Gerät ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise, lassen sich Haftungsrisiken für die Beteiligten häufig nur durch ein tragfähiges Sanierungskonzept minimieren bzw. vermeiden.
Im Rahmen einer Unternehmenskrise ist es für alle Beteiligten wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Sanierungsbemühungen und -maßnahmen sollten nicht überstürzt vorgenommen werden. Vielmehr sollten sich die im Mittelpunkt stehenden Geschäftsführer und Gläubiger (z.B. Banken, Warenkreditgeber, Lieferanten) gemeinsam einen Rahmen setzen, auf dessen Grundlage die Sanierung des Unternehmens zielorientiert, transparent und unter Vermeidung von (Haftungs-) Risiken erfolgen kann. Hierzu können vor allem ein Sanierungskonzept bzw. Sanierungsgutachten dienen.
Gerät ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise, sind Risiken der Beteiligten zu vermeiden
Gerät ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise, muss vor allem schnell gehandelt werden. In der Verantwortung steht hierbei in erster Linie die Geschäftsführung des betroffenen Unternehmens. Diese muss einerseits versuchen, möglichst zügig den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren und Verhandlungen mit verschiedenen Beteiligten, wie z.B. Banken, (Waren-) Kreditversicherern, Lieferanten usw., von deren Mitwirkung der Erfolg einer Sanierung abhängt, in die Wege zu leiten. Andererseits darf die Geschäftsführung aber auch nicht vorschnell handeln, da in dieser Situation erhebliche Risiken drohen. Kommt es unter Zeitdruck zu Fehlentscheidungen, kann dies für alle Beteiligten zivil-, insolvenz- und auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Aus Sicht der Geschäftsführung besteht hier insbesondere das Risiko einer möglichen Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO). Diese liegt vor, wenn die Geschäftsführung trotz Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft nicht unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Woche nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Insolvenzantrag stellt.
Auch für Gläubiger, die sich an einem Sanierungsversuch aktiv beteiligen (z.B. durch Zurverfügungstellung von frischer Liquidität, Weiterbelieferung mit Waren etc.), birgt ein solches Vorgehen erhebliche Risiken. Ihnen kann im Fall des Scheiterns der Sanierung eine Haftung auf folgender Grundlage drohen:
- Denkbar ist zunächst eine Haftung wegen (aktiver) Beilhilfe zu einer Insolvenzverschleppung der Geschäftsführung des Unternehmens (§ 15a InsO i.V.m. § 830 BGB);
- Auch kommt eine Haftung wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Gefährdung der übrigen Gläubiger mit dem Vorwurf der Verlängerung des „Todeskampfs″ des Unternehmens in Betracht (§ 826 BGB).
- Schließlich müssen Gläubiger fürchten, dass Leistungen, die sie vor bzw. im Rahmen eines gescheiterten Sanierungsversuchs von dem Schuldnerunternehmen erhalten haben, nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen (§§ 129 ff. InsO) unter erleichterten Bedingungen anfechtbar sind.
Ein Sanierungskonzept als Lösung!
Mittel der Wahl, um eine nachhaltige Sanierung zu gewährleisten und die oben genannten Risiken zu vermeiden, ist ein so genanntes Sanierungskonzept bzw. Sanierungsgutachten (im Folgenden „Sanierungskonzept″ genannt). Einfach ausgedrückt handelt es sich hierbei um „den Fahrplan″ für eine nachhaltige Sanierung.
Das Sanierungskonzept enthält einen von Anfang bis Ende durchdachten und dokumentierten Weg der Sanierung sowie eine klare Aussage über deren Erfolgsaussichten. Mit einem Sanierungskonzept lassen sich die Erfolgschancen gegenüber einer Sanierung ohne entsprechendes Konzept effektiv steigern sowie die oben genannten Haftungs- und Anfechtungsrisiken signifikant senken.
Inhalt eines Sanierungskonzepts: Von Gründen für die Krise bis hin zu schlüssigen Sanierungsmaßnahmen
Auf Basis der bisherigen, höchstrichterlichen Rechtsprechung muss ein tragfähiges Sanierungskonzept (mindestens) Aussagen zu den folgenden Aspekten, beinhalten:
- Aussagen über wesentliche Unternehmensdaten, wirtschaftliche und rechtliche Einflussfaktoren sowie die (zentralen) Krisenursachen;
- Aussagen über die erforderlichen, operativen bzw. finanzwirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen und Sanierungsbeiträge der verschiedenen Beteiligten;
- Darstellung der Liquiditäts-, Ertrags- und Vermögensplanung des Unternehmens unter Berücksichtigung der Sanierungsmaßnahmen und -beiträge (integrierte Unternehmensplanung).
