Am 22. November 2016 hat die EU-Kommission den mit Spannung erwarteten Entwurf einer Richtlinie veröffentlicht. Wir geben den Überblick.
Mit dem Richtlinienentwurf zur vorinsolvenzliche Restrukturierung (COM(2016) 723 final) verfolgt die EU-Kommission einen neuen Ansatz im Umgang mit Unternehmensinsolvenzen in Europa und fördert die frühzeitige Restrukturierung von Unternehmen zur Unterstützung von Wachstum und Beschäftigung.
Drei Kernanliegen der EU-Kommission bei vorinsolvenzlicher Restrukturierung
Eines der Kernanliegen der EU ist die Ermöglichung des Zugangs zu Restrukturierungsmaßnahmen für Unternehmen, die zwar in finanziellen Schwierigkeiten stecken, jedoch ein im Kern vitales Geschäftsmodell haben und dadurch eine Insolvenz abwenden können.
Zugleich soll das Stigma des unternehmerischen Scheiterns beseitigt und redlichen Unternehmern eine zweite Chance gewährt werden, um erneut unternehmerisch tätig werden zu können. Auch andere potenzielle Gründer sollen sich nicht mehr so stark von der Angst vor dem Scheitern abschrecken lassen. Insofern ist die Initiative im Kontext zur Förderung von Unternehmensgründungen zu sehen. Véra Jourová, die EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, bezeichnete dies in einer Pressekonferenz als „start and survive″. Schließlich sollen Mindeststandards für alle EU-Mitgliedstaaten gesetzt werden, die einen Rechtsrahmen für Restrukturierungsmittel ermöglichen sollen, die effizienter, also kostengünstiger und schneller, als bisher vorhandene Instrumente ausgestaltet sind.
Gerade im Bereich der vorinsolvenzlichen Restrukturierung bestünden in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten große Unterschiede. Dies führe aus Sicht der EU-Kommission zu Investitions- und Handelshemmnissen, da die Beteiligten die potenziellen Kosten und Risiken nicht ohne großen Aufwand abschätzen könnten. Zudem seien die Kosten für die Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen aufgrund fehlender Strukturen regelmäßig sehr hoch. Dies wiederum erschwere den Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen zu vorinsolvenzlicher Sanierung, da diese häufig nicht über ausreichend Mittel für Berater und Gutachten verfügten.
Der Vorschlag der EU-Kommission vom 22. November 2016 enthält deshalb Empfehlungen an die Mitgliedstaaten, entsprechende Neuregelungen zu schaffen und die bestehenden Regelungen im Lichte der Ziele der EU-Kommission zu überprüfen.
Fazit: Regelungen zu vorinsolvenzlicher Restrukturierung teilweise bereits erfüllt
Es ist zu begrüßen, dass die EU-Kommission einen ganzheitlichen Ansatz zur Förderung der Sanierungskultur und der Restrukturierung von Unternehmen zur Vermeidung von Insolvenzen verfolgt.
Man muss dabei im Auge behalten, dass diese Mindeststandards für alle Mitgliedstaaten gelten sollen. Zudem erfüllen die Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten diese Anforderungen bereits teilweise. Das deutsche Insolvenzrecht gilt als einer der weltweit fortschrittlichsten und erfolgreichsten Rechtsrahmen für Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz. Trotzdem wird es auch hier Anpassungsbedarf geben. Es bleibt spannend zu beobachten, wie das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz auf den Vorstoß der EU-Kommission reagieren wird.