Die Finanzierung von Gewerbeimmobilien in Deutschland steht unter Druck. Der Anstieg von Non-Performing Loans (NPLs) bei Gewerbeimmobilien (Commercial Real Estate) ist enorm und bedroht sowohl Kreditnehmer als auch Finanzierer.
NPLs sind Kredite, bei denen der Kreditnehmer mit seinen Zahlungsverpflichtungen mehr als 90 Tage im Rückstand ist oder es unwahrscheinlich ist, dass der Kreditnehmer seine Kreditverbindlichkeiten vollständig erfüllen kann.
Der Kreditnehmer ist folglich akut insolvenzgefährdet. Der Finanzierer droht, auszufallen.
Laut einer im Januar 2024 veröffentlichten Auswertung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) vergrößerte sich in Deutschland das Volumen aller NPLs in dem Zeitraum von September 2022 bis September 2023 von EUR 31 Mrd. auf EUR 34 Mrd. Dies entspricht einem Gesamtanstieg in Höhe von 9,7%. Im gleichen Zeitraum ist das Volumen notleidender CRE-Kredite von EUR 6,2 Mrd. auf EUR 9,7 Mrd. und damit um ganze 56% angestiegen.
Diese Entwicklung birgt nicht nur Risiken für die Kreditnehmer, sondern auch für die Immobilienfinanzierer, die ein hohes CRE-Kreditvolumen in den Büchern haben. Der Internationale Währungsfonds kommt in einer Studie aus Juli 2024 zu dem Ergebnis, dass ca. 18% des Gesamtkreditvolumens großer deutscher Banken auf CRE-Kredite entfallen. Bei einigen der untersuchten Banken ist der Anteil sogar erheblich höher.
Gründe für den Anstieg der NPLs
Der Anstieg der NPLs beruht insbesondere auf makroökonomischen Einflüssen und strukturellen Veränderungen im Immobilienmarkt.
Makroökonomische Faktoren
Ein wesentlicher Faktor sind steigende Inflation und Zinsen. Die Inflation erhöht die Kosten für die Instandhaltung und den Betrieb der Immobilien und verringert damit deren Rentabilität. Gleichzeitig führen gestiegene Zinsen zu höheren Finanzierungskosten, insbesondere bei variabel verzinslichen Krediten oder auslaufenden Finanzierungen. Die Kombination beider Faktoren kann zu Liquiditätsproblemen und Kreditausfallrisiken bei Bestandshaltern von Gewerbeimmobilien führen.
Die steigenden Zinsen haben zudem einen negativen Einfluss auf den Immobilienwert. Höhere Zinsen bedeuten auch höhere Finanzierungskosten für Kaufinteressenten, die wertmindernd eingepreist werden. Besonders betroffen sind hier Immobilien außerhalb der Top-Lagen. Nach Angaben des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken sind die Preise für Gewerbeimmobilien zwischen dem zweiten Quartal 2022 und dem ersten Quartal 2024 um 17,2 % zurückgegangen.
Diese Wertminderung kann das Kreditverhältnis gefährden. Denn im Bereich der gewerblichen Immobilienfinanzierung spielen Finanzkennzahlen, z.B. das LTV-Verhältnis, eine erhebliche Rolle. Loan-to-Value bezeichnet das Verhältnis des Kreditbetrags zum Verkehrs-/Marktwert einer Immobilie. Die Finanzierungsverträge für Gewerbeimmobilien enthalten in der Regel Schwellenwerte, die diesbezüglich eingehalten werden müssen. Sinkt der Wert der Immobilie derart ab, dass der Schwellenwert überschritten wird, liegt ein Covenant-Bruch vor. Der Kreditnehmer ist dann vertraglich verpflichtet, diesen Bruch z.B. durch die Thesaurierung von Mietüberschüssen oder die Vornahme von Sondertilgungen zu heilen. Gelingt ihm dies nicht, z.B. wegen einer verringerten Rentabilität der Immobilie oder mangels verfügbaren Eigenkapitals, droht die Kündigung und damit ebenfalls der Ausfall des Kredits.
Strukturelle Veränderungen im Immobiliensektor
Neben den makroökonomischen Faktoren spielen auch strukturelle Veränderungen im Immobiliensektor eine wesentliche Rolle bei den negativen Entwicklungen. Die Trends hin zum Homeoffice und zum Onlineshopping haben die Nachfrage nach Büro- und Einzelhandelsimmobilien stark reduziert.
