27. Mai 2019
Sauvegarde financière accélérée
Restrukturierung und Insolvenz

Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée

Das französische beschleunigte Insolvenzverfahren ermöglicht insolvenzreifen Unternehmen, die ihren Unternehmenssitz in Frankreich haben, eine Sanierung innerhalb eines Monats.

Im Jahr 2010 führte der französische Gesetzgeber ein Verfahren zur beschleunigten insolvenzrechtlichen Unternehmenssanierung (Sauvegarde financière accélérée) ein, welches seitdem neben der „normalen“ insolvenzrechtlichen Unternehmenssanierung (Procédure de Sauvegarde) steht.

Das Sauvegarde financière accélérée ist nicht mit der Unternehmenssanierung in Deutschland vergleichbar und kann eine attraktive Möglichkeit für deutsche Unternehmer darstellen, um sich von ihren Verbindlichkeiten in einem geordneten Verfahren zu befreien.

Procédure de Sauvegarde

Die „normale“ Unternehmenssanierung, die „Procédure de Sauvegarde“, ist anders als das deutsche Sanierungsverfahren ein von dem eigentlichen Insolvenzverfahren unabhängiges Verfahren. Die Bestellung eines Insolvenzverwalters (administrateur) ist, anders als im deutschen Sanierungsverfahren, nicht zwingend. Wird er dennoch bestellt, so kommt ihm im Wesentlichen nur eine Überwachungsfunktion zu. Nur in seltenen Ausnahmefällen hat er eine Beistandsfunktion (fonction d’assistance), welche auf bestimmte Arten von Geschäftsvorfällen oder Rechtshandlungen beschränkt sein kann.

Während der Sanierung des Unternehmens ergeht ein allgemeines Zahlungs- und Vollstreckungsverbot. Die rückständigen Löhne der Arbeitnehmer sind allerdings innerhalb von zehn Tagen nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens mit den verfügbaren Mitteln zu begleichen.

Sauvegarde financière accélérée

Als Alternative zur klassischen Unternehmenssanierung hat der französische Gesetzgeber im Jahr 2010 die Sauvegarde financière accélérée, eine beschleunigte Unternehmenssanierung, eingeführt. Dieses Verfahren ermöglicht es insolventen Schuldnern, ihr Unternehmen innerhalb eines Monats – mit einer möglichen Verlängerung um einen weiteren Monat – vollständig und erfolgreich zu sanieren. 

Eröffnungsvoraussetzungen der Sauvegarde financière accélérée

Das neue beschleunigte Sanierungsverfahren steht solchen Unternehmen offen, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen (centre of main interests, kurz: COMI) in Frankreich haben, vgl. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO. Nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 EuInsVO wird vermutet, dass Gesellschaften oder juristische Personen ihren Interessenmittelpunkt am Ort ihres Satzungssitzes haben.

Eine weitere Eröffnungsvoraussetzung der Sauvegarde financière accélérée ist ein eröffnetes Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation). Die procédure de conciliation steht solchen Schuldnern zur Verfügung, die rechtlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten ausgesetzt sind oder denen solche drohen und die entweder nicht oder noch nicht länger als 45 Tage zahlungsunfähig sind (Art. L611-4 Code de commerce, kurz: C. com.). Sinn und Zweck der procédure de conciliation ist das Zustandekommen eines freiwilligen Vergleichs zwischen dem Schuldner und seinen Hauptgläubigern, durch den die finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners beseitigt werden sollen.

Für die Eröffnung eines Verfahrens der Sauvegarde financière accélérée ist gemäß Art. L628–1 Abs. 3 in der Fassung der Ordonnance Nr. 2014-1088 vom 26. September 2014 zusätzlich erforderlich, dass der Schuldner mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigt und EUR 3 Mio. Umsatz erzielt oder dass er eine Bilanzsumme von mindestens EUR 1,5 Mio. aufweist.

