24. September 2024
NPL Transaktion Kreditausfall
Restrukturierung und Insolvenz

Anstieg von Insolvenzen und Kreditausfällen in Deutschland – Chancen und Risiken bei NPL-Transaktionen

Die Unternehmenslandschaft in Deutschland steht vor einer Herausforderung: Insolvenzen und Kreditausfälle nehmen zu. Doch wo Risiken sind, ergeben sich auch Chancen.

Der Anstieg der notleidenden Kredite öffnet und erweitert ein spannendes Spielfeld für Investoren. Mit dem neuen Kreditzweitmarktgesetz will der Gesetzgeber einen effizienten Markt schaffen, um den hohen NPL-Bestand abzubauen. In diesem Blogbeitrag beleuchten wir die aktuellen Trends, Risiken und Chancen rund um NPL-Transaktionen.

Notleidende Kredite und Unternehmensinsolvenzen steigen gegenüber den Vorjahren 

Notleidende Kredite und Insolvenzen sind im Anstieg. Das zeigen die Zahlen und Prognosen der Mitte Juli 2024 veröffentlichen Ergebnisse des NPL-Barometers der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) und der Frankfurt School of Finance & Management, die hinsichtlich der Insolvenzzahlen einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen indizieren. So habe es im Jahr 2023, mit knapp 14.590 Unternehmensinsolvenzen, einen Anstieg von 16,7% gegenüber dem Vorjahr gegeben. Im Jahr 2024 rechnet etwa der Informationsdienstleister CRIF mit einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen von knapp 15% im Vergleich zum Vorjahr. Nicht zuletzt werden als Auslöser der erhöhten Insolvenzen die Nachwirkungen der Pandemie und der Ukraine-Krieg ins Feld gebracht. Diese realisieren sich derzeit in erhöhten Energie- und Rohstoffpreisen und gestiegenen Zinsen. Bei dementsprechend erhöhtem Kostendruck und sinkender Inlandsnachfrage ist das Szenario steigender Insolvenzen so gut wie vorprogrammiert. 

Der NPL-Bestand liegt an den Höchstwerten und wird weiter anwachsen, sodass auch ein vermehrter Portfolioverkauf zu verzeichnen sein wird

Diese Zunahme der Insolvenzen steht auch in unmittelbaren Zusammenhang mit dem NPL-Markt. Der NPL-Bestand liegt derzeit leicht unter dem Höchststand von Herbst 2023. Experten erwarten entsprechend der ansteigenden Zahlen von Unternehmensinsolvenzen einen Anstieg der  NPL-Bestände im Markt. Dem entspricht es auch, dass nach einer Umfrage der Europäischen Kommission zu NPL-Märkten ca. 71% der Befragten in den nächsten zwei Jahren leicht höhere Bestände an notleidenden Krediten erwarten. Die hierbei betroffenen Sektoren sind insbesondere die Unternehmensfinanzierung, Gewerbeimmobilien und ungesicherte Verbraucherkredite. Damit ist auch von einer Zunahme von Portfolioverkäufen auszugehen. Denn die aktuelle Situation bietet schließlich auch Chancen für Investoren, im Sektor der notleidenden Kredite zu profitieren.

Der Gesetzgeber reguliert mit dem Kreditzweitmarktgesetz den Markt für NPLs

Mit der Verabschiedung des Kreditzweitmarktgesetzes in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2167 (Kreditzweitmarktrichtlinie) ist der Gesetzgeber damit am Zahn der Zeit. Denn das Kreditzweitmarktgesetz reguliert nun den Markt notleidender Kredite. Der Gesetzgeber will damit auf die aktuelle Lage des stetig wachsenden NPL-Marktes reagieren und visiert den Abbau notleidender Krediten sowie die Verhinderung eines übermäßigen Aufkommens an. Der Hintergrund ist insbesondere darin zu sehen, dass NPLs für Banken die negative Konsequenz haben, dass diese aus regulatorischen Gründen mehr Eigenkapital vorhalten müssen. Hohe Bestände an NPL in den Bilanzen der Banken führen damit letztlich zur Bindung der Mittel. Das hat zur Folge, dass insgesamt weniger Kredite vergeben werden können. Der Kapitalbindung und damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft will das Kreditzweitmarktgesetz durch die Förderung des Abbaus dieser notleidenden Kredite begegnen. Das Gesetz soll die Grundlage für einen transparenten und umfassenden Sekundärmarkt schaffen, auf dem institutionelle Investoren außerhalb des Kreditbankensektors solche notleidenden Kredite von Banken kaufen können. Hierfür regelt das Gesetz besondere Verhaltens-, Informations- und Mitteilungspflichten. So etwa die Pflichten des Verkäufers von notleidenden Krediten, den Kreditkäufern hinreichende Informationen über den notleidenden Kredit zu verschaffen, damit diese über eine tragfähige Grundlage für die Beurteilung der Geschäftschancen verfügen. Der Kreditkäufer hingegen etwa muss bei Kauf von Forderungen aus Kreditverträgen mit Verbrauchern oder KMU einen Kreditdienstleister einschalten. Darüber hinaus regelt das Gesetz auch den geregelten Marktzutritt für andere europäische Anbieter von Kreditdienstleistern. Damit besteht für zugelassene Kreditdienstleistungsinstitute auch die Möglichkeit, mit dem Europäischen Pass künftig grenzüberschreitend tätig zu werden.

