10. Oktober 2023
PFAS REACH
Öffentliches Wirtschaftsrecht

Ewigkeitschemikalien und REACH – kommt das Verbot und wenn ja, wie?

Die EU entscheidet, ob PFAS beschränkt oder vollständig verboten werden.

Sie sollen ab 2025 verboten oder in der Verwendung beschränkt werden: Ewigkeitschemikalien. Vor kurzem endete die Konsultationsphase der European Chemicals Agency ECHA für eine mögliche Einschränkung von so genannten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, kurz PFAS. Diese Stoffe zeichnen sich durch viele Eigenschaften aus, die in der Industrie und beim Verbraucher weithin geschätzt sind. Doch wegen ihrer langen Beständigkeit und Umweltschädlichkeit stehen sie auch seit längerem in der Kritik.

In den kommenden Monaten entscheiden die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten über das weitere Vorgehen. Am Ende dieses Prozesses kann neben einem vollständigen Verbot einzelner Stoffe auch eine Beschränkung in Menge und Art der Verwendung stehen.

Was sind PFAS?

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind organische Verbindungen aus Kohlenstoffketten, deren Wasserstoffatome je nach Kettenlänge vollständig (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluoratome ersetzt sind.

Die über 10.000 einzelne Substanzen umfassende Chemikaliengruppe hat viele vorteilhafte chemische Eigenschaften. Sie sind sowohl wasser-, fett- und schmutzabweisend als auch chemisch und thermisch stabil. Daher kommen sie in vielen Produkten zum Einsatz. Zum einen in Verbraucherprodukten wie zum Beispiel Shampoo, Nagellackentferner, Make-Up, Reinigungsmittel oder Farben, zum anderen zur Behandlung von Oberflächen von Metallen und Kunststoffen beispielsweise in Lebensmittelverpackungen, Pizzakartons, Regenjacken oder Kochutensilien. Als essenzieller Bestandteil werden sie ebenfalls in Löschschäumen, spezieller technischer Schutzkleidung und bei bestimmten Medizinprodukten eingesetzt. Des Weiteren spielen PFAS eine entscheidende Rolle für die Energie- und Mobilitätswende. Sie werden in Dichtungen, Isolierungen, Kabeln oder auch in E-Auto-Batterien, Wasserstofftechnologien und in Halbleitern verbaut. Daher sind sie für die Automobil-, Maschinenbau-, Elektro- und Digitalindustrie wichtig und damit auch zur Einhaltung der selbstgesteckten Klimaziele der Bundesregierung.

Jedoch ist der Einsatz von PFAS nicht unproblematisch. Die in den PFAS enthaltenen Kohlenstoff-Fluor-Bindungen gehören zu den stärksten chemischen Verbindungen überhaupt, weshalb sie auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet werden. Dadurch sind sie sowohl bei der Verwendung als auch in der Umwelt schwer abbaubar, denn sie verteilen sich sehr schnell über das Wasser und reichern sich dort an. Wegen ihres schwierigen Abbaus kommt es zur Verunreinigung von Grundwasser, Oberflächengewässer und Böden. Infolgedessen gelangen PFAS durch die Aufnahme von Trinkwasser oder Nahrung direkt oder indirekt in den menschlichen Körper. Dort wirken einige Stoffe nachweislich gesundheitsschädigend und krebserregend.

Eine Dekontaminierung der Böden oder Gewässer wäre zwar theoretisch die Lösung, in der Praxis ist diese jedoch technisch aufwändig und teuer. Einige EU-Mitgliedstaaten (darunter Deutschland) haben deshalb einen Vorschlag zur Beschränkung des Einsatzes der PFAS unter der REACH-Verordnung ausgearbeitet.

Die Regulierung von PFAS durch die REACH-Verordnung

Die Regulierung von chemischen Substanzen wird auf europäischer Ebene in der EU-Chemikalienverordnung, besser bekannt als REACH-Verordnung (EU) 1907/2006, geregelt und entfaltet unmittelbar Rechtskraft in allen EU-Mitgliedstaaten.

