Die Ergebnisse der Konsultation zur Modernisierung des Wettbewerbsrechts zeigen, wo die Reise in Richtung 12. GWB-Novelle hingehen könnte.
Am 7. November 2023 trat die 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Kraft, die eine deutliche Verschärfung des deutschen Kartellrechts mit sich brachte.
Bereits einen Tag zuvor, am 6. November 2023, hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zu einer öffentlichen Konsultation zur Modernisierung des Wettbewerbsrechts aufgerufen. Vom 6. November bis zum 4. Dezember 2023 konnten betroffene Organisationen, Unternehmen und Verbände sowie auch interessierten Bürgerinnen durch Teilnahme an der Konsultation zu den Modernisierungsvorschlägen des BMWK, insbesondere für die Bereiche Fusionskontrolle, Ministererlaubnis, Nachhaltigkeit, Verbraucherschutz/Fairer Wettbewerb und Kartellschadensersatz, Stellung nehmen sowie dem Ministerium eigene Vorschläge präsentieren. Das BMWK appellierte, das Ziel einer weiteren Stärkung des Wettbewerbs und der Reduzierung von unnötiger Bürokratie in wettbewerblichen Verfahren hierbei nicht aus den Augen zu verlieren.
Insgesamt gut über 100 Wirtschaftsverbände, NGOs, Unternehmen, Kanzleien, Kartellrechtsprofessoren und Privatpersonen ergriffen die Chance, sich mit ihren Auffassungen und Ideen an das Ministerium zu wenden. Eine Übersicht der eingegangenen Stellungnahmen, gegen deren Veröffentlichung kein Widerspruch eingelegt wurde, findet sich auf der Webseite des BMWK. Dort können diese Stellungnahmen, einschließlich der Stellungnahme des Geschäftsbereichs Antitrust, Competition & Trade von CMS, heruntergeladen werden.
Nach einem Blick in die zur Konsultation eingegangenen Stellungnahmen lassen sich zu den einzelnen Bereichen des deutschen Kartellrechts, die im Fokus der Konsultation standen, folgende Ergebnisse festhalten:
1. Fusionskontrolle
Nach der überwiegenden Ansicht der Teilnehmenden reichen die derzeitigen gesetzlichen Vorschriften zur Anmeldepflicht von Unternehmenszusammenschlüssen (formelle Fusionskontrolle) nicht aus, um eine Prüfung aller wettbewerblich relevanten Fusionen zu gewährleisten. Insbesondere Stimmen aus der Wissenschaft und Anwaltschaft fordern eine Anpassung der Transaktionswertschwelle. Uneinigkeit herrscht jedoch bei der Frage der konkreten Höhe von Umsatzschwellen und Transaktionswertschwellen.
Bei dem jetzigen Stand des konkreten Prüfmaßstabs anmeldepflichtiger Zusammenschlüsse (materielle Fusionskontrolle) sieht die breite Mehrheit keinen Anpassungsbedarf, und sprach sich allgemein für einen europäisch und national einheitlichen Maßstab aus.
2. Ministererlaubnis
Während ein Großteil der eingegangenen Stellungnahmen das Instrument der Ministererlaubnis befürwortet, da es die Berücksichtigung außerwettbewerblicher Ziele bei der Beurteilung von Zusammenschlüssen ermöglicht, wird das Ministererlaubnisverfahren allerdings überwiegend für reformbedürftig erachtet. Es überrascht nicht, dass insbesondere aus der Wissenschaft Kritik am gesetzlichen Maßstab und der Transparenz des Verfahrens geäußert wird. Der konkrete Umfang des wahrgenommenen Reformbedarfs variiert im Übrigen stark. Immer wieder wird der Vorschlag gemacht, weitere Akteure in die Entscheidung einzubeziehen oder gar die Entscheidungsbefugnis auf diese zu übertragen. Insgesamt lässt sich aber eine hohe Zustimmung für die Erleichterung von Klagemöglichkeiten Dritter gegen eine erteilte Ministererlaubnis erkennen.
Eine Vielzahl von Teilnehmenden nutzte die Konsultation auch, um Kritik an einzelnen, in der Vergangenheit ergangenen Entscheidungen auf Erteilung einer Ministererlaubnis zu äußern, wie zum Beispiel an der hoch umstrittenen Erlaubnis im Verfahren Edeka/Tengelmann.
