30. Juli 2018
Insolvenzantrag durch Gläubiger
Restrukturierung und Insolvenz

Insolvenzantrag durch Gläubiger – einer für alle oder alles umsonst?

"Will mein Schuldner nicht zahlen oder kann er nicht?" Lautet die Antwort Zahlungsunfähigkeit, ist der Insolvenzantrag durch den Gläubiger die ultima ratio.

Viele Gewerbetreibenden kennen das Problem: man hat etwas verkauft oder eine Dienstleistung erbracht, hat dafür eine Rechnung gestellt, die mittlerweile fällig ist, aber: Der Geschäftspartner zahlt nicht.

Das muss natürlich nicht zwingend etwas heißen, vielleicht wurde die Rechnung schlicht übersehen. Je nach Branche mag es auch weder unüblich noch besorgniserregend sein, sich zunächst anmahnen zu lassen. Vielleicht ist das auch „nur″ Teil der Cash-Flow-Optimierung des Geschäftspartners. Gelangt man jedoch zu der Erkenntnis, dass der Schuldner tatsächlich nicht mehr zahlen kann, mag man überlegen, ob die Forderung ausgebucht wird oder ob es vielleicht doch noch eine Möglichkeit gibt.

Insolvenzantrag durch den Gläubiger

Als ein denkbarer Weg kommt Stellung eines Insolvenzantrages gegen den Geschäftspartner in Betracht. Auch wenn es in Deutschland – verglichen mit dem europäischen Ausland – eher unüblich ist, ist es nicht verwerflich, wenn ein Gläubiger mit dem Insolvenzantrag das Ziel verfolgt, seine Forderungen gegen den Schuldner durchzusetzen. Der Gläubiger muss auch nicht in jedem Fall zunächst eine erfolglose Einzelzwangsvollstreckung gegen den Schuldner durchlaufen, sondern kann u.U. direkt den Weg in die Gesamtvollstreckung, also das Insolvenzverfahren, beschreiten. Dabei sollte man sich allerdings bewusst machen, dass man sich den Regeln der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung unterwirft, wie es § 1 InsO als Verfahrensziel vorgibt. Also: „Einer für alle, wenn nicht genug für alle da ist!″ Aber: Lohnt sich das?

Nach § 14 Abs. 1 InsO kann ein Gläubiger grundsätzlich dann einen Insolvenzantrag stellen, wenn er seine Forderung sowie den Insolvenzgrund, zumeist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, glaubhaft macht und ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat.

Hierbei sollte man sich vor Augen führen, dass an die Zulässigkeit eines Gläubigerinsolvenzantrages strenge Anforderungen gestellt werden, um einer missbräuchlichen Antragsstellung zulasten des Schuldners entgegenzuwirken. Wie hoch die Anforderungen an einen solchen Gläubigerantrag im Einzelfall sind bzw. wie streng die Voraussetzungen hierfür geprüft werden, kann zudem von Insolvenzgericht zu Insolvenzgericht durchaus unterschiedlich sein.

Anforderungen an die Zulässigkeit

Die folgenden Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Gläubigerantrag als zulässig angesehen werden kann:

