Wir arbeiten in den schönsten Bürogebäuden der Stadt. Und auch (fast) alle Gerichtsgebäude, in denen wir unsere Fälle verhandeln, sind die reinste Augenweide. Wir CMS-Anwälte stehen stets auf der schönen Seite des Lebens. Zudem kennen wir nur einen Weg: Den Weg nach oben.
Mitnichten! Diesem Trugbild des Großkanzlei-Anwalts, das auch der CMS-Blog bisweilen vermittelt, muss endlich einmal schonungslos die ganze Wahrheit entgegengehalten werden. Wir verrichten unsere Arbeit zum einen nicht ausschließlich in vornehmen Glaspalästen und Bürogebäuden, die zahlreiche Architekturpreise gewonnen haben. Wir gehen nämlich auch mal dorthin, wo die Ästhetik vielleicht nur die zweite oder dritte Geige spielt.
Anmerkung 1: Damit ist natürlich NICHT unser Stuttgarter „Büro-Schiff″ gemeint. Dieses hat durchaus einen gewissen Charme, der sich dem geneigten Betrachter jedoch bisweilen erst auf den zweiten oder dritten Blick erschließt.
Wir gehen zum anderen auch mal dorthin, wo die Sonne nicht ständig scheint. Wir gehen selbstverständlich überall dorthin, wo uns die Mandatsarbeit hinführt. Und vor einiger Zeit führte dieser Weg eben auch mal ganz nach unten.
In einem Immobilienprojekt war Einsicht in die Bauakten zu nehmen. Schon kurz hinter dem Eingangsportal des Behördenbaus wies der Pfeil unmissverständlich den Weg: Zum Bauaktenarchiv geht es nach unten – in den Keller. Und dort war es dann auch richtig heimelig. Lange Gänge, dicke Metalltüren, ein unentwirrbares Netz von Ver- und Entsorgungsleitungen an den Decken, mit einem Wort: Bunkeratmosphäre.
Anmerkung 2: Taugliche Beweisbilder liegen leider keine vor. Damit sei endlich auch das Gerücht aus der Welt geschafft, das die Serie über Deutschlands Arbeitsgerichte mit ihren tadellosen Bildern regelmäßig schürt: Nein, nicht alle CMS-Anwälte haben stets eine state-of-the-art Kameraausrüstung dabei!
Der wirklich sehr hilfsbereite Behördenmitarbeiter ging voran, es war natürlich das allerletzte Zimmer ganz am Ende des Gangs. Auf die Bemerkung, es sei ja recht frisch hier unten (das war wirklich untertrieben), wurde fachmännisch aufgeklärt: „Dies sind ja auch keine zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmte Räumlichkeiten.″ Es versprach also insgesamt ein Arbeitstag in besonderer Atmosphäre zu werden. Denn das Zielobjekt war nicht klein, und entsprechend groß war auch der an diesem Tag zu sichtende Aktenbestand.
Ein Tisch stand leider nicht zur Verfügung. Immerhin konnten zwei Stühle zusammengeschoben und der eine so als Tisch verwendet werden.
Anmerkung 3: Dies führte dazu, dass der gesamte Tag in leicht gebückter Haltung verbracht werden musste. Insbesondere die Referendare unter den Lesern seien also gewarnt: Der Arbeitsplatz eines CMS-Anwalts genügt nicht immer höchsten ergonomischen Anforderungen.
Aber das alles macht einem echten Großstadtanwalt natürlich nichts aus. Im Gegenteil, wohl nur selten hat man so eine ruhige, um nicht zu sagen totenstille Arbeitsatmosphäre. Im gesamten Keller keine Menschenseele, und natürlich auch kein Handyempfang. Man konnte sich den ganzen Tag voll und ganz auf die Akteneinsicht konzentrieren. Doch plötzlich, was ist das!? Ein Schlüssel im Türschloss, sie werden doch nicht…
…die Türe geht auf und die unbekannte Behördenmitarbeiterin verkündet: „Ach, hier ist ja noch jemand. Jetzt hätte ich Sie beinahe eingeschlossen.″ Dann hätte möglicherweise die ganze Nacht an diesem verlassenen Ort verbracht werden müssen. Ganz unten. Fernab von jeglicher schöner Architektur. Eigentlich kaum auszumalen… Gesegnet sei der Arbeitsplatz – im Büro.