Der Entwurf der Bundesregierung zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts folgt mit wichtigen Änderungen dem Referentenentwurf des BMJV. Ein Update.
Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.
Nicht wenigen Stiftungspraktikern kamen zuletzt Bertold Brechts viel zitierte Worte der Enttäuschung in den Sinn: Mit erheblicher Kritik hatte man auf den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts vom 28. September 2020 reagiert, der aus der langjährigen Vorarbeit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht hervorgegangen war.
Am 4. Februar 2021 hatte das Kabinett den Regierungsentwurf vorgelegt. Der Regierungsentwurf (RegE), der Grundlage für den weiteren Gesetzgebungsprozess ist, reagiert in zentralen Punkten auf die Kritik, aber längst nicht in allen. Mittlerweile hat der Bundesrat am 26. März 2021 zum Entwurf Stellung genommen.
Damit ist der Weg frei, dass der Gesetzesentwurf nunmehr im Bundestag behandelt werden kann und anschließend dem Bundesrat nochmals zur Zustimmung vorgelegt wird. Aktuell ist der Gesetzesentwurf bereits an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen und wird dort am 5. Mai 2021 in öffentlicher Sitzung behandelt. Eine Verabschiedung des Gesetzes innerhalb der aktuellen Legislaturperiode ist zu erwarten.
Inhaltlich merkt der Bundesrat in seiner Stellungnahme im Wesentlichen folgende Punkte an:
- Zur Form des Stiftungsgeschäfts soll unmissverständlich klargestellt werden, dass grundsätzlich die Schriftform genügt.
- Zum Inhalt des Stiftungsverzeichnisses werden Ergänzungen angeregt, insbesondere der Stiftungszweck soll Registerinhalt werden.
- Die Beschränkung der Einsichtnahme in das Stiftungsregister soll auf die eingereichten Dokumente erstreckt werden; ein öffentliches Interesse an der Einsichtnahme insbesondere in Stiftungsgeschäft und Stiftungssatzung bestünde grundsätzlich nicht.
- Es wird eine Lösung angeregt, wodurch Stiftungen an einer zentralen Stelle ihre Meldungen sowohl an das Stiftungsregister als auch an das Transparenzregister tätigen können und nicht zwei oder drei Register nebeneinander pflegen müssen.
- Es wird ein vereinfachtes Verfahren zur Einsichtnahme in rudimentäre Stiftungsinformationen angeregt.
Wir erachten die vom Bundesrat angemerkten Punkte für zweckmäßig und gehen davon aus, dass diese im weiteren Gesetzgebungsprozess Berücksichtigung finden werden. Im nächsten Schritt steht nun die Behandlung im Bundestag an.
Vereinheitlichung und Stiftungsregister als Kernanliegen der Reform
Der Gesetzesentwurf sieht umfassende Änderungen des deutschen Stiftungsrechts vor. Zentrale Anliegen sind
- die Vereinheitlichung des Stiftungszivilrechts auf Bundesebene im BGB und
- die Einführung eines zentralen Stiftungsregisters mit (negativer) Publizitätswirkung.
Daneben sind folgende geplante Neuregelungen von zentraler Bedeutung:
- die Einführung einer eigenständigen Haftungsnorm für Stiftungsorgane und Kodifizierung der Business Judgement Rule als Sorgfaltsmaßstab,
- neue Regelungen zum Stiftungsvermögen und Vorgaben zu seiner Verwaltung,
- neue Regelungen zur Verbrauchstiftung und zur Teilverbrauchstiftung,
- die Kodifizierung eines umfassenden Ermächtigungskatalogs zu Strukturmaßnahmen, also zur Vornahme von Satzungs- und Zweckänderungen, zur Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung, zur Zu- und Zusammenlegung mit anderen Stiftungen sowie zur Auflösung einer Stiftung.
Stiftungsregister ohne Meldefiktion und mit beschränkter Einsichtnahme
Mit der Einführung eines Stiftungsregisters nimmt der Gesetzgeber eine lange schon erhobene Forderung aus Wissenschaft und Praxis auf. Bisher gibt es nur Stiftungsverzeichnisse, die bei den jeweiligen Landesstiftungsbehörden geführt wurden. Ein Nachweis der Vertretungsmacht konnte nur über sogenannte Vertretungsbescheinigungen erbracht werden. Die rechtlichen Wirkungen eines förmlichen Registers, wie etwa das Handels- oder Vereinsregister, gab es für Stiftungen bislang nicht.