REACH steht für Requisition, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals – mithin die Registrierung, Bewertung, Autorisierung und Beschränkung von Chemikalien. Die seit 2007 bestehende Verordnung vereinheitlicht das Chemikalienrecht auf europäischer Ebene und setzt strenge Maßstäbe bei der Herstellung, dem Inverkehrbringen und der Verwendung von chemischen Stoffen. Damit gilt sie als eines der strengsten und modernsten Chemikaliengesetze der Welt. Die Regulierung von PFAS erfolgt auch im Rahmen der REACH-Verordnung.

Vier Phasen bis zur Beschränkung einer Chemikalie in der EU

Damit die Herstellung und Verwendung einer Chemikalie – also eines Stoffes, eines Gemischs oder auch nur eines Erzeugnisses, was z.B. Möbel, Textilien, Elektroteile oder Spielzeug umfasst – in der EU beschränkt oder verboten werden kann, muss ein aufwändiges Verfahren durchlaufen werden, das im Wesentlichen vier Phasen hat. In allen Phasen haben Unternehmen umfangreiche Antrags-, Mitwirkungs- und Informationspflichten, die in der Regel ohne eine entsprechende interne Compliancestruktur nicht zu bewältigen sind. 

Die erste Phase ist die Registrierung. Im Mittelpunkt steht hier der Grundsatz: keine Daten, kein Markt. Dies bedeutet: Unternehmen müssen Informationen über die Verwendung und Eigenschaften der zu registrierenden Stoffe in einem Registrierungsdossier sammeln, wenn sie diese in Mengen über eine Tonne pro Jahr herstellen oder importieren und eine Gefahren- und Risikobeurteilung vornehmen. Pro Stoff wird jedoch nur eine Registrierung vorgenommen, sodass Unternehmen, die den gleichen Stoff herstellen oder importieren, ihre Registrierung gemeinsam einreichen müssen.

Die Bewertungsphase – Phase zwei – dient zum einen der Qualitäts- und Datensicherung; sie wird durch die ECHA vorgenommen. Aber auch die Mitgliedstaaten nehmen durch ihre Fachbehörden eine Stoffbewertung vor. Zum anderen soll im Rahmen der Stoffbewertung untersucht werden, ob von den Chemikalien eine Gefahr für Mensch oder Umwelt ausgeht. Gegebenenfalls können zur Klärung noch weitere Daten von den Unternehmen angefordert werden.

PFAS auf der Kandidatenliste: Compliance-Pflichten für Unternehmen 

In der dritten Phase geht es um die Zulassung. In diesem Verfahrensabschnitt soll sichergestellt werden, dass besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC, substances of very high concern) schrittweise durch ungefährlichere Stoffe ersetzt werden. Besonders besorgniserregend ist ein Stoff, wenn er krebserregend, erbgutverändernd oder auch fortpflanzungsgefährdend ist. Erfolgt eine solche Bewertung, wird dieser Stoff in eine Kandidatenliste bei der ECHA aufgenommen, die Informationen zu schädlichen Wirkungen bei Menschen und Umwelt und zu möglichen Ersatzstoffen enthält. Nach einer abschließenden Bewertung kann der Stoff in die SVHC-Liste in Anhang XIV der REACH-Verordnung überführt werden. 

Einige PFAS sind bereits auf die Liste besonders besorgniserregender Stoffe aufgenommen worden, darunter 2,3,3,3-Tetrafluor-2-(heptafluorpropoxy)propionsäure, ihre Salze und ihre Acylhalogenide (HFPO-DA). Aufgrund der damit verbundenen weitreichenden Melde- und Informationspflichten sollte diese Liste von betroffenen Wirtschaftsakteuren stetig im Blick behalten werden. 

Darüber hinaus haben die zuständigen Behörden in Deutschland, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Schweden in den letzten drei Jahren Untersuchungen und Bewertungen in Bezug auf Risiken bei Herstellung, Verwendung und Inverkehrbringen von PFAS durchgeführt und mögliche Alternativen untersucht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Risiken bestehen, die gesetzliche Beschränkungen erfordern.

Die Aufnahme in den Anhang XIV hat weitreichende Informationspflichten in der Lieferkette zur Folge. 