  • Zunächst muss das Vorliegen einer Forderung gegen den Schuldner glaubhaft gemacht werden (§ 294 ZPO). Dabei ist es vorzugswürdig, wenn die Forderung tituliert ist, da in diesem Fall aufgrund der Wertung des § 179 Abs. 2 InsO die Vorlage des Titels das Bestehen der Forderung bereits hinreichend nachgewiesen werden kann. Einer weitergehenden, schlüssigen Darlegung und Glaubhaftmachung der Forderung bedarf es dann nicht. Sofern eine nicht titulierte Forderung geltend gemacht wird, ist der Forderungsgrund schlüssig darzulegen und der Bestand der Forderung durch geeignete Unterlagen glaubhaft zu machen. Dies können insbesondere Zahlungsvereinbarungen, Rechnungen, Zahlungsaufforderungen, Verträge oder die Forderung betreffende, wechselseitige Korrespondenz, insbesondere Buchungsbestätigungen seitens des Schuldners, sein. In der Praxis üblich und hilfreich ist es darüber hinaus, das Zustandekommen der Forderung und ihre Fälligkeit im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung zu bestätigen. Aber Achtung: Eine falsche Versicherung an Eides Statt ist strafbar (§ 156 StGB)!
  • Weiter ist es erforderlich, einen Insolvenzgrund glaubhaft zu machen. Im Idealfall kann die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 17 InsO) durch eine Fruchtlosigkeitsbescheinigung eines Gerichtsvollziehers glaubhaft gemacht werden, was jedoch im Falle einer nicht titulierten Forderung allerdings ausscheidet. Möglich ist die Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit daher auch hier durch weitere Unterlagen, insbesondere Aussagen des Schuldners, dass er nicht in der Lage sei, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Dabei kann es auch ausreichen, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit mündlich eingeräumt hat. Zur Glaubhaftmachung empfiehlt es sich wiederum, dem Insolvenzgericht eine eidesstattliche Versicherung vorzulegen.
  • Schließlich ist das Vorliegen eines besonderen Rechtsschutzinteresses Zulässigkeitsvoraussetzung für den Insolvenzantrag durch einen Gläubiger. Es ist regelmäßig bereits dann gegeben, wenn dem Gläubiger eine Forderung gegen den Schuldner zusteht und er den Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Ein solches Rechtsschutzinteresse liegt aber z.B. nicht vor, wenn es dem Antragsteller ersichtlich nur darum geht, einen lästigen Konkurrenten loszuwerden. Gegen die „Verdrängung aus dem Markt″ als positivem Nebeneffekt dürfte allerdings regelmäßig wenig zu sagen sein.

Vorsicht bei „Druckanträgen″

Geht es dem Gläubiger einzig darum, mit Stellung des Insolvenzantrages „Druck″ auf den Schuldner auszuüben, um diesen doch noch zur Zahlung und somit zur Abwendung der Insolvenz zu bewegen, ist in mehrerlei Hinsicht Vorsicht geboten:

  • So kann bei einem solchen „Druckantrag″, wenn er als solcher erkannt wird, häufig das Rechtsschutzinteresse fehlen. Damit könnte das Risiko bestehen, dass der Insolvenzantrag als unzulässig abgewiesen wird.
  • Hat der „Druck″ dahingehend Erfolg, dass der Schuldner doch noch zahlt, könnte die Zahlung in einem späteren Insolvenzverfahren des Geschäftspartners insolvenzrechtlich anfechtbar sein, so dass der Gläubiger im schlimmsten Fall die Zahlung später an den Insolvenzverwalter zurückzahlen muss.
  • Schließlich könnte ein Druckantrag dazu führen, dass dem Antragsteller die Kosten auferlegt werden, wenn die Forderung bezahlt und der Insolvenzantrag daraufhin zurückgenommen wird. Zwar besagt § 14 Abs. 1 S. 2 InsO, dass ein Insolvenzantrag nicht allein deshalb unzulässig wird, weil die Forderung erfüllt wird. Daher muss der antragstellende Gläubiger im Grunde nicht für die Kosten eintreten, weil er nichts „falsch″ gemacht und keinen unzulässigen Insolvenzantrag gestellt hat. Jedoch gibt es Insolvenzgerichte, die aus einem Nichtfesthalten am Insolvenzantrag in Erledigungsfällen, also insbesondere bei Zahlung der Forderung, herauslesen wollen, dass der Gläubiger von Beginn an insolvenzfremde, persönliche Zwecke verfolgt habe, weswegen er die Kosten zu tragen habe.

Insolvenzantrag durch den Gläubiger: Haftung für die Kosten

Was aber kostet den Gläubiger die Stellung des Insolvenzantrages?

Die Verfahrenskosten im Falle der Durchführung des Insolvenzverfahrens sind sog. Massekosten (§ 54 InsO) und werden aus der Insolvenzmasse entnommen. Kostenschuldner ist insoweit dann der Schuldner bzw. die Insolvenzmasse selbst.

Aber dennoch ist Vorsicht geboten: Das Gesetz ordnet nämlich an, dass derjenige, der den Insolvenzantrag stellt, hierfür auch haftet (§ 23 Abs. 1 S. 1 GKG). Die Antragsgebühr bemisst sich dabei am Wert der geltend gemachten Forderung, beträgt aber mindestens 180,00 €. Wird der Insolvenzantrag also vom Gläubiger zurückgenommen, kann der antragstellende Gläubiger auch als sog. Zweitschuldner für die Kosten haftbar gemacht werden. Gleiches gilt, wenn das Vermögen des Schuldners nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens abzudecken (§ 26 InsO) und der Insolvenzantrag daher mangels Masse abgewiesen wird.

