10. Januar 2024
staatliche Förderung Haushaltsgesetz
Öffentliches Wirtschaftsrecht

Haushaltskrise und staatliche Förderungen

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der zwischenzeitlichen Haushaltkrise: Welche Folgen ergeben sich für staatliche Förderungen?

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Urteil vom 15. November 2023 – 2 BvF 1/22 entschieden, dass das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 verfassungswidrig und nichtig ist. Mit dem Gesetz sollte eine im Bundeshaushalt 2021 als Reaktion auf die Corona-Pandemie vorgesehene, jedoch im Haushaltsjahr 2021 nicht unmittelbar benötigte Kreditermächtigung in Höhe von EUR 60 Milliarden rückwirkend dem sog. „Energie- und Klimafonds“ (EKF) zugeführt werden. Damit sollten die Mittel als Teil eines Sondervermögens auch für zukünftige Haushaltsjahre nutzbar gemacht werden. 

Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fehlen die Mittel in dem inzwischen in „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) umbenannten Fonds. Das Volumen des Sondervermögens hat sich erheblich um ca. zwei Drittel verringert. In vielen Förderprogrammen stellt sich seither die Finanzierungsfrage. 

Was gilt bis zum Erlass des Haushaltsgesetzes 2024?

Zusätzlich angefacht wird die Thematik durch den Umstand, dass der Bundeshaushalt 2024 noch nicht beschlossen ist. Die Bundesregierung hat sich zwischenzeitlich zwar auf die Kernpunkte des Haushalts geeinigt. Das Haushaltsgesetz 2024 wird aber erst im bereits laufenden neuen Jahr in Kraft treten. Bis dahin verbleibt eine Unsicherheit, ob und in welchem Umfang bereits bestehende Förderungen fortgesetzt oder neue Förderungen bewilligt werden können.

Klar ist lediglich, dass das staatliche Handeln aufgrund der Haushaltskrise nicht zum Erliegen kommt. Bis zum Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes 2024 macht die Bundesregierung von ihrem Recht zur vorläufigen Haushaltsführung gemäß Art. 111 GG Gebrauch. Demnach kann die Bundesregierung im Rahmen eines Nothaushaltsrechts in beschränktem Umfang Ausgaben vornehmen und Kredite aufnehmen. Ausgaben, die nötig sind, um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen oder um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen, können weiter getätigt werden. Gleiches gilt für bereits im Haushaltsjahr 2023 bewilligte Ausgaben für die Fortsetzung von Bauten, Beschaffungen und sonstigen Leistungen oder Beihilfen für diese Zwecke. 

Neue Verpflichtungen oder Verträge darf der Bund während der vorläufigen Haushaltsführung jedoch grundsätzlich nicht eingehen.

Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Konkretisierung der Schuldenbremse

Für zukünftige Förderungen, insbesondere auf der Grundlage des KTF, ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 in den Blick zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat darin die in Art. 109 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse konkretisiert und dem Gesetzgeber neue Leitlinien vorgegeben, die er bei der Planung zukünftiger Haushalte berücksichtigen muss. Grundsätzlich besagt die Schuldenbremse, dass der Haushalt ohne eine erneute Kreditaufnahme geplant werden muss, es sei denn es liegt eine außergewöhnliche Notsituation vor, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt (Art. 115 Abs. 2 Satz 5 GG).

Das Gericht begründete die Verfassungswidrigkeit des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2021 im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen:

  • Dem Gesetz fehle es an einem sog. sachlichen Veranlassungszusammenhang. Ein Zusammenhang zwischen der festgestellten Notsituation und der ergriffenen Krisenbewältigungsmaßnahme müsse ausreichend dargelegt werden. 
  • Bei der Übertragung in den EKF seien die Kreditermächtigungen zeitlich von der gemäß Art. 115 Abs. 2 Satz 5 GG festgestellten Notlage abgekoppelt. Dies widerspreche den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Jährlichkeit und Jährigkeit, die auch für notlagenkreditfinanzierte Sondervermögen gälten. 
  • Durch die Verabschiedung des Zweiten Nachtraghaushaltsgesetzes 2021 im Februar 2022 – also nach Ablauf des Haushaltsjahres 2021 – habe der Gesetzgeber gegen den Haushaltsgrundsatz der Vorherigkeit nach Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßen.

Das Gericht stellte klar, dass eine faktisch unbegrenzte Weiternutzung von notlagebedingten Kreditermächtigungen in nachfolgenden Haushaltsjahren ohne Anrechnung auf die Schuldenbremse bei gleichzeitiger Anrechnung als Schulden im Haushaltsjahr 2021 unzulässig ist. 

Welche Auswirkungen das Urteil zur Verfassungswidrigkeit des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2021 auf zukünftige staatliche Förderungen hat, ist weiter ungewiss

Zwischenzeitlich galt eine vom Bundesfinanzminister verhängte haushaltswirtschaftliche Sperre gemäß § 41 Bundeshaushaltsordnung (BHO) für Verpflichtungsermächtigungen im Bundeshaushalt 2023 sowie im KTF. Das hatte für viele Förderprojekte einen Antrags- und Bewilligungsstopp zur Folge. Die Haushaltssperre wurde am 14. Dezember 2023 zwar wieder aufgehoben. Es ist aber weiterhin nicht geklärt, welche Förderprojekte von der Reduzierung des KTF-Umfangs konkret betroffen sind, und welche Kriterien für den Fortbestand oder Wegfall der Förderung gelten sollen. Die weitere Entwicklung muss abgewartet werden, insbesondere im Hinblick auf die ausstehenden Haushaltsbeschlüsse des Bundestags.

Die inzwischen getroffene politische Entscheidung, weitgehend auf eine weitere Aussetzung der Schuldenbremse zu verzichten, wird unweigerlich zu Kürzungen führen, die auch Förderprogramme betreffen werden. In Ungnade ist bereits die als klimaschädlich charakterisierte Plastikabgabe gefallen, die zukünftig von den Unternehmen als Inverkehrbringern des Plastiks getragen werden soll. 

Mögliche weitere Programme könnten folgen

Nicht auszuschließen ist, dass neben dem KTF auch andere Sondervermögen des Bundes oder der Länder aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf den Prüfstand gestellt werden könnten. Denkbar sind außerdem Auswirkungen auf Förderprogramme, deren Mittel nunmehr für Förderungen eingeplant werden, die ursprünglich aus dem KTF finanziert werden sollten.

Auswirkungen auf bestehende Förderungen sind im Einzelfall zu prüfen

Für Zuwendungsempfänger, denen bereits Fördermittel bewilligt wurden, ist die gute Nachricht, dass sich an ihrer Förderung nichts ändert, sofern sie eine gefestigte Rechtsposition erlangt haben. Ein Rechtsanspruch auf eine Förderung kann sich insbesondere aus einem Zuwendungsbescheid oder einem Fördervertrag ergeben. 

Dabei sind jedoch die konkreten Förderbedingungen im Einzelfall zu beachten. Häufig ermöglichen es Widerrufsvorbehalte im Zuwendungsbescheid dem Zuwendungsgeber, den Zuwendungsbescheid – auch nach Eintritt der Bestandskraft – zu widerrufen. Hinzu kommt, dass die Förderung häufig unter den Vorbehalt der Verfügbarkeit der Haushaltmittel gestellt und nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt wird.

Auch für bereits bestehende Förderungen kann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts daher nachteilige Folgen haben, wobei stets der konkrete Einzelfall zu prüfen ist.

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