Die deutsche Umsetzung der Kreditzweitmarktrichtlinie nimmt weiter Konturen an, Anlass für eine Bestandsaufnahme aus aufsichtsrechtlicher Sicht.
Der deutsche Gesetzgeber hat die Richtlinie (EU) 2021/2167 über Kreditdienstleister und Kreditkäufer („Kreditzweitmarktrichtlinie“) mit dem Gesetz über den Zweitmarkt für notleidende Kredite und über Kreditdienstleistungsinstitute (Kreditzweitmarktgesetz – KrZwMG) umgesetzt. Das KrZwMG ist kurz vor Ablauf der unionsrechtlichen Umsetzungsfrist der Kreditzweitmarktrichtlinie am 30. Dezember 2023 in Kraft getreten und regelt seither aus aufsichtsrechtlicher Sicht den Umgang mit notleidenden Krediten (non-performing loans – NPLs) in Deutschland.
Zweitmarkt für notleidende Kredite
Ziel der Kreditzweitmarktrichtlinie und nachfolgend auch des KrZwMG ist die Schaffung eines funktionierenden Zweitmarkts für notleidende Kredite. Märkte für notleidende Kredite sollen einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Risiken effizienter zu verteilen und Finanzsysteme resilienter zu machen. Das KrZwMG enthält die entsprechenden Pflichten von Käufern und Verkäufern notleidender Kredite, die Anforderungen an die Erbringung von Kreditdienstleistungen und die Beaufsichtigung von Kreditdienstleistungsinstituten.
Notleidend sind Kredite, die unter Art. 47a der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR) fallen, d.h. Kredite, bei denen ein Ausfall als eingetreten gilt, und Kredite, die nach dem geltenden Rechnungslegungsrahmen als wertgemindert angesehen werden (Art. 47a Abs. 3 CRR). Aus Sicht der BaFin fallen unter den Begriff der notleidenden Kreditverträge auch gekündigte und endabgerechnete, titulierte, wertberichtigte oder abgeschriebene Forderungen. Es gilt für die Markteilnehmer somit im Einzelfall zu prüfen, ob ein notleidender Kredit vorliegt. Darüber hinaus müssen die notleidenden Kredite schuldrechtlich erworben werden, gesetzliche Erwerbsvorgänge sind hiervon typischerweise nicht erfasst.
Kreditdienstleistungen als erlaubnispflichtige Tätigkeit
Das KrZwMG umfasst vier spezifische Kreditdienstleistungen, insbesondere das Einziehen und die Durchsetzung fälliger Zahlungsansprüche und anderer Ansprüche des Kreditgebers aus dem Kreditvertrag. Hierbei handelt es sich um einen abschließenden Katalog an Tätigkeiten. Derartige Kreditdienstleistungen dürften nur von sog. Kreditdienstleistungsinstituten („KrDI“) erbracht werden. Mit dem Servicing von NPLs sollen Kreditdienstleistungsinstitute dazu beitragen, die Liquidität des Bankensektors zu sichern. Zugleich entsteht mit dem Begriff des Kreditdienstleistungsinstituts ein weiteres „Institut“, das der Finanzmarktregulierung unterliegt (wie z.B. Kreditinstitute oder Zahlungsinstitute).
Sofern ein Unternehmen beabsichtigt, Kreditdienstleistungen zu erbringen, bedarf es hierfür grundsätzlich der Erlaubnis der BaFin. Ausgenommen von diesem Erlaubnisvorbehalt sind insbesondere CRR-Kreditinstitute und nationale Kreditinstitute, die eine Erlaubnis für das Kreditgeschäft haben. Die für den Erlaubnisantrag einzureichenden Unterlagen entsprechen größtenteils den bereits für Anträge nach dem Kreditwesengesetz (KWG) oder dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) bekannten Vorgaben (Nachweis von Zuverlässigkeit und Fachkenntnissen der Geschäftsleiter, geeignete Inhaber bedeutender Beteiligungen, tragfähiger Geschäftsplan etc.). BaFin und Deutsche Bundesbank haben dazu umfassende Merkblätter, Übersichten und Formulare veröffentlicht, die den betreffenden Unternehmen die Vorbereitung der Erlaubnisanträge erleichtern.
