1. August 2017
Sanktionen Russland
International

Neue US-Sanktionen gegen Russland beschlossen

Der Kongress beschließt mit großer Mehrheit neue Sanktionen gegen Russland. Europäische Unternehmen sollen dadurch mehr denn je betroffen sein.

Vergangene Woche hat der US-Kongress (Repräsentantenhaus und Senat) einen Gesetzesentwurf verabschiedet, dessen offizielle Kurzbezeichnung „Countering Russian Influence in Europe and Eurasia Act of 2017″ an Hochphasen des Kalten Kriegs erinnert. In einer bisher nie dagewesenen Weise ermöglicht das Gesetz auch die Sanktionierung europäischer Unternehmen mit Russlandgeschäft.

Derzeit geltendes US-Sanktionsregime

Der neue Gesetzesentwurf knüpft zum Großteil an das bereits bestehende US-Sanktionsregime gegen Russland an. Dieses basiert auf einigen Exekutiverlassen des früheren US-Präsidenten Obama sowie den entsprechenden Ausführungsakten der Office of Foreign Assets Control (OFAC), welche der US Treasury untersteht. Das Sanktionsregime setzt sich im Wesentlichen zusammen aus personenbezogenen und sektorbezogenen Sanktionen.

Personenbezogene Sanktionen richten sich gegen ganz konkrete (natürliche und juristische) Personen. Sie haben folgenden Inhalt:

  • Reisebeschränkungen für gelistete Personen;
  • Blockierung sämtlichen Vermögens;
  • Verbot, den betroffenen Personen unmittelbar oder mittelbar Vermögenswerte zur Verfügung zu stellen oder Vermögenswerte von solchen Personen zu empfangen.

Auf die entsprechende Sanktionsliste (Specially Designated Nationals List, SDN-List) gelangen die Personen dabei aus ganz unterschiedlichen Gründen. So etwa wegen der (mutmaßlichen) Verwicklung in den Ukraine-Konflikt oder in gegen USA gerichtete Cyber-Attacken.

Sektorbezogene Sanktionen betreffen folgende russische Wirtschaftszweige, wobei sich die Sanktionen hier in erster Linie gegen russische Staatsunternehmen richten:

  • Finanzsektor, dem der Zugang zum US-Kapitalmarkt für langfristige Finanzgeschäfte versperrt ist;
  • Rüstungssektor;
  • Energiesektor/Öl- und Gasindustrie, denen sowohl neue Fördertechnologien als auch langfristige Finanzierung aus den USA vorenthalten werden sollen.

Die betroffenen russischen Unternehmen werden in der Sectoral Sanctions Identification List (SSI-List) geführt.

Was ist neu?

Die eben dargestellten sektorbezogenen Sanktionen werden punktuell insbesondere wie folgt ausgeweitet:

  • Die Laufzeiten für noch zulässige Finanzgeschäfte für sanktionierte russische Staatsbanken werden von 90 Tagen auf 14 Tage verkürzt;
  • Im Energiesektor dürfen sanktionierten Unternehmen Finanzmittel nur noch mit einer Laufzeit von 60 Tagen (statt bisher 90 Tagen) gewährt werden;
  • Im Ölsektor gilt für US-Personen das Verbot, Technologie und Dienstleistungen zur Ölförderung nicht nur an die konkret benannten russischen Unternehmen zu exportieren, sondern auch an alle, an denen diese Unternehmen mit mindestens 33 % beteiligt sind.

Ermächtigung der Exekutive zur Sanktionierung ausländischer Personen

Daneben wird der US-Präsident unter bestimmten Voraussetzungen zu neuen Sanktionsmaßnahmen gegen beliebige ausländische Personen und damit potentiell auch gegen Unternehmen aus der EU ermächtigt. Demnach können insbesondere gegen ausländische Unternehmen, die sich in irgendeiner Art an neuen russischen Export-Pipeline-Projekten einmalig mit mindestens USD 1 Mio. oder während eines Jahres mit mindestens USD 15 Mio. beteiligen, Sanktionen verhängt werden. Ohne dass ein Unternehmen also überhaupt dem US-Recht unterliegt und es beachten muss und ohne dass ein solches Unternehmen das jeweils anwendbare nationale Recht seines Sitzstaates verletzt, kann es von den USA unter den genannten Voraussetzungen sanktioniert werden. Der Exekutive stehen dabei elf verschiedene Sanktionsmaßnahmen zur Auswahl, von denen mindestens fünf anzuwenden sind. Die Sanktionen können nicht nur gegen das Unternehmen selbst, sondern auch gegen die Mitglieder ihrer Leitungsorgane verhängt werden. Letzteren drohen Einreiseverbote in und ggf. Ausweisungen aus den USA.