Die Corona-Pandemie ist zwar überwunden, das Homeoffice als flexibles Arbeitsmodell hat sich inzwischen jedoch etabliert. Dieser Trend hat im Bereich der Büroimmobilien zu dauerhaften Leerständen geführt, sodass viele Unternehmen ihre Büroflächen bereits reduziert haben oder planen, zu reduzieren.
Auch Onlineshopping verursacht Leerstand. Eine 2023 veröffentlichte Studie von PwC kommt zu dem Ergebnis, dass Shoppingcenter in Deutschland einen durchschnittlichen Leerstand von 15 bis 20% Leerstand aufweisen und eine Neuvermietung von Flächen in der Regel nur durch eine Reduzierung des Quadratmeterpreises von 16% möglich ist.
Daneben steht auch das Geschäftsmodell großer Einzelhandelsketten unter Druck, wie die jüngsten Insolvenzen von Sinn, KaDeWe und Galeria Karstadt Kaufhof gezeigt haben.
Hohe Leerstände und zu geringe Quadratmeterpreise erhöhen wiederum das Insolvenz- und Kreditausfallrisiko für Kreditnehmer und Finanzierer. Selbst wenn die Einnahmen noch ausreichen, um den Betrieb und die Instandhaltung der Immobilie zu finanzieren und weiterhin Zins- und Tilgung zu leisten, besteht das Risiko, vertraglich vereinbarte Finanzkennzahlen zu verletzen und einen Kündigungsgrund unter dem Kreditvertrag zu verursachen. Relevant ist hier die bei Gewerbeimmobilien übliche Debt Service Coverage Ratio (DSCR). Die DSCR wird berechnet, indem das Netto-Betriebsergebnis einer Immobilie (NOI) durch ihren Schuldendienst (Zins und Tilgung) geteilt wird. Die DSCR sollte idealerweise über 100% liegen, sodass nach Bedienung von Zins und Tilgung ein Ertrag verbleibt. Sinkt die DSCR unter das vertraglich vereinbarte Verhältnis – das üblicherweise erheblich über dem Wert von 100% liegt – droht wiederum die Kündigung des CRE-Kredits.
Lösungsansätze
Es gibt Lösungsansätze zur Bewältigung der mit den NPLs verbundenen Herausforderungen.
Regulatorische Rahmenbedingungen
Die Regulierung und Aufsicht durch nationale und europäische Behörden spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung der NPL-Problematik. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) haben verschiedene Maßnahmen ergriffen, um generell das Risiko von NPLs zu minimieren. Dazu gehören strengere Kapitalanforderungen und die Verpflichtung der Banken, detaillierte Pläne zur Reduzierung ihrer NPL-Bestände vorzulegen.
Diese Maßnahmen scheinen zu wirken. Laut einer Untersuchung der Creditreform aus März 2024 sind die Kapitalquoten der untersuchten Banken weiterhin hoch, auch wenn die Puffer, die über das regulatorisch geforderte Minimum hinaus bestehen, kleiner werden.
Rechtliche Konsequenzen und Handlungsoptionen für Kreditnehmer
Für Kreditnehmer können NPLs erhebliche rechtliche Konsequenzen haben, einschließlich der Gefahr von Zwangsversteigerungen und Insolvenzverfahren.
Insbesondere bei den Projektentwicklern hat sich diese Gefahr in vielen Fällen realisiert. So kam es während der letzten zwei Jahre zu zahlreichen Insolvenzverfahren, z.B. bei SIGNA, Development Partner, CENTRUM, Euroboden, Project oder der GERCHGROUP. Die Insolvenzwelle in diesem Bereich beruht auf dem geringen Einsatz von Eigenkapital, gestiegenen Baukosten und verlängerten Bauzeiten. Hinzu kommt, dass die Entwickler viele Projekte zur Realisierung von Büroimmobilien im Bestand haben, deren Vermarktung aufgrund des derzeit schwierigen Marktumfeldes zu den kalkulierten Preisen nicht mehr möglich ist.