Des Weiteren muss der Schuldner einen Sanierungsplan vorlegen, der den Fortbestand des Unternehmens sicherstellen soll. Dieser kann Stundungen von noch offenen Forderungen, Forderungsverzichte, Equity-Swaps, Kapitaleinlagen und die Gewährung von Sanierungskrediten vorsehen. Es muss die Aussicht bestehen, dass mindestens zwei Drittel der an der Abstimmung teilnehmenden Gläubiger dem Sanierungsplan zustimmen.

Ablauf der Sauvegarde financière accélérée

Im Eröffnungsbeschluss benennt das Gericht zwingend einen Insolvenzverwalter und beschließt, ob dieser die Aufgabe hat, den Schuldner zu überwachen (mission de surveillance) oder zu unterstützen (mission d’assistance) (Art. L622-1 Abs. 2 C. com.). Wie in der normalen Procédure de Sauvegarde behält der Schuldner jedoch weitestgehend die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen.

Nach Eröffnung des beschleunigten Sanierungsverfahrens ist ein Gläubigerkomitee der Kreditinstitute und gegebenenfalls eine Versammlung der Anleihegläubiger einzuberufen. Der von dem Schuldner erstellte Sanierungsplan muss diesen Komitees vorgestellt und letztlich auch von ihnen angenommen werden. Weitere Gläubiger müssen dem Sanierungsplan nicht zustimmen.

Sofern der Planentwurf durch die beiden Gläubigerkomitees angenommen wird, prüft das Gericht, ob die Interessen aller Gläubiger ausreichend geschützt sind und, sofern Kapitalmaßnahmen vorgesehen sind, ob die Gesellschafterversammlung diesen zugestimmt hat. Sind die Voraussetzungen erfüllt, bestätigt das Gericht den Plan (Art. L626-31 C. com.). Eine Ablehnung des Planes wird allerding erfolgen, wenn der Schuldner inzwischen zahlungsunfähig ist oder wenn nach Einschätzung des Gerichts keine wirkliche Sanierungsmöglichkeit besteht (Art. L622-10 Abs. 2 und L626-1 C. com.).

Zeichnet sich am Ende des Verfahrens ab, dass das Gericht oder eines der Komitees den Sanierungsplan nicht annehmen wird, so ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen.

Sanierungsmöglichkeiten deutscher Unternehmen mittels der Sauvegarde financière accélérée

Durch die Verlegung ihres COMI besteht für deutsche Unternehmen eine attraktive Möglichkeit, eine langwierige deutsche Unternehmenssanierung zu vermeiden. Allerdings ist hier zu beachten, dass die Verlegung mit dem alleinigen Ziel, einem deutschen Insolvenzverfahren zu entgehen, rechtsmissbräuchlich sein kann. Eine Verlegung, die alleine aus dem Grund erfolgt, das günstigere französische Insolvenzrecht in Anspruch zu nehmen, ist daher nicht zu empfehlen.

Erfolgt die Verlegung des Unternehmenssitzes jedoch primär mit dem Ziel, in dem neuen Land wirtschaftlich tätig zu sein, so wird eine rechtsmissbräuchliche Verlegung zu verneinen sein. Der Unternehmenssitz muss allerdings tatsächlich ins Ausland verlegt werden. Dafür reicht es nicht aus, wenn lediglich einzelne Geschäfte im Ausland vorgenommen werden und das gesamte operative Geschäft, Betriebsstätten sowie das Betriebsvermögen weitgehend in dem ursprünglichen Land verbleiben.

Gelingt es einem Unternehmen, seinen Sitz nach Frankreich zu verlegen, steht ihm frühestens drei Monate nach Verlegung (vgl. Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 EuInsVO) im Insolvenzfall die Möglichkeit offen, die Durchführung einer Sauvegarde Financière Accélérée zu beantragen. Eine im Ausland erfolgreich erfolgte Unternehmenssanierung entfaltet gem. Art. 19, 20 EuInsVO auch in Deutschland ihre Wirkungen, so dass ein in Frankreich saniertes Unternehmen auch in Deutschland saniert ist.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. MasseforderungVerkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das  französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Zuletzt haben wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt.

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