3. Nachhaltigkeitsaspekte im Kartellrecht
Zum brandheißen Thema Nachhaltigkeit wird Anpassungsbedarf gesehen. Stimmen aus der Wirtschaft, Wissenschaft sowie einige NGOs fordern eine Änderung des Gesetzes, die eine kartellrechtliche Erleichterung bestimmter Nachhaltigkeitskooperationen sicherstellt. Die breite Mehrheit der Teilnehmenden befürwortet zudem die Berücksichtigungsfähigkeit von Nachhaltigkeitsvorteilen im Rahmen einer Freistellung vom Kartellverbot, insbesondere von Vorteilen, die sich außerhalb des relevanten Marktes feststellen lassen (sogenannte „out-of-market-efficiencies‟). Eine qualitative Abwägung wird hierbei im Rahmen der Freistellungsentscheidung bevorzugt, während die Quantifizierung von Nachhaltigkeitsvorteilen überwiegend als schwierig angesehen wird.
4. Verbraucherschutz
In dem Bereich Verbraucherschutz sind sich die Stellung Nehmenden sehr uneinig: Große und mittelständische Wirtschaftsverbände sowie einzelne Verbraucherverbände sehen keinen oder lediglich geringen Regelungsbedarf. Die Wissenschaft, kleinere Branchen- oder Verbraucherverbände sowie zivilgesellschaftliche Initiativen hingegen sprechen sich für gewisse verbraucherrechtliche Kompetenzen des Bundeskartellamts aus. Diese Kompetenzen sollen das Amt insbesondere dann zu einem Tätigwerden ermächtigen, wenn eine Vielzahl von Verbrauchern betroffen ist, oder aber den gegen Verbraucherrecht verstoßenden Unternehmen eine gewisse Marktmacht zukommt.
5. Kartellschadensersatz
Gut weggekommen in der Konsultation sind die derzeit geltenden Vorschriften, die das Kartellschadensersatzrechts. Ganz überwiegend werden diese für ausreichend erachtet, oder nur kleinere Anpassungen vorgeschlagen. Die eindeutige Mehrheit spricht sich für die Konzentration von Schadensersatzverfahren bei einem oder zumindest wenigen spezialisierten gerichtlichen Spruchkörpern. Gespalten sind die Teilnehmenden an der Konsultation in der Frage der Einführung einer gesetzlichen Schadensvermutung. Weiter wird gefordert, die Attraktivität von Kronzeugenanträgen zu steigern.
Mit der Veröffentlichung der Stellungnahmen, die zu der Online-Konsultation des BMWK eingegangen sind, nimmt die Reise in Richtung 12. GWB-Novelle nicht nur Fahrt auf. Die Auswertung der Stellungnahmen soll vom BMWK bei dessen weiteren Umsetzung der Agenda, welche die wettbewerbspolitischen Ziele des Ministeriums bis 2025 festlegt, berücksichtigt werden. Sie könnte daher auch richtungsweisend bei der Ausarbeitung eines Referentenentwurfs für eine 12. GWB-Novelle sein.
So weit entfernt die Reiseetappe „Referentenentwurf‟ auf den ersten Blick noch wirken mag, verliert das BMWK allerdings weiterhin keine Zeit. Wie ein Vertreter des BMWK unlängst mitteilte, hat das Ministerium den weiteren Reiseplan bereits ausgearbeitet und beabsichtigt, eine abschließende Auswertung der Konsultation sowie die konzeptionelle Ausarbeitung eventueller Maßnahmen durch das Ministerium im ersten Quartal 2024 zu präsentieren. Als nächster Meilenstein ist im zweiten Quartal 2024 die Veröffentlichung eines Referentenentwurfs, eine Ressortabstimmung und eine Länder- und Verbändeanhörung vorgesehen, die sich wohl bis in das dritte Quartal 2024 ziehen wird. Mit einem Kabinettsbeschluss, einem Regierungsentwurf und des Beginns des parlamentarischen Verfahrens ist sodann im dritten Quartal 2024 zu rechnen. Voraussichtlich im ersten Quartal 2025 wird die 12. GWB-Novelle in Kraft treten und die Reise ihr Ende finden.
Die bevorstehenden Zwischenziele sind mit Spannung zu erwarten. Und insbesondere auch, ob sich die Ergebnisse der Konsultation als Wegweiser auf dieser Reise wiederfinden lassen.