9. November 2012
Kartellrecht

Wenn die Kommission zwei mal klagt

Nach einer Entscheidung des EuGH von Anfang dieser Woche (Rechtssache C-199/11) ist prinzipiell nichts dagegen einzuwenden, wenn die Europäische Kommission Unternehmen erst wegen der Beteiligung an einem Kartell zu einer Geldbuße verurteilt und dann auch noch auf Schadenersatz in eigener Sache verklagt. Eine unliebsame Erfahrung machten die Aufzugsfirmen Otis, Kone, Schindler und ThyssenKrupp 2007, als die Europäische Kommission sie zunächst wegen Kartellbildung zu einer Geldbuße in Höhe von insgesamt 992 Millionen Euro verdonnerte.

Eine weitere negative Überraschung erlebten die Unternehmen aber im Juni 2008. Da verklagte sie die Europäische Kommission (als Vertreterin der EU) auch noch auf mehr als 7 Millionen Euro Schadenersatz bei einem belgischen Gericht. Die EU selbst hatte nämlich bei den fraglichen Firmen als Kundin eingekauft. Die Kommission machte nun geltend, sie habe aufgrund des Kartells überhöhte Preise gezahlt.

Kritiker bemängelten an diesem Vorgehen, dass die Kommission dadurch praktisch zur „Richterin in eigener Sache“ würde. Es könne ja wohl nicht zulässig sein, dass die Kommission zunächst eine Entscheidung über das Vorliegen eines Kartells fälle, diese Entscheidung in einem zweiten Schritt aber auch noch dazu nutze, um in eigener Sache Schadenersatz einzuklagen. Besonders problematisch sei, dass das Gericht, das über den Schadenersatz entscheide, auch noch inhaltlich an die Kommissionsentscheidung gebunden sei.

Der EuGH hat diese Bedenken jedoch jetzt zurückgewiesen und sich auf die Seite der Kommission gestellt.

Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes sei es ausreichend, dass die Entscheidung der Kommission zum einen ja der gerichtlichen Kontrolle unterliege. Zum anderen sei das nationale Gericht (das über den Schadenersatz entscheide) allein dafür zuständig, festzustellen, ob tatsächlich ein Schaden vorliege und ob dieser ursächlich durch das Kartell verursacht worden sei. Dies müsse reichen.

Insoweit ist insbesondere Unternehmen angeraten, die die EU selbst als Kundin haben, sich ganz besonders um kartellrechtskonformes Verhalten zu bemühen. Ansonsten müssen sie in Zukunft damit rechnen, dass sie gleich mit zwei verschiedenen Verfahren aus Brüssel überzogen werden.

Tags: Aufzüge EuGH Geldbuße Kartell Rechtsprechung Rechtssache C-199/11 Schadensersatz