Gläubiger nachrangiger Forderungen und von Gesellschafterdarlehen gehen in der Insolvenz oft leer aus. Erhaltene Rückzahlungen sind oft anfechtbar.
Im Insolvenzverfahren gilt bekanntlich der Grundsatz „par conditio creditorum“ – gleiche Bedingungen für alle Gläubiger. Trotzdem wird bei der Verteilung des Vermögens (Insolvenzmasse) nach einer Rangfolge verfahren: zuerst werden die Masseforderungen beglichen.
Zu den Masseforderungen gehören vorweg die Kosten des Verfahrens (Gericht und Insolvenzverwalter) und jene Kosten, die nach Verfahrenseröffnung angefallen sind. Danach werden die einfachen Insolvenzforderungen bedient, also alle Forderungen, die vor Verfahrenseröffnung begründet waren und zur Insolvenztabelle angemeldet und festgestellt worden sind. Reicht das verbliebene Geld nicht für alle Insolvenzforderungen aus, werden diese anteilig befriedigt (sog. Insolvenzquote).
Nachrangige Forderungen gesetzlich bestimmt
Erst danach würden die nachrangigen Forderungen bedient werden. Meistens gehen diese leer aus. Nachrangige Forderungen sind deshalb überhaupt nur zur Insolvenztabelle anzumelden, wenn das Insolvenzgericht besonders dazu auffordert. Das Gesetz weist bestimmte Forderungen in den Nachrang, um die Insolvenzmasse zu schützen und so die Aussichten der einfachen Insolvenzgläubiger auf eine möglichst hohe Befriedigung zu verbessern.
Innerhalb der nachrangigen Forderungen gibt es wiederum eine gesetzlich festgelegte Befriedigungsreihenfolge. Auch hier gilt, dass keine Rangklasse etwas erhalten darf, sofern nicht die Forderungen der vorrangigen Kategorie voll befriedigt worden sind. Die Reihenfolge ist in § 39 Abs. 1 InsO geregelt und lautet: zuerst die seit Eröffnung des Verfahrens laufenden Zinsen auf Forderungen der Insolvenzgläubiger, dann die Kosten, die den Insolvenzgläubigern durch die Teilnahme am Verfahren entstanden sind, dann etwaige Geldstrafen, Bußgelder, Ordnungs- oder Zwangsgelder, dann Forderungen auf unentgeltliche Leistungen des Schuldners und zuletzt Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.
Insolvenz: Was Gesellschafterdarlehen und wieso Forderungen daraus nachrangig sind
Besonders relevant ist die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit bei Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen. Hierunter ist jede Form der Kreditierung des Schuldners durch einen oder mehrere Gesellschafter zu verstehen. Dies kann vom klassischen Gelddarlehen, über Sachdarlehen und die Stundung von Forderungen bis zur Gewährung ungewöhnlich langer Zahlungsziele reichen.
Sobald eine finanzierende Funktion gegeben ist, sollte man über die mögliche Einordnung als Gesellschafterdarlehen nachdenken. Nicht nur die Art und Weise der Darlehensgewährung ist weit zu verstehen. Auch der Personenkreis ist weit gefasst. Neben unmittelbaren Gesellschaftern werden auch mittelbare Gesellschafter und gesellschaftergleiche Dritte erfasst. Dritte können z.B. nahestehende Personen sein, wenn sie aus überlassenen Mitteln des Gesellschafters ein Darlehen gewähren. Entscheidend ist neben der Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschicke des Unternehmens auch die Zurechenbarkeit zum Gesellschafter. Der Wortlaut ist bewusst breit gefasst, um jegliche Umgehungsversuche zu vereiteln.
Fälle des Gesellschafterdarlehens sind deshalb auch von einem Gesellschafter besicherte Forderungen Dritter gegen das Unternehmen sowie stehengelassene Gewinne oder Vergütungsansprüche aus Dienstleistungen. Auch Leasingkonstruktionen wie „sale and lease back“ können darunter fallen, wenn ihnen bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Kreditgewährung innewohnt.
Nicht erfasst sind hingegen Gesellschafterdarlehen, wenn eine natürliche Person als Gesellschafter persönlich haftet. Dies kommt praktisch selten vor. Ausgenommen sind auch Darlehen von Gesellschaftern, die mit zehn Prozent oder weniger an der Gesellschaft beteiligt sind und nicht Geschäftsführer sind (sog. Kleinbeteiligtenprivileg). Handeln mehrere Gesellschafter mit geringen Beteiligungen in Abstimmung miteinander, können deren Anteile jedoch zusammengezählt werden. Ausgenommen sind außerdem Darlehen von Neugesellschaftern, wenn sie die Anteile zum Zweck der Sanierung des Unternehmens erwerben (sog. Sanierungsprivileg). Dies gilt allerdings nur bis die Sanierung nachhaltig abgeschlossen ist.