Aufgrund sehr kurzer gesetzlicher Fristen hatten Kreditdienstleister nach Inkrafttreten des KrZwG zunächst lediglich bis zum 16. Februar 2024 Zeit, eine Absichtsanzeige für die Beantragung einer Erlaubnis bei der BaFin einzureichen. Da diese Frist – auch für die Aufsichtsbehörden – zu knapp war, akzeptierte die BaFin Anträge bis zum 5. April 2024. Unternehmen durften zudem ihre zuvor erlaubnisfreien Tätigkeiten bis 16. August 2024 weiter erbringen. Seit dem 17. August 2024 benötigen sie nun eine entsprechende Erlaubnis der BaFin. Mittlerweise haben laut BaFin-Register rund 20 Kreditdienstleistungsinstitute eine Erlaubnis nach dem KrZwMG erhalten.
Vorgaben für Kreditkäufer und -verkäufer
Das KrZwMG enthält zudem verschiedene Verhaltens-, Informations- und Meldepflichten für Verkäufer notleidender Kredite, Kreditkäufer und Kreditdienstleister. So hat beispielsweise das verkaufende Kreditinstitut einen potenziellen Kreditkäufer vor Abschluss einer Vereinbarung über den Erwerb eines notleidenden Kreditvertrags umfassend über den Kreditvertrag oder die Ansprüche hieraus zu informieren. Zudem müssen Kreditinstitute, die notleidende Kreditverträge auf einen Kreditkäufer übertragen, der Deutschen Bundebank regelmäßig Informationen zu den Kreditkäufern übermitteln. Für die Einreichung der neuen Meldebögen ist eine halbjährliche Frequenz festgelegt (30. Juni und 31. Dezember). Nach Vorgabe der BaFin ist der erste Meldestichtag, für den die Einreichungen erfolgen müssen, der 31. Dezember 2024. Das Einreichungsverfahren wird aktuell durch die Bundesbank entwickelt.
Auch Kreditkäufer treffen besondere Pflichten. Sofern bei Abschluss einer Vereinbarung über den Erwerb eines notleidenden Kreditvertrags ein Kreditdienstleister beauftragen werden muss ( da der Kreditvertrag mit einer natürlichen Person oder einem kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen geschlossen wurde), hat der Kreditkäufer den Aufsichtsbehörden spätestens an dem Tag, an dem die Erbringung der Kreditdienstleistungen beginnt, den Namen und die Anschrift des Kreditdienstleisters mitzuteilen. Zudem bestehen regelmäßige Mitteilungspflichten zu den übertragenen Kreditverträgen oder Ansprüchen hieraus.
Entwicklungen auf EU-Ebene
Die Umsetzung der Kreditzweitmarktrichtlinie in Deutschland wird durch verschiedene Rechtsakte auf EU-Ebene flankiert. So legte die maßgebliche Durchführungsverordnung (EU) 2023/2083 vom 26. September 2023 technische Durchführungsstandards (ITS) für die Verwendung standardisierter Datenvorlagen durch Kreditinstitute beim Verkauf oder bei der Übertragung notleidender Kreditverträge, die in einem zum Verkauf oder zur Übertragung stehenden Portfolio enthalten sind, fest, um potenziellen Käufern alle erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, sodass sie den Wert der Rechte des Gläubigers aus dem notleidenden Kreditvertrag oder den Wert des notleidenden Kreditvertrags selbst sowie die Wahrscheinlichkeit der Einziehung des Werts richtig bewerten können. Die Anwendung solcher Datenvorlagen auf Kreditverträge soll dazu dienen, Informationsasymmetrien zwischen potenziellen Käufern und Verkäufern von Kreditverträgen zu verringern und somit zur Entwicklung eines funktionierenden Sekundärmarkts in der Union beitragen (vgl. Art. 16 der Kreditzweitmarktrichtlinie).
