Auf den letzten Metern der Legislaturperiode hat der Gesetzgeber die Reform des Stiftungszivilrechts auf den Weg gebracht. Wir geben einen Überblick.
Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts (Regierungsentwurf vom 21. Februar 2021, BT-Drucks. 19/28173) geht ein kontroverser Reformprozess zu Ende, der vor mehr als sieben Jahren begann.
Die Neuregelungen treten zum 1. Juli 2023 in Kraft.
Vereinheitlichung des Stiftungszivilrechts
Das Zivilrecht der Stiftung bürgerlichen Rechts wird künftig bundeseinheitlich und abschließend im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt sein.
Im Gegenzug werden die bislang divergierenden stiftungszivilrechtlichen Vorschriften der einzelnen Landesstiftungsgesetze obsolet. Die Rechtssicherheit für Stiftungen wird erheblich erhöht.
Stiftungsregister mit (negativer) Publizitätswirkung eingeführt
Zum 1. Januar 2026 wird ein zentrales Stiftungsregister mit (negativer) Publizitätswirkung eingeführt. Bereits bestehende Stiftungen müssen bis zum 31. Dezember 2026 eingetragen sein.
Das Register erlaubt unter anderem den Nachweis über die Vertretungsbefugnis für die Stiftung. Die bislang verwendeten Vertretungsbescheinigungen der Stiftungsbehörden werden hinfällig. Die Situation wird insoweit an die von Handelsgesellschaften und Vereinen angepasst. Die Transparenz über Stiftungen wird erhöht.
Einsehbar ist das Register grundsätzlich für jeden. Die Möglichkeit zur Einsichtnahme des Registers und der zum Register gereichten Dokumente (vor allem der Satzung) kann aber beschränkt werden, wenn berechtigte Interessen (personenbezogene Daten) eines Dritten oder der Stiftung dies rechtfertigen. Das ist insbesondere für Familienstiftungen wichtig.
Klarstellungen zum Stiftungsvermögen mit Erleichterungen im Niedrigzinsumfeld
Das Stiftungsvermögen wird von Gesetzes wegen in dauerhaft zu erhaltendes „Grundstockvermögen″ und „sonstiges Vermögen″ unterteilt.
Das Grundstockvermögen bilden insbesondere das Dotationskapital und Zustiftungen sowie das Vermögen, das zur dauerhaften Erhaltung umgewidmet wird. Das freie Vermögen steht zur Zweckverwirklichung bereit.
Wie das Grundstockvermögen zu erhalten sein muss (gegenständlich/nominal/real), lässt der Gesetzgeber bewusst offen. Maßgeblich bleibt die Einzelfallwürdigung nach Maßgabe des Stifterwillens, der – wie bislang – auch in mutmaßlicher Form ermittelt werden kann.
Eine wesentliche Verbesserung bringt die neu eingeführte Klarstellung zur Verwendung von Umschichtungsgewinnen. Sie können grundsätzlich, insbesondere auch ohne ausdrückliche Satzungsermächtigung, zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden. Damit schafft der Gesetzgeber erhebliche Erleichterungen im Niedrigzinsumfeld insbesondere mit Blick auf Veräußerungsgewinne bei Aktien, Private Equity-Investments und generell für die Vermögensanlage in Sachwerten.
Haftungstatbestand und Sorgfaltsmaßstab für Stiftungsorgane kodifiziert
Das neue Stiftungszivilrecht enthält eine eigenständige Haftungsnorm für Stiftungsorgane und kodifiziert die Business Judgement Rule als Sorgfaltsmaßstab.
Mit der Kodifikation der sogenannten Business Judgement Rule nimmt der Gesetzgeber in das BGB auf, was die Gerichte bereits bislang praktizierten: Ein Stiftungsorgan verhält sich danach nicht pflichtwidrig, wenn es unter Beachtung gesetzlicher und satzungsmäßiger Vorgaben vernünftiger Weise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln.
Eine Erleichterung beim Nachweis fehlenden Verschuldens gibt es wie bisher nur in Form der Beweislastumkehr für ehrenamtliche Organmitglieder.
Erleichterungen für Umwandlung in Verbrauchsstiftungen, Hybridstiftungen anerkannt
Ausdrücklich anerkannt sind zukünftig Teilverbrauchsstiftungen (sogenannte Hybridstiftungen), bei denen ein Teil des Dotationskapitals zu sonstigem, also verbrauchbarem Vermögen bestimmt ist.
Zudem wird die Umwandlung einer Ewigkeits- in eine Verbrauchsstiftung leichter werden. Erforderlich ist, dass eine Stiftung ihren Zweck dauerhaft und nachhaltig nicht mehr erfüllen kann. Insbesondere für notleidende Stiftungen, die von der Niedrigzinsphase gebeutelt sind, dürften sich hier Erleichterungen auftun.
Nach wie vor ist die „Lebensdauer″ einer Verbrauchsstiftung bei Errichtung bereits festzulegen und die Satzung muss Regularien beinhalten, die den Verbrauch auf die festgelegte Zeit sicherstellen. Eine Verbrauchsstiftung soll zukünftig aufzuheben sein, wenn sie zum Zeitablauf noch fortbesteht.
Neue Maßgaben für Strukturänderungen: Auch bestehende Stiftungen sollten Ermächtigungskatalog prüfen
Die Reform schafft zudem bundeseinheitliche Ermächtigungen für Zweck- und weitere Satzungsänderungen. Dasselbe gilt für die Zu- und Zusammenlegung, für die nun endlich eine Gesamtrechtsnachfolge angeordnet wird, und auch für die Auflösung bzw. Aufhebung einer Stiftung.
Die Voraussetzungen für eine Strukturänderung sind in einem nach der Intensität der Änderung abgestuften Ermächtigungskatalog normiert. Sie beginnen bei der „Dienlichkeit für die Zweckverwirklichung″ (für einfache Satzungsänderung) und reichen bis zur „endgültigen Unmöglichkeit dauerhafter und nachhaltiger Zweckerfüllung″ (für die Auflösung oder Aufhebung einer Stiftung).
Der Stifter kann im Stiftungsgeschäft (einschließlich der ersten Satzung) abweichende Voraussetzungen für Satzungsänderungen schaffen und Erleichterungen gegenüber dem gesetzlichen Mechanismus zulassen. Erforderlich ist eine entsprechende Satzungsermächtigung, bei der Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung hinreichend bestimmt festgelegt sind. Pauschale Ermächtigungen sind unzulässig.
Bestehende Stiftungen, die Abweichungen vom künftigen Katalog zu Strukturänderungen anstreben, sollten ihre Satzungen bis zum 1. Juli 2023 anpassen.