Warum solche Forderungen nachrangig sind, ist umstritten. Bis 2008 galt der Grundsatz der Finanzierungsfolgenverantwortung: wenn Gesellschafter einem Unternehmen beispielsweise in der Krise ein Darlehen gaben, welches das Unternehmen etwa von einer Bank nicht bekommen hätten, und damit Fremdkapital statt Eigenkapital zuführten, dann sollte das Darlehen zumindest wie Eigenkapital behandelt werden. Im Jahr 2008 wurde das sogenannte Kapitalersatzrecht reformiert und weitgehend abgeschafft. Die neue Regelung knüpft nicht mehr an das Anzeichen der Krise an, sondern unterwirft jegliche Forderungen auf Rückzahlungen von Finanzierungen durch Gesellschafter dem Nachrang, falls eine Insolvenz des Unternehmens eintritt. Ein Begründungsversuch lautet, dass die Gesellschafter „näher dran“ am Unternehmen seien und über mehr Informationen als Dritte verfügen würden. Die Neuregelung hat jedenfalls den Charme, dass zuvor bestehende Unklarheiten über die Einordnung als nachrangige Forderungen weitgehend beseitigt worden sind. Zweifel bleiben hingegen bei den gleichgestellten Forderungen.
Der BGH hat mit Urteil vom 13. Oktober 2016 (Az. IX ZR 184/14) bekräftig, dass die im Geschäftsleben übliche Finanzierung der Gesellschaft durch ihre Gesellschafter zwar grundsätzlich nicht mit einem Makel behaftet sei, sie jedoch einer insolvenzrechtlichen Sonderbehandlung unterworfen und im Insolvenzverfahren der Haftung von Eigenkapital weitgehend gleichgestellt sei.
Folgen des Nachrangs
Die Folge dessen ist nicht nur, dass Rückzahlungsforderungen der Gesellschafter in der Insolvenz nachrangig sind und deshalb häufig leer ausgehen. Vielmehr sind die im Zeitraum von einem Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags bereits erfolgten Rückzahlungen ohne weitere Voraussetzungen anfechtbar. Der betroffene Gesellschafter muss also damit rechnen, dass er diese Zahlungen zur Insolvenzmasse zurückgewähren muss. Zwar können nachrangige Forderungen grundsätzlich auch besichert sein und in der Insolvenz abgesondert befriedigt werden, jedoch ist die Bestellung von Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen ebenfalls anfechtbar, wenn sie innerhalb von zehn Jahren vor Insolvenzantragstellung erfolgt ist.
In seinem Urteil vom 13. Oktober 2016 hat der BGH ebenfalls festgestellt, dass die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens grundsätzlich eine entgeltliche Leistung darstellt, selbst wenn die Rückzahlungsansprüche in der Insolvenz praktisch wertlos sein sollten. Die schärfere Anfechtung von unentgeltlichen Leistungen greift deshalb nicht.
Wenn ein Gesellschafter also zusätzliche Mittel in Form von Darlehen oder in ähnlicher Weise für die Gesellschaft bereitstellt, muss er damit rechnen, dass diese in der Insolvenz der Gesellschaft wie haftendes Eigenkapital behandelt werden.
Dies wird auch dann relevant, wenn in einem Konzern Zahlungen zwischen den Mutter-, Tochter- oder Schwestergesellschaften fließen, die eine finanzierende Funktion haben oder entsprechende Rückzahlungen sind. Das ist etwa bei sogenanntem Cash Pooling der Fall. Hierbei werden die liquiden Mittel der einzelnen Konzerngesellschaften auf einem zentralen Konto gesammelt und bei Bedarf wieder von diesem Konto bezogen. Hierdurch kann die vorhandene Liquidität gesteuert werden. Es müssen zum Beispiel nicht Zinsen für einen Kontokorrentkredit gezahlt werden, während anderswo im Konzern noch genügend Geld herumliegt.
Risikosteuerung durch Gesellschafter erfordert Voraussicht
Solange die Gesellschafter Einfluss auf die Gesellschaft haben, können sie durch Finanzierungsbeiträge eine Insolvenz vermeiden oder steuern, wann und in welcher Höhe Rückzahlungen auf bereits gewährte Gesellschafterdarlehen erfolgen.
