2. April 2015
Russland
International

Russland – was geht noch?

Das Klima in Russland wird unverkennbar rauer. Der Markt wird abgeschottet. Doch könnte sich daraus die Notwendigkeit von Produktionsansiedlungen ergeben.

Gute Nachrichten zum Thema Russland sind derzeit rar. Politisch scheint das Land eine Kehrtwendung gemacht zu haben und sich nach Jahren der Annäherung jetzt von Europa und dem Westen abwenden zu wollen. Das Agieren in der Ukrainekrise ist aus westlicher Sicht kaum erklärbar und sicher nicht akzeptabel.

Wirtschaftlich hat sich Russland in eine Rezession manövriert

Der Verfall des Rohölpreises hat genügt, den Rubelkurs abstürzen zu lassen. Importierte Waren sind dadurch über Nacht extrem teuer geworden. Ebenso schwierig sind Fertigungsprozesse geworden, die auf Zulieferungen aus dem Westen aufbauen. Die Sanktionen der EU und der USA sowie die Gegensanktionen Russlands im Agrarsektor verschärfen diese Situation weiter. Ganze Wirtschaftszweige geraten ins Straucheln. Gewiss keine angenehme Situation also.

Auch die deutsche Wirtschaft tut sich in Russland schwer. Soeben berichteten die Zeitungen über unerwartet hohe Einbrüche im Russlandgeschäft im ersten Quartal des Jahres. Besserung ist kurzfristig nicht in Sicht.

Russland reagiert auf aktuelle Situation

Nahezu trotzig werden die Sanktionen zum Anlass genommen, die lokale industrielle Fertigung zu fördern. Ansätze dazu hat es zwar auch in der neueren Vergangenheit immer wieder gegeben; allein die Umsetzung ließ zu wünschen übrig. Momentan allerdings verfestigt sich der Eindruck, dass die Bedingungen tatsächlich verändert werden.

Seit einiger Zeit gibt es Programme und Planungen, bestimmte Wirtschaftszweige zur Lokalisierung der Produktion in Russland zu bewegen. In der Autoindustrie wurde dies mit Erfolg bereits durchgesetzt; der Lokalisierungsgrad ist vergleichsweise hoch. Jetzt sind andere Sektoren an der Reihe, unter anderem der Gesundheitssektor, der Energiesektor sowie der Agrarsektor.

Der Mechanismus ist simpel, aber wirkungsvoll: Behörden und Unternehmen mit mehrheitlicher Staatsbeteiligung wird vorgeschrieben, bestimmte Waren nur noch dann zu kaufen, wenn sie russischen Ursprungs sind.

Am 24. März 2015 hat die Regierung einen neuen Gesetzentwurf in die Duma eingebracht, der die Vorschriften noch einmal verschärft. Unter anderem sollen jetzt auch Unternehmen, die staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, unter die Beschaffungsvorschriften fallen. Mit der Verabschiedung des Gesetzes ist in Kürze zu rechnen.

Auswirkungen auf deutsche Unternehmen

Diese neue Politik hat unmittelbare Auswirkungen auf deutsche Unternehmen mit ihren zum Teil erheblichen Interessen in Russland: diese stehen in der Gefahr, ihren Markt zu verlieren, wenn Kunden daran gehindert sind, Importware abzunehmen. Die Alternative ist schlicht, entweder den Markt aufzugeben oder im Land zu produzieren.

Unternehmen mit signifikanten Handelsaktivitäten in Russland sind gut beraten, sich zu den Bedingungen der Lokalisierung ein vollständiges Bild zu machen. Noch sind die gesetzlichen Regelungen lückenhaft. Es ist aber zu erwarten, dass diese Lücken jetzt zügig geschlossen werden.

Ziel der Lokalisierung muss nicht die vollständige Produktion in Russland sein. Ausreichend ist es, eine Wertschöpfung in Russland zu erbringen, die ausreicht, um das Produkt als russisches Produkt einzustufen. Dazu gibt es sektorspezifische Regeln, die für jedes Produkt unterschiedlich sein können. Strukturell wird angeknüpft an drei Kriterien: (1) die Änderung des Zollcodes (formelles Kriterium), (2) technische oder industrielle Bearbeitung (technisches Kriterium) und (3) Verhältnis vom Wert des Komponenten zum Wert des Endprodukts (wertmäßiges Kriterium). Im Einzelnen ist die Anwendbarkeit dieser Kriterien jeweils zu prüfen. Der Aufwand für den Erhalt eines russischen Herkunftszertifikats kann durchaus überschaubar sein.

Das Klima in Russland wird unverkennbar rauer. Der Markt wird abgeschottet. Paradoxerweise könnte sich gerade daraus jedoch die Notwendigkeit von Produktionsansiedlungen ergeben.

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