Gegenüber dem Referentenentwurf bringt der Regierungsentwurf wichtige Änderungen auch für das Stiftungsregister mit sich. Zum einen wird das Register, anders als zuvor vorgesehen, ohne Meldefiktionswirkung zum Transparenzregister bleiben. Die Gründe dafür liegen allerdings nicht beim Stiftungsregister, sondern in einer geplanten Änderung des Geldwäschegesetzes: Danach soll das Transparenzregister seinerseits zu einem Vollregister erstarken. Meldefiktionen anderer Register soll es nicht mehr geben. Auch für Stiftungen dürfte das die Last mit sich bringen, in beiden Registern Eintragungen zu veranlassen.
Stiftungen werden auch in Zukunft den umfangreichen Meldepflichten an das elektronische Transparenzregister entsprechen müssen. Bei Verstößen drohen empfindliche Bußgelder. Es bleibt abzuwarten, ob der Anregung des Bundesrats gefolgt wird, die Eintragungen in beide Register über eine zentrale Stelle zu ermöglichen.
Gegenüber dem Referentenentwurf ist zudem neu, dass die beim Stiftungsregister eingereichten Dokumente nicht jedem Interessierten uneingeschränkt zugänglich zu machen sind, soweit berechtigte Interessen betroffener Personen oder der Stiftung entgegenstehen. Vor allem für Familienstiftungen dürfte diese Änderung wichtig sein. So dürften etwa die personenbezogenen Daten von Destinatären oder sensible Bereiche der Stiftungssatzung mutmaßlich der Ausnahmeregelung unterfallen.
Insoweit ist zu begrüßen, dass der Bundesrat bereits angemerkt hat, dass auch die Stiftungsurkunden einer Beschränkung der Einsichtnahme unterliegen sollten und im Grundsatz kein öffentliches Interesse an einer Einsichtnahme in das Stiftungsgeschäft und die Stiftungssatzung besteht.
Keine Satzungsstrenge, aber die Errichtungssatzung bleibt besonders bedeutsam
Bei den Regelungen zur Errichtung der Stiftung und zur Berücksichtigung des Stifterwillens nimmt der Regierungsentwurf wichtige Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf vor. Die Kritik aus der Stiftungspraxis hat insoweit Gehör gefunden.
Gestrichen wurden der viel kritisierte § 83 Abs. 2 BGB-Referentenentwurf, wonach eine Satzungsgestaltung, die von den gesetzlichen Vorgaben der §§ 80 ff. BGB abweicht, nur dann möglich sein sollte, wenn diese Abweichung im Gesetz ausdrücklich zugelassen ist (Satzungsstrenge). Eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende Satzungsgestaltung wird daher auch zukünftig im Grundsatz zulässig sein.
In diesem Kontext wird auch unter dem Regierungsentwurf der sogenannten „Errichtungssatzung″ besondere Bedeutung zukommen. Dies ist die Satzung, die die Stiftung bei Errichtung erhält. An verschiedenen Stellen lässt auch der Regierungsentwurf eine Abweichung von den gesetzlichen Regelungen nur durch die Errichtungssatzung zu: Nur in der Errichtungssatzung kann ein Teil des Stiftungsvermögens als „sonstiges Vermögen″ dem Verbrauch geöffnet werden. Nur in der Errichtungssatzung kann der Stifter eine Haftungsprivilegierung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vorsehen und nur in der Errichtungssatzung kann der Stifter reduzierte Anforderungen für eine Strukturänderung vorsehen.
Bestehende Stiftungen sollten daher prüfen, ob Satzungsanpassungen in diesem Bereich relevant sind und diese noch vor Inkrafttreten der Reform umsetzen. Dabei sollte entsprechende Vorlaufzeit eingeplant werden. In der Errichtung befindliche Stiftungen sollten auch in diesem Bereich mit Weitblick gestaltet werden.
Regierungsentwurf berücksichtigt den mutmaßlichen Stifterwille
Der Regierungsentwurf folgt – wieder – dem Grundsatz der „Satzungsautonomie″, nach dem auch der Wille des Stifters als Richtschnur herangezogen werden kann, der nicht in den Satzungstext inkorporiert ist, aber bei der Errichtung der Stiftung zu Grunde lag (mutmaßlicher Stifterwille).