Was passiert jedoch, wenn die Gesellschaft verkauft wird und dieser Einfluss endet? Die Nachrangigkeit erlischt grundsätzlich nicht mit dem Ende der Gesellschafterstellung. Wird zum Beispiel eine Konzerngesellschaft verkauft und sowohl die Geschäftsanteile als auch das Gesellschafterdarlehen von einem neuen Investor übernommen, können die Altgesellschafter neben dem neuen Investor durch einen Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden, wenn innerhalb eines Jahres nach Übertragung der Anteile noch Rückzahlungen auf das Gesellschafterdarlehen (an den neuen Investor) erfolgen und für die Gesellschaft innerhalb eines Jahres nach der letzten Rückzahlung ein Insolvenzantrag gestellt wird. Im Ergebnis tragen die Altgesellschafter also bis zu zwei Jahre ein Risiko, falls die verkaufte Gesellschaft insolvent wird. Dem könnte man begegnen, indem man sich Freistellungsansprüche durch den Käufer einräumen lässt. Allerdings hilft dies nur solange, wie der neue Investor selbst ausreichend solvent ist. Hat man genügend Zeit im Vorfeld einer solchen Transaktion, könnte man überlegen, bestehende Gesellschafterdarlehen bereits ein Jahr vor Closing abzulösen.
Zudem hat der BGH in einer Reihe von Entscheidungen (vgl. BGH Urteil vom 07. März 2013 (Az. IX ZR 7/12) anerkannt, dass auf Gesellschafterdarlehen die Grundzüge der Rechtsprechung zur Anfechtung von Zahlungen im Kontokorrent anwendbar sein können, wenn die Darlehensvergabe ähnlich wie in einem Kontokorrent erfolgt ist. Für das Kontokorrent ist anerkannt, dass nicht jede einzelne Zahlung, sondern lediglich der negativ abweichende Saldo angefochten werden kann, also die Summe der Einzahlungen abzüglich der Auszahlungen, sofern die Einzahlungen im Anfechtungszeitraum überwiegen. Man kann also bereits bei der Darlehensgewährung darauf achten, dass diese wie bei einem Kontokorrent erfolgt.
Ob diese Rechtsprechung auch auf Cash Pooling übertragen werden kann, ist noch ungeklärt. Falls ja, ließen sich die Risiken aus Insolvenzanfechtung deutlich verringern. Falls nein, könnte im schlimmsten Fall jede einzelne Darlehensrückzahlung anfechtbar sein. Für die Anwendbarkeit spricht jedenfalls, dass Cash Pooling in seiner Funktion einem Kontokorrent sehr ähnlich ist. Im Zweifel wird es auf die Ausgestaltung im Einzelfall ankommen.
Die Rolle von Rangrücktrittsvereinbarungen
Forderungen können auch durch Vereinbarung zwischen den Parteien nachrangig werden. Bei den sogenannten Rangrücktrittsvereinbarungen steht es den Parteien frei, die Tiefe des Rangrücktritts zu wählen. Wird keine Regelung getroffen, ist im Zweifel anzunehmen, dass die Forderung hinter jene auf Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen zurücktritt.
Dies kann etwa sinnvoll sein, wenn die Gefahr einer insolvenzrechtlichen Überschuldung im Raum steht. Wird eine Forderung mit einem qualifizierten Rangrücktritt versehen, ist sie in einem Überschuldungsstatus nicht zu passivieren. Das kann dazu führen, dass eine rechnerische Überschuldung ausgeschlossen wird. Die rechnerische Überschuldung ist neben dem Vorliegen einer positiven Fortbestehensprognose ein Element der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung.
Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 5. März 2015 (Az. IX ZR 133/14) umfassend zu den Anforderungen von Rangrücktrittsvereinbarungen geäußert. Danach muss eine Rangrücktrittsvereinbarung auch ein Zahlungsverbot enthalten, solange die Gefahr des Eintritts eines Insolvenzgrundes besteht. Außerdem könne sie im Stadium der Insolvenzreife nicht durch eine Abrede des Schuldners mit dem Gläubiger der Forderung aufgehoben werden, da sie einen Vertrag zu Gunsten der Gläubigergesamtheit darstelle.
Ohne qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung sind grundsätzlich auch Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus zu passivieren. Es kommt deshalb regelmäßig vor, dass diese im Krisenfall mit einem qualifizierten Rangrücktritt versehen werden. Für Gesellschafter ist dies zunächst ein relativ geringer Einschnitt, da die Forderung ohnehin bereits nachrangig gewesen ist.
Nachrangige Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz: Ein Fazit
Forderungen können aus verschiedenen Gründen nachrangig sein. Die praktisch größte Bedeutung haben aber Gesellschafterdarlehen und Rangrücktrittsvereinbarungen. Alle haben gemeinsam, dass sie bei der Verteilung der Insolvenzmasse regelmäßig leer ausgehen. Eine mit Rangrücktritt versehene Forderung kann dennoch gesichert sein und abgesonderte Befriedigung aus dem Verwertungserlös der Sicherheit erhalten. Nur der verbleibende Ausfall besteht dann als nachrangige Forderung weiter. Gesellschafterdarlehen sind gebräuchliche Mittel der Unternehmensfinanzierung. Bereits bei der Ausgestaltung sollte man die Risiken im Blick haben. Rangrücktrittsvereinbarungen sind unverzichtbare Instrumente der Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. Masseforderung, Verkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Zuletzt haben wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt.