Für Unternehmen, die im Bereich der Abfallwirtschaft in Bosnien und Herzegowina investieren wollen, lohnt sich ein Blick auf die noch immer komplexe Situation.
Obwohl die Entwicklung der Abfallwirtschaft schrittweise vorangetrieben wird, gibt es in Bosnien und Herzegowina nach wie vor eine ganze Reihe von Problemen in Zusammenhang mit dem Abfallwirtschaftssystem. Reformen wurden auf den Weg gebracht und als potenzieller EU-Beitrittskandidat muss das Land entsprechende Verpflichtungen erfüllen. Wer hier Investitionsmöglichkeiten sieht, sollte sich einen Überblick verschaffen und die Komplexität, die sich aus den unterschiedlichen Entitäten und Abfallwirtschaftsgesetzen ergibt, nicht außer Acht lassen.
Wichtige Rolle der Entitäten
Rund 75% der Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina verfügen über einen Abfallsammeldienst. Dabei ist die Abdeckung in größeren Städten annähernd vollständig, in ländlichen Gebieten hingegen unvollständig und auf einem niedrigen Niveau. Die Entwicklung der Abfallwirtschaft liegt in der Zuständigkeit der Entitäten. Bosnien und Herzegowina (BiH) besteht aus zwei Entitäten – der Föderation von Bosnien und Herzegowina (FBiH) und der Republika Srpska (RS) – sowie dem Brčko Distrikt (BD) als ein drittes Sonderverwaltungsgebiet unter der ausschließlichen Souveränität des Staates.
Aus diesem Grund sind drei Institutionen für die Entwicklung und Durchführung der Abfallwirtschaftspolitik in Bosnien und Herzegowina zuständig:
- Ministerium für Umwelt und Tourismus der Föderation von Bosnien und Herzegowina (FBiH)
- Ministerium für Raumplanung, Bauwesen und Ökologie der Republika Srpska (RS)
- Abteilung für physische Planung und proprietäre Angelegenheiten der Regierung des Brčko Distrikts (BD)
Die Abfallwirtschaft ist außerdem durch drei primäre Entitätsgesetze und deren Verordnungen geregelt:
- Gesetz über die Abfallwirtschaft in der FBiH (Amtsblatt der FBiH Nr.33/03, 72/09)
- Gesetz über die Abfallwirtschaft in der RS (Amtsblatt der RS Nr. 113/13 und 106/15)
- Gesetz über die Abfallwirtschaft in BD (Amtsblatt des BD Nr. 72/09, 25/04, 1/05, 19/07, 2/08 und 9/09)
Die Europäische Union hat Bosnien und Herzegowina als potenziellen Beitrittskandidaten anerkannt. Zu den zu erfüllenden Verpflichtungen gehört u.a. die Harmonisierung mit den EU (Umwelt-) Richtlinien. Daher haben die Entitäten (RS und FBiH) und BD Strategien verabschiedet, um die Situation in dem Bereich der Abfallwirtschaft zu verbessern und weiterzuentwickeln. Die wichtigsten Strategie- und Planungsdokumente sind:
- Umweltschutzstrategie der FBiH für den Zeitraum von 2008 bis 2018
- Abfallwirtschaftsstrategie der FBiH
- Abfallwirtschaftsplan der Föderation von 2012 bis 2017 (FBiH)
Die FBiH ist derzeit dabei, die Entwicklung der neuen Umweltschutzstrategie für den nächsten Planungszeitraum von 10 Jahren und den neuen Abfallwirtschaftsplan der Föderation (der 2017 abgelaufen ist) in Auftrag zu geben. Außerdem entwickeln die Kantone der FBiH ihre eigenen strategischen Dokumente zur Abfallwirtschaft als Bestandteil ihrer gesetzlichen Verpflichtungen aus dem Abfallwirtschaftsgesetz:
- Entsorgungsstrategie für feste Abfälle von 2017 bis 2026 (RS)
- Umweltschutzstrategie für den Zeitraum von 2016 bis 2026 (BD)
Abfallwirtschaftsreform in Bosnien und Herzegowina bringt erste Veränderungen
Die Reform der Abfallwirtschaft in Bosnien und Herzegowina begann im Jahr 2000 mit der Nationalen Entsorgungsstrategie für feste Abfälle im Rahmen des EU-Phare-Programms. Dieses ist eines der drei von der Europäischen Union finanzierten Instrumente, um die Beitrittsvorbereitungen der beitrittswilligen Länder in Mittel- und Osteuropa zu unterstützen.
Mit der Nationalen Entsorgungsstrategie für feste Abfälle wurde das Regionalisierungskonzept in Bosnien und Herzegowina eingeführt, das später Bestandteil von Gesetzen zur Regelung der Abfallwirtschaft in den Entitäten und im BD wurde. Das Regionalisierungskonzept sieht vor, dass das Land 16 Sanitär-Deponien benötigt. In Bosnien und Herzegowina gibt es aktuell mehrere aktive regionale Sanitär-Deponien: Smiljevići Sarajevo; Ramici Banja Luka; Brijesnica Bijeljina; Mošćanica Zenica; Uborak Mostar; Crni vrh Zvornik; Eco-sep Živinice (noch im Bau) und Kurevo, Prijedor (noch im Bau).
Steigende Abfallzahlen sorgen für weiterhin große Herausforderungen für die Abfallwirtschaft in Bosnien und Herzegowina
Die Zahl der nicht konformen kommunalen Deponien und illegalen Deponien ist jedoch nach wie vor hoch. Außerdem fehlen dem Land Einrichtungen zur Entsorgung spezieller Abfallkategorien, die normalerweise auf kommunalen Deponien landen und eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellen. Die derzeitigen Recyclingquoten sind weitaus niedriger als in anderen europäischen Ländern. All das stellt eine Bedrohung für die Umwelt und den Klimawandel wie auch die menschliche Gesundheit im Allgemeinen dar.
Gemäß den Berichten des Statistikamtes von Bosnien und Herzegowina aus dem Jahr 2018 wird die Abfallwirtschaftssituation durch folgende Indikatoren gekennzeichnet:
- Die geschätzte Menge des anfallenden kommunalen Abfalls im Jahr 2018 betrug 1.243.973 Tonnen, d.h. jährlich 355 kg pro Kopf oder 0,97 kg pro Kopf pro Tag.
- Im Jahr 2018 wurden im öffentlichen Verkehr 920.540 Tonnen vom kommunalen Abfall gesammelt, 0,7% mehr als im Vorjahr.
- Die Gesamtmenge der gesammelten Abfälle besteht aus: gemischte Siedlungsabfälle 90,9%, getrennt gesammelte Abfälle 4,0%, Abfälle aus Gärten und Parks 3,1% und Verpackungsabfälle 2,0%.
- Im Jahr 2018 wurden auf Deponien 957.494 Tonnen Abfall entsorgt, 0,7% mehr als im Vorjahr.
Fortschritte, aber auch Probleme in der Branche
Die Abfallwirtschaft in Bosnien und Herzegowina hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Einerseits wurde das Konzept der regionalen Abfallentsorgung entwickelt, das derzeit auch umgesetzt wird. Zusätzlich zu den Rechtsvorschriften, die in der Vergangenheit in beiden Entitäten erheblich verbessert worden sind, wurde in die entsprechende Infrastruktur für den Aufbau und die Entwicklung eines integrierten Abfallentsorgungssystems investiert.
Trotz dieser Fortschritte bleiben erhebliche Probleme in der Branche bestehen:
- Die Preise für Haushaltsdienstleistungen reichen nicht aus, um die Kosten für die Abfallentsorgung zu decken.
- Geringes Interesse des Privatsektors aufgrund des hohen finanziellen Risikos wegen der Nichtzahlung von Haushalten an Abfallentsorgungsunternehmen;
- Trennung, Recycling oder Behandlung von Abfällen (mit einigen geringfügigen Ausnahmen) sind nicht vorhanden.
- Die Gemeinden sind für die Umsetzung der Abfallwirtschaftspolitik zuständig, es fehlen jedoch Finanzmittel, um das öffentliche Bewusstsein zu erhöhen und die Kapazitäten zur Verbesserung der Abfallwirtschaft aufzubauen.
- Institutionelle Unfähigkeit auf nationaler und lokaler Ebene sowie mangelnde Zusammenarbeit auf Entitätsebene und lokaler Ebene;
- Mangel an verlässlichen Daten aufgrund hochkomplexer Regierungsstrukturen
Abfallwirtschaft in Bosnien und Herzegowina mit prüfenswerten Investitionsmöglichkeiten
Die Entitätsstrategien befassen sich auch mit dem finanziellen Aspekt des Abfallwirtschaftssystems und sehen zwei mögliche Finanzierungsquellen vor: öffentliche und private.
Öffentliche Finanzierungsquellen sind neben den Entitätsinstitutionen u.a. Darlehen von Banken und internationalen Finanzinstitutionen (Weltbank, Europäische Entwicklungsbank, Europäische Investitionsbank usw.).
Private Finanzierungsquellen sind private Investitionen in Abfallsammlungs- und Recyclinganlagen (Behälter, Container, Fahrzeuge usw.), in Einrichtungen zur Behandlung getrennt gesammelter Abfälle für Recycling oder Sonderbehandlungen (Kompostierungsanlagen, Sortieranlagen, Papierproduktionsanlagen, Kunststoffe, Glas, Anlagen zur Behandlung spezieller Abfallarten) und in Geräte und Einrichtungen für Transport und Behandlung usw.
Bosnien und Herzegowina hat Bestrebungen zur Entwicklung der zukünftigen Abfallwirtschaft und die politische Bereitschaft für den EU-Beitritt zum Ausdruck gebracht. Das Land muss schrittweise hohe Umwelt- und Sektor-Ziele erreichen und fortgeschrittene Initiativen im Zusammenhang mit der getrennten Sammlung und Behandlung von Abfällen in Übereinstimmung mit EU-Regelungen entwickeln.