Eine NPL-Transaktionen ist in der Grundstruktur nichts anderes als ein Forderungsverkauf

Bei den hierdurch adressierten NPL-Transaktionen handelt es sich in der Grundstruktur um einen gewöhnlichen Forderungsverkauf, wonach der Forderungsverkäufer einem Erwerber die Darlehensforderungen im Gegenzug für den vereinbarten Kaufpreis überträgt, ähnlich dem Factoring. Dabei kann entweder das gesamte Kreditverhältnis oder nur einzelne Forderungen übertragen werden. Doch wieso sollte ein NPL verkauft oder gekauft werden? 

Vorteil für die Banken: Bilanzentlastung und Entlastung bei der Forderungsdurchsetzung

Durch den Verkauf notleidender Kredite kann es den Banken gelingen, ihre Bilanzen von problematischen Aktiva zu entlasten und durch den Abbau dieser Risikopositionen ihre Bilanzstruktur auszubessern. Dies führt dazu, dass weniger Kapital durch NPL gebunden wird und es wieder zu mehr Kreditvergaben kommen kann. Nicht unbeachtet darf der Umstand gelassen werden, dass durch den Forderungsverkauf der Aufwand für die Verwaltung und das Kreditmanagement verlagert wird. Es kann so zu einer Entlastung des Apparats zur Forderungsdurchsetzung der Banken kommen. Zusätzlich führt der Verkauf auch zu weiterer Liquidität, da die Forderungen jedenfalls zum Teil ausbezahlt werden. Da die NPL-Transaktion zudem nicht der Zustimmung des Schuldner bedarf, bestehen auch diesbezüglich kein besonderen rechtlichen Hürden. 

Vorteil für Investoren: Höhere Renditeerwartung und Möglichkeit des günstigen Erwerbs von Geschäftsanteilen

Der Grund für Investoren, NPL-Portfolios zu kaufen, liegt darin, dass sie diese zu einem erheblich günstigeren Preis erwerben können. Dadurch haben sie gerade wegen eines höheren Risikos die Aussicht auf eine höhere Rendite und können von den niedrigeren Preisen profitieren. Zudem haben sie die Möglichkeit, Grundstücke zu erwerben, für die zur Sicherung der jeweiligen Darlehen ein Grundpfandrecht bestellt wurde. Allerdings erfordert die Kaufentscheidung eine sorgfältige Risikoabwägung, insbesondere hinsichtlich der Sanierungsfähigkeit der schuldnerischen Unternehmen.

Investoren können auch günstig in Unternehmen einsteigen, da NPL-Transaktionen den erschwinglichen Erwerb einer Gläubigerstellung ermöglichen. Diese Forderungen lassen sich zum einen vorinsolvenzlich über einen Restrukturierungsplan oder einen Sanierungsvergleich nach StaRUG in Gesellschaftsanteile umwandeln. Man spricht hierbei von einem Debt-to-Equity-Swap, also der Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital. Zusätzlich zur vorinsolvenzlichen Möglichkeit des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen besteht im eröffneten Insolvenzverfahren, insbesondere im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens, die Möglichkeit, Forderungen durch einen Debt-to-Equity-Swap in Gesellschaftsanteile umzuwandeln.