In den meisten dieser Insolvenzverfahren können die bestehenden Strukturen aufgrund der zahlreichen Bauprojekte mit jeweils unterschiedlichem Entwicklungsstand und Finanziererkreis nicht erhalten werden. Deswegen kommt es oft zu einem Einzelverkauf oder einer Übernahme der Projekte und Immobilien durch neue Investoren oder die jeweiligen Bestandsfinanzierer. Das Geschäft des Projektentwicklers wird im Rahmen des Insolvenzverfahrens entweder abgewickelt oder im Wege einer übertragenden Sanierung auf eine neue Gesellschaft übertragen und dort unter neuer oder teilweise alter Flagge fortgeführt.
Für die meist komplexen Strukturen hinter der (Projekt-)Finanzierung einer Gewerbeimmobile – bestehend aus Senior-, Mezzanine- und Eigenkapitalfinanzierung – bieten sich allerdings auch Optionen zur Restrukturierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens an.
Zum einen können einvernehmliche Regelungen zwischen dem Kreditnehmer und den beteiligten Finanzierungsparteien getroffen werden, die von einer mittelfristigen Markterholung ausgehen und oftmals eine Verlängerung der Laufzeit und Anpassung der bestehenden Finanzierungen sowie einen späteren Verkauf der Immobilie zur Rückführung der Kredite vorsehen. Diese Vereinbarungen werden oftmals durch die Einschätzung unabhängiger Gutachter (z.B. durch die Erstellung eines Sanierungsgutachtens) hinterlegt, die bestätigt, dass das geplante Restrukturierungskonzept eine überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit hat. Diese Aussage ist wichtig, um das Risiko einer Kreditgeberhaftung der beteiligten Finanzierer bei einer Verlängerung eines NPL auszuschließen.
Sofern keine einvernehmliche Lösung erzielt werden kann, besteht zum anderen die Möglichkeit, eine Restrukturierung von NPLs auch gegen den Willen einzelner Finanzierungsparteien über ein StaRUG-Verfahren herbeizuführen. Das Kernstück des StaRUG (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) ist der Restrukturierungsplan, über den z.B. eine Laufzeitanpassung der bestehenden Finanzierungsverträge vorgenommen werden kann. Die Planbetroffenen stimmen in Gruppen über den Restrukturierungsplan ab. Sofern in einzelnen Gruppen die erforderliche Mehrheit nicht erzielt werden kann, ist es möglich, die Zustimmung dieser Gruppe zu ersetzen.
Rechtliche Konsequenzen und Handlungsoptionen für Finanzierer
Die Finanzierer müssen sich hingegen mit erhöhten Abschreibungen und der Notwendigkeit auseinandersetzen, zusätzliche Rückstellungen zu bilden. Dies kann ihre finanzielle Stabilität gefährden und zu einer Verschärfung der Kreditvergabepolitik führen.
Um die NPL-Problematik zu bewältigen, haben Banken verschiedene Strategien entwickelt. Dazu gehört der Verkauf von NPL-Portfolios an spezialisierte Investoren, die Restrukturierung von Krediten und die verstärkte Nutzung von Sicherheiten. Auch die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen kann dazu beitragen, das Risiko von NPLs zu reduzieren. Schließlich sind die deutschen Banken laut der oben erwähnten Untersuchung der Creditreform im Hinblick auf einen Ausbau ihrer CRE-Portfolien zurückhaltender geworden. Danach verzeichnete das Neugeschäft einen regelrechten Einbruch.
Ausblick und Schlussfolgerung
Die Zunahme von NPLs in der deutschen gewerblichen Immobilienfinanzierung stellt sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich eine erhebliche Herausforderung dar. Die makroökonomischen Rahmenbedingungen und die regulatorischen Anforderungen werden weiterhin einen großen Einfluss auf die Entwicklung des NPL-Volumens haben. Trotz der steigenden Anzahl notleidender Kredite ist eine signifikante NPL-Verkaufswelle bislang allerdings ausgeblieben da sowohl Banken als auch potenzielle Verkäufer auf eine Markterholung hoffen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Markt in den kommenden Jahren entwickeln wird.
Wir geben in unserem Blog eine Übersicht über non-performing-loans (NPL). Bereits erschienen ist ein Beitrag zur Umsetzung der Kreditzweitmarktrichtlinie und einer Bestandsaufnahme aus aufsichtsrechtlicher Sicht. Es folgt ein Blick auf den Anstieg von Insolvenzen und Kreditausfällen in Deutschland – Chancen und Risiken bei NPL-Transaktionen. Zuletzt gehen wir auf Non-Performing Loans (NPLs) in der deutschen gewerblichen Immobilienfinanzierung ein.