Auf Basis des Art. 5 Abs. 2 der Kreditzweitmarktrichtlinie hat die European Banking Authority (EBA) im Dezember 2023 zudem Leitlinien zur Bewertung des angemessenen Wissens und der angemessenen Erfahrung des Leitungs- oder Verwaltungsorgans von Kreditdienstleistern als Ganzes erlassen. In den Leitlinien werden die Kriterien für die Bewertung der kollektiven Kenntnisse und Erfahrungen der Organe festgelegt. Dies erfolgt auf der Grundlage einer verhältnismäßigen Bewertung der einzelnen Mitglieder durch die Kreditdienstleister. Basierend auf Art. 9 der Kreditzweitmarktrichtlinie, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die zuständigen Behörden zumindest ein Verzeichnis oder, falls dies als sinnvoller erachtet wird, ein nationales Register aller Kreditdienstleister, die in ihrem Hoheitsgebiet zur Erbringung von Dienstleistungen zugelassen sind, erstellen und führen, hat die EBA am 5. März 2024 Leitlinien zu nationalen Listen oder Registern von Kreditdienstleistern veröffentlicht. Diese Leitlinien legen fest, welche Arten von Informationen die nationalen Listen oder Register enthalten müssen, um die Transparenz für Kreditkäufer und Kreditnehmer zu erhöhen und gleiche Wettbewerbsbedingungen in der gesamten Union zu schaffen. In Umsetzung von Art. 24 der Kreditzweitmarktrichtlinie, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Kreditvermittler wirksame und transparente Verfahren für die Bearbeitung von Beschwerden von Kreditnehmern einrichten und aufrechterhalten, aktualisierte und erweiterte die EBA im Juli 2024 die existierenden Leitlinien des Gemeinsamen Ausschusses für die Behandlung von Beschwerden aus dem Jahr 2014.
Tatsächliches Wachstum des Kreditzweitmarktes bleibt abzuwarten
Verschiedene Branchenverbände haben zwischenzeitlich ihre NPL-Musterverträge an das Kreditzweitmarktgesetz und die Kreditzweitmarktrichtlinie angepasst und eine Muster-Kreditdienstleistungsvereinbarung entwickelt. Dadurch sollen die Akteure des NPL-Marktes bei der Erfüllung der Anforderungen des KrZwMG unterstützt und eine gewisse Standardisierung im NPL-Markt erreicht werden.
Ob die Regelungen des KrZwMG tatsächlich zu der von der Kreditzweitmarktrichtlinie angestrebten Belebung und Zunahme des Kreditzweitmarktes führen, lässt sich bisher nicht eindeutig beantworten. Aktuelle Marktindikatoren wie das NPL-Barometer der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) prognostizieren für Deutschland bis Ende 2024 ein Gesamt-NPL-Volumen von über EUR 40 Mrd. in den Bankbilanzen. Die EBA meldete für März 2024 NPL-Bestände in deutschen Banken in Höhe von EUR 39,8 Mrd. und damit einen Anstieg um EUR 8 Mrd. gegenüber dem Vorjahr.
Verschiedene Anhaltspunkte sprechen jedenfalls dafür, dass die Banken in Deutschland mit gezielten Kreditverkäufen auf dem Sekundärmarkt begonnen haben. Durch den Verkauf von Forderungen an Kreditdienstleister können die Unternehmen ihre Bilanzen entlasten, sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und ihr Rating verbessern. Sobald sich die Preiserwartungen auf Verkäufer- und Käuferseite annähern, ist es umso wahrscheinlicher, dass es zu Transaktionen kommt und der Kreditsekundärmarkt wiederbelebt wird.
Wir geben in unserem Blog eine Übersicht über non-performing-loans (NPL). Bereits erschienen ist ein Beitrag zur Umsetzung der Kreditzweitmarktrichtlinie und einer Bestandsaufnahme aus aufsichtsrechtlicher Sicht. Es folgt ein Blick auf den Anstieg von Insolvenzen und Kreditausfällen in Deutschland – Chancen und Risiken bei NPL-Transaktionen. Zuletzt gehen wir auf Non-Performing Loans (NPLs) in der deutschen gewerblichen Immobilienfinanzierung ein.