Erhöhte Haftungs- und Ausfallrisiken bei der Einziehung von NPLs infolge des Erwerbs kann durch sorgfältige Prüfung bei der Verkaufsentscheidung minimiert werden

Ein erhebliches Risiko besteht darin, dass der Erwerber sich nach der Einziehung erworbener Darlehensforderungen einer Insolvenzanfechtung ausgesetzt sehen könnte. Nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann dies beispielsweise der Fall sein, wenn innerhalb von drei Monaten nach der Einziehung des Darlehens ein Insolvenzantrag gestellt wird und der Erwerber die Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Zahlung gekannt hat. Das ist deshalb relevant, weil NPL (Non-Performing Loans) wie bereits dargestellt, in einem engen Zusammenhang mit Unternehmensinsolvenzen stehen. Ein 90-tägiger Zahlungsverzug, wie er in Art. 47a CRR festgelegt ist, kann vor Gericht bereits als Beweisanzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit des Darlehensschuldners gewertet werden. Wenn der Verkäufer weiterhin für die Einziehung der Forderung verantwortlich bleibt oder auch nur einen Teilbeitrag hierzu leistet, wird sein Wissen über die wirtschaftliche Lage des Schuldners dem Käufer zudem zugerechnet. Anders verhält es sich nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung nur, wenn der Forderungsverkäufer nicht mehr in die Forderungsdurchsetzung eingebunden ist. Auch hier besteht also Gestaltungsspielraum. 

Realisiert sich das Insolvenzanfechtungsrisiko muss die Darlehenssumme an die Insolvenzmasse zurückgezahlt und der Anspruch zur Tabelle angemeldet werden, es sei denn, die Forderung ist ihrerseits durch eine unanfechtbare Sicherheit gedeckt. Deshalb ist die Prüfung der Wirksamkeit und insbesondere der insolvenzrechtlichen Unanfechtbarkeit von Sicherheiten von größter Bedeutung.

Ein weiteres Risiko kann darin bestehen, dass sich während des Insolvenzverfahrens herausstellt, dass die verkauften Forderungen nachrangige Forderungen gemäß § 39 InsO sind. Solche Forderungen werden erst nach allen anderen Forderungen beglichen, was häufig bedeutet, dass auf diese Forderungen kein Betrag mehr entfällt. Um dieses Risiko zu minimieren, ist eine sorgfältige Due Diligence Prüfung unerlässlich. Eine Garantieübernahme durch den Verkäufer wäre zwar eine Alternative, ist jedoch unwahrscheinlich.

In der Praxis gibt es bei NPL-Transaktionen auch Portfoliokäufe, die Darlehen von bereits insolventen Schuldnern umfassen. Diese Bestände bestehen ganz oder teilweise aus Insolvenzforderungen, wobei es auch Sicherheiten gibt, die den Kauf attraktiver machen, da sie den Wert der Forderungen erhöhen. Der Wert einer Insolvenzforderung hängt daher sowohl von der zu erwartenden Insolvenzquote als auch von den dahinterstehenden Sicherheiten ab. Generell ist bei NPL-Portfolios die jeweilige Sicherheit entscheidend für die Preisbestimmung. Dementsprechend muss bei der Kaufentscheidung im Rahmen einer Legal Due Diligence darauf geachtet werden, dass die Sicherheiten wirksam bestellt worden sind. Besonders bei der Verwertung von Sicherheiten für Insolvenzforderungen ist zu berücksichtigen, dass der Insolvenzverwalter dafür zuständig ist. Denn dies verursacht zusätzliche Verwertungskosten.

Das Spielfeld der notleidenden Kredite ist eröffnet und Investoren sollten erst nach sorgfältiger Risikoprüfung NPL-Portfolien erwerben

Wie gezeigt steigen in Deutschland die Unternehmensinsolvenzen deutlich an. In naher Zukunft wird auch der NPL-Markt neben den steigenden Insolvenzzahlen weiter wachsen. Mit dem neuen Kreditzweitmarktgesetz reagiert der Gesetzgeber auf diese Entwicklung und soll den Handel mit NPLs attraktiver machen. Das soll die Banken entlasten und ihnen mehr Spielraum für Kreditvergaben geben. Ob dies dem Gesetzgeber mit der Auferlegung verschiedenster Pflichten gelungen ist, bleibt abzuwarten. Für Investoren bestehen jedenfalls spannende Chancen: Sie können NPLs günstig erwerben, höhere Renditen erzielen und sogar Unternehmensanteile durch Debt-to-Equity-Swaps erwerben. Eine sorgfältige Risikoabwägung ist jedoch entscheidend, um Haftungs- und Ausfallrisiken zu minimieren. 

Wir geben in unserem Blog eine Übersicht über non-performing-loans (NPL). Bereits erschienen ist ein Beitrag zur Umsetzung der Kreditzweitmarktrichtlinie und einer Bestandsaufnahme aus aufsichtsrechtlicher Sicht. Es folgt ein Blick auf den Anstieg von Insolvenzen und Kreditausfällen in Deutschland – Chancen und Risiken bei NPL-Transaktionen. Zuletzt gehen wir auf Non-Performing Loans (NPLs) in der deutschen gewerblichen Immobilienfinanzierung ein.

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Tags: Kreditausfall non-performing loans Notleidende Kredite NPL Restrukturierung und Insolvenz