21. April 2023
Russland EU-Liste nicht kooperativer Steuerhoheitsgebiete
Steuerrecht

Russland als „Steueroase“ und die Folgen nach dem StAbwG

Die Aufnahme Russlands in die EU-Liste nicht kooperativer Steuergebiete könnte schon bald zur Anwendung des StAbwG führen.

Am 14. Februar 2023 hat der Rat der Europäischen Union nach Vorlage durch die Gruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“ neben den Britischen Jungferninseln, Costa Rica und den Marshallinseln auch Russland in die EU-Liste nicht kooperativer Steuerhoheitsgebiete aufgenommen. Grund für die Aufnahme Russlands ist laut Pressemitteilung, dass Russland

seiner Verpflichtung, die schädlichen Aspekte einer Sonderregelung für internationale Holdinggesellschaften […] anzugehen, nicht nachgekommen ist. Darüber hinaus kam der Dialog mit Russland über Steuerfragen nach Beginn der Aggression Russlands gegen die Ukraine zum Stillstand.

Die EU-Liste dient der Koordinierung von Abwehrmaßnahmen der Mitgliedstaaten

Die EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke wurde zum ersten Mal 2017 angenommen und ist Teil der Bemühungen der EU zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung. Die Liste wird zweimal jährlich aktualisiert, i.d.R. im Februar und Oktober, und umfasst Länder, die Defizite in den Bereichen Transparenz, faire Besteuerung und Implementierung von Maßnahmen gegen Gewinnkürzung und Gewinnverschiebung aufweisen. Dabei handelt es sich um die Länder, die sich geweigert haben, einen konstruktiven Dialog mit der EU über verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich aufzunehmen, oder ihren Verpflichtungen zur Umsetzung der erforderlichen Reformen nicht nachgekommen sind (sog. Anhang I). Der Liste beigefügt ist ein Dokument über den Stand der Zusammenarbeit (sog. Anhang II), in dem die Länder aufgeführt werden, deren eingegangene Verpflichtungen als ausreichend erachtet wurden.

Die Liste an sich entfaltet unmittelbar keine Wirkung. Sie wird jedoch von den Organen der EU und den einzelnen Mitgliedstaaten herangezogen, um geeignete und koordinierte Abwehrmaßnahmen im Steuer- und Nichtsteuerbereich zu treffen, um das Steueraufkommen zu schützen sowie Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Missbrauch zu bekämpfen.

In Deutschland ergeben sich die Folgen der Listung aus dem StAbwG

In Deutschland sind die maßgeblichen Abwehrmaßnahmen im Steuerbereich im Steueroasen-Abwehrgesetz (StAbwG) geregelt und treffen in Deutschland ansässige Steuerpflichtige, die Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet (zusammengefasst: Geschäftsvorgänge) unterhalten. Sie umfassen neben gesteigerten Mitwirkungspflichten Verbote für Betriebs- und Werbungskostenabzüge, eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen sowie Anteilsveräußerungen und Quellensteuermaßnahmen. Dabei ist unerheblich, ob die jeweiligen Geschäftsvorgänge auf gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen oder lediglich anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen (sog. „Dealings“ i.S.d. § 1 Abs. 4 S. 2 AStG) beruhen.

Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung erlassen das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung, in der die nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiete nach Maßgabe der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke genannt werden (sog. StAbwV). Daher hat die Aufnahme eines Landes in die EU-Liste in Deutschland so lange keine Auswirkungen, bis das Land auch in der StAbwV genannt wird. Die aktuelle StAbwV gilt seit dem 16. Dezember 2022 und nennt Russland dementsprechend noch nicht. 