  • Eine dieser Informationspflichten ist die sogenannte Meldepflicht für Unternehmen, die Erzeugnisse in Verkehr bringen, die einen im Anhang XIV der REACH-Verordnung gelisteten Stoff in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent enthalten. Die Information an gewerbliche Kunden muss unaufgefordert erfolgen. 
  • Ein weiteres, generelles Beispiel für die weitreichenden Informationspflichten in der Lieferkette ist das Sicherheitsdatenblatt, welches bereits im Registrierungsprozess erstellt werden muss. Es gibt den gewerblichen Anwendern Empfehlungen zur Sicherstellung des Gesundheits- und Umweltschutzes. Wenn der nachgeschaltete Anwender eine nicht vom Sicherheitsdatenblatt abgedeckte Verwendung vornimmt, muss er es dem Händler mitteilen. Dieser wiederum gibt das dem Hersteller weiter, der dann sein Sicherheitsdatenblatt anpassen muss. Der Prozess zeigt, wie wichtig der Aufbau einer internen Compliance-Organisationsstruktur mit vorhandenen Lieferantenverträgen und Produktsicherheitsvereinbarungen ist.

Letzter Schritt: Beschränkung von Chemikalien

Im vierten Verfahrensschritt erfolgt die Regulierung von Chemikalien, wenn von ihnen eine unzumutbare Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht. Das mehrstufige Regulierungsverfahren ist komplex und aufwändig.

Zu Beginn eines Beschränkungsverfahrens erarbeiten die zuständigen nationalen Fachbehörden oder die ECHA einen Beschränkungsvorschlag (Beschränkungsdossier). Dieser enthält in Bezug auf alle zu beschränkenden Stoffe die erforderlichen wissenschaftlichen Nachweise über beispielsweise problematische Eigenschaften oder sozioökonomische Folgen einer Beschränkung sowie Informationen über Alternativen. Die Erstellung eines solchen Dossiers wird ein Jahr vor der Einreichung bei der ECHA angekündigt. Nach dessen Einreichung wird der Vorschlag von zwei unabhängigen Expertengremien geprüft und fachliche Aspekte diskutiert. Im Rahmen der Prüfung werden zusätzlich zwei öffentliche Konsultationen durchgeführt, in denen sich betroffene Akteure und die Öffentlichkeit einbringen können. Nach 13 Monaten wird das Ergebnis beider Ausschüsse im Rahmen einer gemeinsamen wissenschaftlichen Stellungnahme vorgestellt. Mithilfe dieser Stellungnahme erarbeitet die Europäische Kommission einen formalen Beschränkungsvorschlag, über den im REACH-Regelungsausschuss, bestehend aus Vertretern der EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission, diskutiert und abgestimmt wird. Dieses Verfahren dauert noch einmal zwischen sechs und neun Monaten. Bei einer erfolgreichen Annahme des Beschränkungsvorschlages durch den REACH-Regelungsausschuss wird dieser – im Ganzen oder mit Übergangsfristen – im Europäischen Gesetzblatt verkündet und ist anschließend Teil der REACH-Verordnung.

Auch bei PFAS sind Beschränkungen für einzelne Stoffe, für Stoffe in Gemischen und in Erzeugnissen möglich. Am Ende muss jedoch nicht sicher ein umfassendes Verwendungsverbot stehen. Die möglichen Beschränkungen reichen von verpflichtenden Sicherheitshinweisen, über die Beschränkung von Art und Menge der Verwendung bis zu einem umfassenden Verbot. So hat sich Bundeswirtschaftsminister Habeck für einen differenzierten Umgang mit PFAS ausgesprochen und vor einem generellen Verbot, gerade im Hinblick auf eine mögliche Überregulierung in der Wirtschaft im Bereich der Zukunftstechnologien, gewarnt. 

Bevor jedoch eine endgültige Entscheidung der Kommission unter Mitarbeit der Mitgliedstaaten fällt, sind erst einmal die Ausschüsse der ECHA am Zug. Diese bewerten die Ergebnisse der Konsultationsphase im Rahmen ihrer Stellungnahme. Dies wird 2024 stattfinden. Mit einer Entscheidung der Kommission ist im Jahr 2025 zu rechnen. Doch bereits jetzt lohnt es sich, die aktuellen Entwicklungen im Blick zu behalten, um sich frühzeitig auf veränderte Rahmenbedingungen vorzubereiten.

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