehlung zur Erarbeitung eines kohärenten Steuerrechts bei Unternehmenssanierungen und Insolvenzen aussprechen. Zwar wurde mit Inkrafttreten der Neuregelung am 14. Dezember 2018 bei der steuerlichen Einordnung von Sanierungsgewinnen die nötige Rechtssicherheit und Planbarkeit wiederhergestellt. Gerade die jüngsten Vorgänge um die Besteuerung von Sanierungsgewinnen und die Behandlung von Verlustvorträgen haben aber gezeigt, dass für eine erfolgreiche Sanierung von Unternehmen alle Bausteine ineinandergreifen müssen.

Fazit: ESUG als gelungenes Reformgesetz mit leichtem Korrekturbedarf

Das ESUG ist ein Meilenstein für Restrukturierung und Insolvenz in Deutschland und hat sich in der Praxis weitgehend bewährt. Die nun vorgelegte Evaluation bestätigt dies. Zugleich gibt es Bedarf zu punktuellen Nachbesserungen, insbesondere bei der vorläufigen Eigenverwaltung und der Verzahnung mit den gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen bei Umwandlungen in Insolvenzplänen.

Der nächste Schritt auf dem Weg zu einem modernen Rechtsrahmen für Restrukturierung und Insolvenz ist die Umsetzung der EU-Initiative zur Schaffung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens. Diese Chance sollte genutzt werden.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. MasseforderungVerkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das  französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Zuletzt haben wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt. 

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