Zu beachten ist zudem, dass die Abwehrmaßnahmen grundsätzlich erst ab dem auf die Nennung folgenden Kalenderjahr Anwendung finden, teilweise noch später. Da eine Änderung der StAbwV zur Anpassung an die neue EU-Liste bis Ende 2023 nicht unwahrscheinlich ist, könnten die Abwehrmaßnahmen des StAbwG in Bezug auf Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse zwischen deutschen Steuerpflichtigen und in Russland ansässigen Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen grundsätzlich ab dem 1. Januar 2024 Anwendung finden.

Unabhängig von der weiteren Zukunft des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Russland und Deutschland schützen zudem die dort getroffenen Regelungen nicht vor den Abwehrmaßnahmen des StAbwG. Eine mögliche Doppelbesteuerung wird im Rahmen des StAbwG bewusst in Kauf genommen.

Steuerpflichtige mit Geschäftsbeziehungen und Beteiligungsverhältnissen zu Russland sollten mögliche Auswirkungen prüfen

Folgende Abwehrmaßnahmen des StAbwG würden Steuerpflichtige treffen, die nach Nennung Russlands in der StAbwV weiterhin Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse zu in Russland ansässigen Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen unterhalten:

  1. Abzugsverbot für Aufwendungen aus den jeweiligen Geschäftsvorgängen, sofern die Erträge nicht in Deutschland der Steuerpflicht unterliegen (§ 8 StAbwG);
  2. Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung unabhängig vom Vorliegen passiver Einkünfte i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG, die von einer in Russland ansässigen Gesellschaft erzielt werden und dort einer niedrigen Besteuerung unterliegen (§ 9 StAbwG);
  3. Quellensteuer in Höhe von 15 % auch auf Einkünfte aus Dienstleistungen und Handel (§ 10 StAbwG); 
  4. Keine Anwendung von § 8b KStG (Schachtelprivileg) und somit volle Steuerpflicht bei Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen, die aus der Beteiligung an in Russland ansässigen Gesellschaften stammen (§ 11 StAbwG); 
  5. Umfangreiche Mitwirkungspflichten über § 90 AO hinaus und Verpflichtung, entsprechende Aufzeichnungen hinsichtlich der jeweiligen Geschäftsvorgänge zu erstellen (§ 12 StAbwG).

Während die Abwehrmaßnahmen Nr. 2, 3 und 5 bereits ab dem 1. Januar 2024 Anwendung finden könnten, würde Abwehrmaßnahme Nr. 1 frühestens ab dem 1. Januar 2027, Abwehrmaßnahme Nr. 4 frühestens ab dem 1. Januar 2026 greifen.

Sollten Steuerpflichtige dennoch Geschäftsbeziehungen zu Russland unterhalten oder an dort ansässigen Gesellschaften beteiligt sein, sollten sie bereits jetzt die möglichen Auswirkungen dieser Abwehrmaßnahmen prüfen und ggf. vor deren Anwendung selbst Maßnahmen zur Verhinderung der harten Besteuerungsfolgen treffen.

Schließlich ist zu beachten, dass Transaktionen, die zum Gegenstand haben, dass der Empfänger grenzüberschreitender Zahlungen, die zwischen zwei oder mehr verbundenen Unternehmen erfolgen und beim Zahlenden als Betriebsausgabe abzugsfähig sind, in Russland ansässig ist, durch die Aufnahme Russlands in die EU-Liste nicht kooperativer Steuergebiete nunmehr eine mitteilungspflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung im Sinne der DAC-6-Vorschriften verlangen. Folglich hat in derartigen Fällen bereits jetzt eine Mitteilung an das BZSt zu erfolgen.

Neben der ungewissen Zukunft des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Russland verdeutlichen auch die aufgezeigten, voraussichtlich ab 2024 in Kraft tretenden Abwehrmaßnahmen des StAbwG die drohende Gefahr von Doppelbesteuerungen, der es bereits jetzt durch Prüfung und Beratung hinsichtlich möglicher Gestaltungen bestmöglich vorzubeugen gilt.

Tags: EU-Liste nicht kooperativer Steuerhoheitsgebiete Russland Steuerrecht