Also doch: alles umsonst? Jedenfalls sollte vor Stellung eines Insolvenzantrags durch den Gläubiger sorgsam abgewogen werden, ob der Schuldner wohl noch in der Lage sein wird die Kosten des Verfahrens zu tragen. Einen Insolvenzantrag sollte der Gläubiger daher wirklich nur als „ultima ratio″ in Erwägung ziehen.

Vorgehen bei bestrittenen Forderungen

Wir gehen nun einen Schritt weiter. Der Insolvenzantrag war erfolgreich, das Insolvenzverfahren ist eröffnet worden und der Insolvenzverwalter hat die Gläubiger dazu aufgefordert, ihre Forderungen zur sog. Tabelle (§ 175 InsO) anzumelden.

Die Forderungen müssen dann vom Insolvenzverwalter und können vom Schuldner und ggf. den Insolvenzgläubigern hinsichtlich Bestand, Höhe und Rang geprüft werden. Abschließend wird die angemeldete Forderung entweder festgestellt oder sie wird dem Grunde oder der Höhe nach (ggf. auch vorläufig) bestritten. Wird die Forderung bestritten, können weitere Handlungen erforderlich sein, um die Forderung zur Insolvenztabelle festzustellen, damit der anmeldende Gläubiger an der Verteilung der Masse teilhaben kann. Die erforderlichen Handlungen hängen davon ab, von wem die Forderung bestritten wurde und in welchem „Status“ sich die Forderung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens befand.

Ein Widerspruch lediglich des Schuldners hindert die Feststellung der Forderung grundsätzlich nicht, so dass weitere Handlungen des anmeldenden Gläubigers nur bei einem Widerspruch durch den Insolvenzverwalter oder – in der Praxis selten – durch andere Gläubiger notwendig sind.

Nicht titulierte Forderungen

Hat der Insolvenzverwalter eine Forderung, für die noch kein vollstreckbarer Titel vorliegt, bestritten, so kann durch den anmeldenden Gläubiger auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle geklagt werden, wobei je nach Streitwert entweder das Amtsgericht, bei dem das Insolvenzverfahren anhängig ist, oder das in dessen Bezirk befindliche Landgericht zuständig ist.

Ist über die bestrittene Forderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Rechtsstreit begonnen worden, kann der anmeldende Gläubiger das Gerichtsverfahren im Insolvenzverfahren wieder aufnehmen, indem er den Klageantrag dahingehend ändert, dass dieser nun auf Feststellung der Forderung und nicht mehr auf Zahlung lautet.

Titulierte Forderungen

Besteht bei bestrittenen Forderungen bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel – beispielsweise ein Versäumnisurteil oder ein mit einer Vollstreckungsklausel versehener Vergleich – muss der anmeldende Gläubiger selbst keine Klage auf Feststellung erheben. Denn die Klagelast liegt in diesem Fall beim Bestreitenden, insbesondere also beim Insolvenzverwalter.

Vorläufig bestrittene Forderungen

Der Widerspruch hinsichtlich einer Forderung kann vom Insolvenzverwalter auch „vorläufig“ erklärt werden, was auch häufig zu Beginn des Verfahrens vorkommt. Das vorläufige Bestreiten wirkt praktisch wie ein Widerspruch, denn es verhindert die Feststellung der Forderung zur Tabelle (BGH, Beschluss v. 9. Februar 2006 – IX ZB 160/04, NZI 2006, 295). Auch dagegen kann der anmeldende Gläubiger der Forderung bereits mit einer Feststellungsklage vorgehen.

Die Besonderheit des vorläufigen Bestreitens liegt aber darin, dass der Widersprechende sich noch keine abschließende Meinung über das Bestehen oder Nichtbestehen der Forderung gebildet hat, insbesondere also während eines Feststellungsprozesses die Forderung zur Tabelle feststellen kann. Einer zwischenzeitlich erhobenen Feststellungsklage des anmeldenden Gläubigers würde damit der Boden entzogen und er hätte u. U. die Kosten der Klage zu tragen. Bei vorläufigem Bestreiten ist es daher sinnvoll, bei dem Bestreitenden zunächst zu ermitteln, ob der Widerspruch aufrechterhalten bleibt. In der Praxis ist dies in der überwiegenden Zahl der Fälle ausreichend um zu einer Einigung hinsichtlich der Feststellung zur Insolvenztabelle zu gelangen.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. MasseforderungVerkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das  französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Zuletzt haben wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt.

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