Das Sanierungskonzept muss auf einer ausreichend fundierten und verifizierten Tatsachengrundlage erstellt worden sein und in sich schlüssig sein. Die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen dürfen dabei insbesondere nicht offensichtlich undurchführbar erscheinen.
Ziel des Sanierungskonzepts ist es, beurteilen zu können, ob das Krisenunternehmen saniert werden kann oder nicht. Dies ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Regel nur dann zu bejahen,
- wenn das Krisenunternehmen weder zahlungsunfähig (§ 17 InsO) noch überschuldet (§ 19 InsO) ist;
- die angestrebte Sanierung bereits „in den Anfängen″ umgesetzt ist und
- die (im Sanierungskonzept) vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen und -beiträge zusammen objektiv geeignet sind, das Unternehmen in überschaubarer Zeit „durchgreifend″ zu sanieren.
Wann wiederum von einer „durchgreifenden″ Sanierung ausgegangen werden kann, wird von Fall zu Fall unterschiedlich zu bewerten sein (siehe hierzu die weiteren Ausführungen weiter unten).
Entscheidend ist jedenfalls, dass es zu dem Zeitpunkt der Fertigstellung des Sanierungskonzepts überwiegend wahrscheinlich ist (d.h. 50% + 1), dass das Unternehmen saniert werden kann. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt insbesondere auch für Sanierungsbeiträge, die der Mitwirkung Dritter bedürfen.
Kein allgemeinverbindlicher Standard für Sanierungskonzepte
Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat mit dem IDW-Standard S6 (IDW S 6) einen Standard für Sanierungskonzepte entwickelt. Zumindest bei der Sanierung größerer Unternehmen kommt dieser Standard auch regelmäßig zur Anwendung. Zudem wird er insbesondere bei Sanierungen, an denen Banken beteiligt sind, häufig von diesen gefordert.
Rechtlich zwingend ist die Einhaltung des IDW S6 Standards jedoch nicht. Maßgeblich ist allein, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien (siehe oben) eingehalten werden. Insbesondere bei der Sanierung kleinerer Unternehmen dürfte ein IDW S6 Konzept mit Blick auf die hohen Kosten oft auch unverhältnismäßig sein. Über die jeweiligen Inhalte eines Sanierungskonzepts muss daher von Fall zu Fall entschieden werden.
Nach den Vorgaben des IDW S6 erfordert eine „durchgreifende″ Sanierung, dass das Unternehmen (i) keine Insolvenzgründe aufweist und (ii) wettbewerbsfähig ist. Wettbewerbsfähigkeit soll vorliegen, wenn das Unternehmen ein angemessenes positives Eigenkapital sowie eine angemessene positive Rendite aufweist. Ob bereits eine „schwarze Null″ ausreicht, wird uneinheitlich beantwortet. Es dürfte jedoch das Mindesterfordernis sein.
Sanierungskonzept sollte in der Regel von unabhängigen Experten erstellt werden
Grundsätzlich kann ein Krisenunternehmen ein Sanierungskonzept selbst erstellen. Die Erstellung erfordert jedoch – gerade im Hinblick auf die Anforderungen der Rechtsprechung – umfassende juristische und betriebswirtschaftliche Fähigkeiten und Erfahrung im Umgang mit Krisensituationen.
Vor diesem Hintergrund wird es häufig ratsam sein, einen unabhängigen Experten mit der Erstellung zu beauftragen. Dies bringt auch die unverzichtbare, objektive Sichtweise in den Sanierungsprozess. Eine professionelle Begleitung des Sanierungsprozesses entscheidet daher oft über deren Erfolg oder Misserfolg.
Fazit: One size does not fit all!
Mit einem Sanierungskonzept lassen sich die Erfolgschancen gegenüber einer Sanierung ohne entsprechendes Konzept effektiv steigern sowie Haftungs- und Anfechtungsrisiken signifikant senken. Die Erstellung eines Sanierungskonzept ist jedoch betriebswirtschaftlich als auch juristisch eine echte Herausforderung. Der erforderliche Inhalt eines Sanierungskonzepts wird oft vom Einzelfall abhängen und lässt sich abstrakt nur schwer umreißen. Es ist daher jedem Krisenunternehmen sowie allen an einer Sanierung des Unternehmens Beteiligten dringend zu raten, sich betriebswirtschaftlichen als auch juristischen Rat einzuholen.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. Masseforderung, Verkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Zuletzt haben wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt.