20. Oktober 2022
Trennbarkeit höchstpersönlicher Leistungen
Restrukturierung und Insolvenz

Die Trennbarkeit höchstpersönlicher Leistungen im Insolvenzverfahren – Forderungen des Abschlussprüfers

Der BGH hat entschieden, dass die Leistung des Abschlussprüfers teilbar ist. Hieraus folgt eine Einordnung als Masse- oder Insolvenzforderung.

Dem Insolvenzverwalter* kommt kraft seines Amtes die Aufgabe zu, den Jahresabschluss zu erstellen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt dabei einen Schnitt dar, sodass der Zeitraum vor der Eröffnung des Verfahrens ein Rumpfgeschäftsjahr ist. 

In der Entscheidung vom 28. April 2022 (Urteil des IX. Zivilsenats vom 28. April 2022 – IX ZR 68/21 – bundesgerichtshof.de) hatte der BGH darüber zu urteilen, ob das Honorar eines Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr vor der Eröffnung des Verfahrens eine Masse- oder eine Insolvenzforderung darstellt. Der Abschlussprüfer war dabei sowohl im Zeitraum vor als auch nach der Eröffnung tätig geworden. 

Vertrag mit dem Abschlussprüfer ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag

Der BGH geht im ersten Teil seiner Entscheidung auf die Frage ein, ob der Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Abschlussprüfer aufgrund der insolvenzrechtlichen Vorschriften der §§ 115116 InsO zu Geschäftsbesorgungsverträgen im Allgemeinen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass dem nicht so sei, da die Vorschrift des § 155 Abs. 3 S. 2 InsO für die Abschlussprüfung Sonderregelungen treffe. Darin wird geregelt, dass ein Abschlussprüfer, der bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens für das Geschäftsjahr vor der Eröffnung bestellt wurde, trotz der Kompetenzverschiebung bei der Abschlussprüfung im Insolvenzverfahren bestellt bleibt. Gem. § 155 Abs. 1 S. 2 InsO ist mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nämlich grds. der Insolvenzverwalter zur Aufstellung des Jahresabschlusses verpflichtet. 

Der BGH stellt sich in seiner Entscheidung nun auf den nachvollziehbaren Standpunkt, dass aus der Tatsache, dass ein bereits bestellter Abschlussprüfer bestellt bleibt, folge, dass der mit ihm abgeschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt. 

Keine Masseverbindlichkeit aufgrund einer Verwaltung oder Verwertung der Masse 

Dieses Zwischenergebnis bildet den Ausgangspunkt für die zu beantwortende Streitfrage, wie die Honorarforderung des Abschlussprüfers insolvenzrechtlich zu behandeln sei. 

Der BGH geht in seiner Entscheidung dabei insbesondere auf § 55 InsO ein, der verschiedene Fälle von Masseverbindlichkeiten vorsieht. 

Der BGH lehnt für den Aufwand, der vor der Eröffnung erbracht wurde, eine Masseverbindlichkeit auf Grundlage einer Handlung des Insolvenzverwalters ab. Dies ist nachvollziehbar, da hierfür ein rechtliches oder tatsächliches Handeln des Verwalters erforderlich ist. 

Darüber hinaus lehnt der BGH aber auch eine Masseverbindlichkeit, die auf andere Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet wurde, ab. Hierzu gehören bspw. Steuern, öffentliche Lasten oder Umweltlasten, wobei die Abgrenzung jeweils sehr spezifisch und auf Fallgruppen beschränkt ist. Der BGH begründet dies damit, dass ein Massebezug aufgrund der Tätigkeit im Zeitraum vor der Eröffnung des Verfahrens fehle. 

Teilbarkeit: Kann der Wert der Teilleistung im Verhältnis zur Gesamtleistung bestimmt werden?

Dies führt den BGH zu der Kernfrage der Entscheidung: der Teilbarkeit der Leistung. Die InsO enthält für Verträge, bei denen der Verwalter die Erfüllung wählt, in § 105 InsO den Rechtsgedanken, dass diese Verträge bei Teilbarkeit in einen vorinsolvenzlichen und einen nachinsolvenzlichen Teil aufgetrennt werden. Vorinsolvenzliche Forderungen sind hiernach nur Insolvenzforderungen. 

Ein im Grunde vor der Eröffnung des Verfahrens angelegter Anspruch kann in wenigen Ausnahmefallen als untrennbar und einheitlich angesehen werden. Entsprechendes wird insbesondere bei höchstpersönlichen Leistungen oder nicht teilbaren Leistungen vertreten. Der BGH lehnt dies für die Tätigkeit eines Abschlussprüfers, auch wenn es sich dabei um eine höchstpersönliche Tätigkeit handelt, ab. Auch wenn das Testat des Abschlusses erst nach der Eröffnung des Verfahrens vorliege und das „Endprodukt“ damit erst dann nutzbar werde, sei die Prüfungsarbeit und Leistung des Abschlussprüfers gem. den vor und nach der Eröffnung des Verfahrens liegenden Zeiträumen teilbar. Die Tatsache, dass das „Produkt“ des Jahresabschlusses nach Erteilung des Testates an sich nur als Ganzes nutzbar gemacht werden kann und als solches Ganzes erst nach der Verfahrenseröffnung gefertigt wird, ist hiernach nicht ausschlaggebend. Maßgebliches Abgrenzungskriterium für die Teilbarkeit sei vielmehr, ob sich der Wert der erbrachten Teilleistung und der Wert der entsprechenden Gegenleistung im Verhältnis zur Gesamtleistung und Gesamtvergütung objektiv bestimmen lassen. Dies ist bei Abschlussprüfern regelmäßig der Fall, da sie ihr Honorar meist nach Stunden abrechnen. Der BGH führt weiter aus, dass eine Teilbarkeit von Leistungen nicht zwingend voraussetze, dass vor Insolvenzeröffnung bereits etwas in das Vermögen des Schuldners geflossen sei. Außerdem schließe das Testat die Leistung des Abschlussprüfers nur formal ab, auch wenn der Bestätigungsvermerk eine erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung habe. In insolvenzrechtlicher Hinsicht sei jedoch allein die Teilbarkeit nach den oben genannten Kriterien maßgeblich. 

Hervorzuheben ist dabei, dass der BGH die Prüfungstätigkeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines von § 155 Abs. 1 S. 2 InsO angeordneten Erfüllungszwangs als Masseverbindlichkeit einordnet. Auch wenn für Geschäftsbesorgungsverträge generell gerade kein Erfüllungswahlrecht besteht, führt die Sonderregelung des § 155 Abs. 1 S. 2 InsO bei Abschlussprüfern dazu, dass der BGH die Forderung für den Prüfungsaufwand nach der Verfahrenseröffnung unter die Masseverbindlichkeiten aufgrund des Erfüllungswahlrechtes gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO subsumiert. Die Regelung des § 155 Abs. 1 S. 2 InsO stützt auch das Argument des BGH, dass keine unteilbare höchstpersönliche Leistung vorliege. Denn aufgrund des Fortwirkens des Prüfungsauftrages gem. § 155 Abs. 1 S. 2 InsO sei die Leistung ja gerade für die Masse nutzbar. 

Fazit: Klare und konsequente Abgrenzung

Die Entscheidung des BGH stellt klar, wie mit Forderungen eines Abschlussprüfers, der im Zeitraum vor und nach der Eröffnung des Verfahrens tätig geworden ist, umzugehen ist. Der weite Standpunkt zur Teilbarkeit von Leistungen wird beibehalten und gefestigt. 

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Insolvenzverfahren Restrukturierung und Insolvenz Trennbarkeit höchstpersönlicher Leistungen