2. März 2012
Öffentliches Wirtschaftsrecht

Gut Ding will Weile haben – das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz

Unter erheblicher Überschreitung der Umsetzungsfrist wurde am 29.02.2012 das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Als 1994 das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz das alte Abfallgesetz ablöste und die Kreislaufwirtschaft einführte, war von einem „Paradigmenwechsel“ im Abfallrecht die Rede. Dieser Stellenwert dürfte dem KrWG nicht beizumessen sein; dennoch handelt es sich um eines der wichtigsten Novellierungsvorhaben in diesem Bereich seit vielen Jahren. Das auf der EU-Abfallrahmenrichtlinie beruhende neue Abfallrecht wird im wesentlichen ab dem 01.06.2012 gelten. Was sind die Änderungen?

Ziel: Bessere Bewirtschaftung von Abfällen

Schon im Titel des Gesetzes wird deutlich: Abfall ist ein wichtiges Wirtschaftsgut. Folgerichtig soll die Abfallbewirtschaftung im Stoffkreislauf und damit die Abfallverwertung gegenüber der -beseitigung weiter gestärkt werden. Statt der bisher drei Entsorgungsstufen (Abfallvermeidung, -verwertung und -beseitigung) gelten nach § 6 KrWG zukünftig fünf Stufen der Abfallhierarchie: Können Abfälle nicht vermieden werden (1), sollen sie (2) zur Wiederverwendung vorbereitet, (3) recycled oder (4) auf sonstige Weise verwertet, insbesondere energetisch verwertet oder verfüllt oder (5) beseitigt werden. Zwischen den Verwertungsstufen ist die umweltschonendste Verwertungsart vorrangig. Das Gesetz verpflichtet aber zur getrennten Sammlung von Bioabfällen und Klärschlämmen (§ 11 KrWG) sowie von Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasabfällen (§ 14 KrWG) ab dem 01.01.2015. Die ab dem 01.01.2020 zu erreichende Recyclingquote in Bezug auf Siedlungsabfälle soll damit – über das nach der EU-Abfallrahmenrichtlinie geforderte Maß hinaus – erhöht werden. Weitere Verwertungs- bzw. Recyclingquoten gibt es für nicht gefährliche Bau- und Abbruchabfälle. Unter dem Vorzeichen einer effizienteren Verwertung von Abfällen steht auch die durch das Gesetz ermöglichte Einführung einer Wertstofftonne (§ 10 KrWG).

Gesetzliche Regelung von in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien

Die Regelungen zur Abgrenzung zwischen Abfällen und den nicht dem Abfallrechtsregime unterliegenden Nebenprodukten (§ 4 KrWG), zum Ende der Abfalleigenschaft (§ 5 KrWG) oder auch zur Abgrenzung von energetischer Verwertung und Abfallbeseitigung nehmen die bisherige Rechtsprechung insbesondere des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) auf und stellen sie teilweise klar. Es wird aber auch weiterhin die Entscheidung im Einzelfall notwendig sein.

Heizwertkriterium als widerlegbare Vermutung

Insbesondere die Abgrenzung von energetischer Verwertung und Beseitigung von Abfällen (§ 8 Abs. 3 KrWG) war bisher häufig schwierig und Gegenstand einiger Entscheidungen. Relevant ist diese Abgrenzung nicht nur für die Frage, ob der Abfallbesitzer seine abfallrechtlichen Pflichten verletzt hat, sondern auch für die Frage, ob sich z.B. die Genehmigung eines Heizkraftwerks auch auf die Abfallbeseitigung erstreckt. Ob die nun widerlegbare Vermutungsregelung, dass die energetische der stofflichen Verwertung ab einem Heizwert von 11.000 Kilojoule gleichsteht, die bisweilen heftigen Diskussionen um das Heizwertkriterium befrieden kann, wird sich zeigen. Die Bundesregierung kann jedenfalls durch Rechtsverordnung für einzelne Abfallarten bestimmte Verwertungsmaßnahmen vorschreiben, den Vorrang oder Gleichrang von Verwertungsmaßnahmen festlegen und Kriterien für die notwendige Hochwertigkeit von Verwertungsmaßnahmen aufstellen. Die Regelung in § 8 Abs. 3 KrWG wird allerdings flankiert durch eine umstrittene Fußnote zum sog. R1-Kriterium in Anlage 2 des Gesetzes. Daraus ergibt sich, dass eine Verbrennung von Siedlungsabfällen nur dann als Verwertungsmaßnahme anzusehen ist, wenn sie eine Energieeffizienz von 65 %, berechnet nach der dort angegebenen Formel, erreicht. Es bleibt daher zu hoffen, dass durch die zu erstellenden untergesetzlichen Regelwerke eine größere Klarheit geschaffen wird.

Streitpunkt: Überlassungspflichten und gewerbliche Sammlungen

Wie bisher schon sind Abfälle aus privaten Haushaltungen sowie gewerbliche Abfälle zur Beseitigung grundsätzlich den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, also in der Regel den Kommunen zu überlassen (§ 17 KrWG). Da bestimmte Abfälle (z.B. Altpapier) besonders werthaltig sind, gab es in der Vergangenheit immer wieder Streit darüber, unter welchen Voraussetzungen gewerbliche Sammlungen dieser Abfälle zulässig sind. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 18.06.2009 – 7 C 16/08) hatte mit dem Hinweis auf die Funktionsfähigkeit der kommunalen Entsorgungsstrukturen insoweit eine recht restriktive Haltung vertreten. Nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Kritik der EU- Kommission war diese Frage denn auch der Grund dafür, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen und das Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes noch weiter verzögert hat. Der nun Gesetz gewordene Kompromiss dürfte die Pfründe der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger schützen. Einige Branchenverbände laufen dagegen Sturm und haben schon eine erneute Beschwerde bei der EU-Kommission angekündigt.

Fazit

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz war – angesichts der Umsetzungsfrist der EU-Abfallrahmenrichtlinie zum 12.12.2010 – längst überfällig. Es orientiert sich deutlich an der EU-Abfallrahmenrichtlinie, übernimmt teilweise sogar ihren Wortlaut. Gerade bei den Regelungen, die über die Richtlinie hinausgehen (insbesondere bei den Überlassungspflichten, § 17 KrWG), bleibt aber spannend, ob nicht am Ende der EuGH das letzte Wort zum Kreislaufwirtschaftsgesetz haben wird. Und auch die erweiterten Strafbarkeit beim Umgang mit Abfällen könnte zu interessanten Fragen führen…

Tags: Abfallbewirtschaftung Abfallgesetz Entsorgungsträger EU-Abfallrahmenrichtlinie Kreislaufwirtschaftsgesetz KrWG Recyclingquote Stoffkreislauf Verwertungsquote