Angesichts dieser außergewöhnlichen Reichweite sorgt das neue Gesetz derzeit für heftige Kritik aus Europa. Inzwischen ist der Gesetzeswortlaut an dieser Stelle aber zumindest etwas entschärft worden: die Sanktionsmaßnahmen können nur „in Abstimmung mit den Verbündeten″ der USA verhängt werden.

Ohne eine solche Abstimmung ist der US-Präsident aber ermächtigt, (ausländische) Personen zu sanktionieren, die sich bei der Privatisierung von russischem Staatsvermögen mit mindestens USD 10 Mio. beteiligen und dadurch dazu beitragen, dass russischen Regierungsbeamten oder ihren Angehörigen unberechtigte Vorteile entstehen.

Reduzierung des Ermessensspielraums der Exekutive

Nach geltendem Sanktionsregime ist der US-Präsident aufgrund des „Ukraine Freedom Support Act of 2014″ berechtigt (jedoch nicht immer auch verpflichtet), bestimmte Sanktionsmaßnahmen zu verhängen. Solche Ermächtigungen mit Entscheidungsspielraum betreffen etwa die Möglichkeit,

  • ausländische (auch europäische) Personen mit signifikanten Investitionen in ein konkretes russisches Erdöl-Projekt zu sanktionieren;
  • ausländische (auch europäische) Finanzinstitute zu sanktionieren, die an einer unzulässigen Finanztransaktion im Zusammenhang mit Rüstungslieferungen nach Syrien beteiligt sind;
  • russische Personen zu sanktionieren, die in erhebliche Korruptionsfälle verwickelt sind.

Diese „Kann-Kompetenzen″ des US-Präsidenten werden zu „Soll-Kompetenzen″ und damit grundsätzlich zur Pflicht.

Das neue Gesetz verfestigt das geltende Sanktionsregime

Das neue Gesetz soll zudem das bereits bestehende und eben dargestellte US-Sanktionsregime (unter anderem) gegen Russland von der Ebene der präsidialen Exekutiverlasse auf Gesetzesebene heben und damit letztlich dem US-Präsidenten die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland erschweren.

Jede Exekutivmaßnahme, die eine Aufhebung oder Dispenserteilung in Bezug auf das geltende Sanktionsregime zum Gegenstand hat, muss nun grundsätzlich zunächst an die entsprechenden Ausschüsse im US-Kongress  zur Prüfung vorgelegt werden. Der Kongress kann die Maßnahme dann entweder freigeben oder blockieren.

Berichtspflichten der Treasury zur Vorbereitung weiterer Sanktionen

Schließlich sieht der Entwurf umfangreiche Berichtspflichten der Exekutive an entsprechende Ausschüsse im Kongress vor. Berichtet werden soll u. a. über

  • wichtige außenpolitische Personen und Oligarchen in Russland;
  • staatsnahe russische Unternehmen;
  • die Abhängigkeit von US-Wirtschaftssektoren von den o. g. Personen und Unternehmen;
  • Auswirkungen von potentiellen US-Sanktionen auf die betroffenen Personen, die russische Wirtschaft sowie die Wirtschaft der USA und ihrer Verbündeter;
  • die potentiellen Auswirkungen bei Ausweitung der Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor.

Diese Pflichten zielen also offensichtlich auf die Vorbereitung möglicher weiterer Sanktionen gegen Russland ab.

Ausblick und Fazit

Zunächst ist festzuhalten, dass die neuen US-Sanktionen noch nicht ganz „beschlossene Sache″ sind. Nach den positiven Abstimmungen im Kongress muss noch US-Präsident Donald Trump das Gesetz unterzeichnen. Die Unterzeichnung gilt jedoch als sicher.

Weiter ist zu beachten, dass für alle Sanktionsmaßnahmen umfangreiche Ausnahmen (exceptions und waiver) vorgesehen sind. An vielen Stellen verbleibt dem US-Präsidenten dazu ein Entscheidungsspielraum. Es wird sich zeigen müssen, wie die Exekutive mit den Ermächtigungen umgeht.

Für amerikanische und europäische Unternehmen wird es in Zukunft noch schwieriger sein, den Überblick zu behalten. Europäische Unternehmen müssen dabei ihren Blick künftig noch stärker auf das zunehmend extraterritorial wirkende US-Sanktionsregime richten. Je näher eine Transaktion an russischen staatsnahen Unternehmen ist, desto mehr Umsicht ist geboten.

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