Der Referentenentwurf hatte den mutmaßlichen Willen ausgeklammert und nur auf den ausdrücklichen (historischen) Stifterwillen abgestellt. Die Anerkennung auch des mutmaßlichen Willens als Auslegungsmaßstab ist insbesondere für Strukturmaßnahmen wichtig. Eine Stiftung kann auch weiterhin umgewandelt oder aufgelöst werden, und ihre Satzung kann auch weiterhin geändert werden, die sich die Parameter dazu aus dem nur mutmaßlichen Willen des Stifters ermitteln lassen. Das ist nicht selten der Fall.
Eine Klarstellung sieht § 81 Abs. 3 BGB-RegE vor, wonach für das Stiftungsgeschäft stets die Schriftform genügt, und zwar auch dann, wenn eine Immobilie oder GmbH-Geschäftsanteile zum Dotationskapital der Stiftung gehören. Die jüngste Rechtsprechung der Oberlandesgerichte hatte in diesen Fällen noch die notarielle Form für erforderlich erachtet. Allerdings: Der Gesetzeswortlaut ist an dieser Stelle missverständlich formuliert. Er lässt sich nur aus der Zusammenschau mit der Entwurfsbegründung erschließen.
Verbrauchsstiftung
Der Regierungsentwurf folgt dem Referentenentwurf in der expliziten Unterscheidung zwischen Dauerstiftung und Verbrauchsstiftung und in der (impliziten) Anerkennung der Teilverbrauchsstiftung (Hybridstiftung).
Auch wird die Legaldefinition des Referentenentwurfs letztlich übernommen, wonach eine Verbrauchsstiftung auf eine bestimmte Zeit errichtet werden muss, innerhalb der das gesamte Stiftungsvermögen zu verbrauchen ist. Entsprechende Satzungsanforderungen zu den Vorgaben über den Verbrauch des Stiftungsvermögens werden normiert. Gleiches gilt für die Verpflichtung, die Verbrauchsstiftung aufzulösen, wenn ihre Zeit abgelaufen ist, §§ 87 Abs. 2, 87a Nr. 1 BGB-RE.
Zusammensetzung des Vermögens und Vermögensverwaltung
Der Regierungsentwurf behält die Unterteilung des Referentenentwurfs zwischen „Grundstockvermögen″ und „sonstigem Vermögen″ bei.
Grundstockvermögen ist das dauerhaft der Stiftung zugewandte und zu erhaltende Vermögen (Dotationskapital und Zustiftungen) sowie das Vermögen, das man zu dauerhaftem Vermögen umwidmet. Das freie Vermögen steht hingegen zur Zweckverwirklichung bereit.
Der Referentenentwurf enthielt eine heftig kritisierte Regelung zu Umschichtungsgewinnen, die sich im aktuellen Reformentwurf nicht mehr findet. Nach der Vorgängerversion sollten Umschichtungsgewinne grundsätzlich dem Grundstockvermögen zugeführt werden, wenn nicht die Satzung es anders bestimmte. In der Praxis ist das so gut wie nie der Fall.
Dieser Passus zum sogenannten „Surrogationsgedanken″ ist im Regierungsentwurf gestrichen. Aus der bewussten Streichung wird man die Abkehr vom allgemeinen Surrogationsgedanken erblicken können. Eine Klarstellung in umgekehrter Richtung findet sich allerdings nicht.
Eine klarstellende Regelung über den Umgang mit Umschichtungsgewinnen in der Stiftungssatzung schafft Klarheit. Bei Neuerrichtungen sollte hierauf geachtet werden. Bestandsstiftungen sollten eine klarstellende Satzungsanpassung erwägen.
Keine ausdrückliche Regelung findet sich dazu, wie das Grundstockvermögen zu erhalten sein muss: Ob sachlich/gegenständlich, nominal oder real, also einschließlich Inflationsausgleich, lässt auch der Regierungsentwurf offen. Die Gesetzesbegründung weist hier auf eine Einzelfallwürdigung nach Maßgabe des Stifterwillens hin. So ist auch die bisherige Handhabung. Um Unklarheiten zu vermeiden, muss weiterhin die Stiftungssatzung Abhilfe schaffen.
Erstmals behandelt der Entwurf dem Umgang mit Restitutionsansprüchen, und zwar dahin gehend, dass die Erfüllung von berechtigten Restitutionsansprüchen (Rückführung von durch Raub erlangten Kulturgütern) nicht gegen das Gebot der Vermögenserhaltung verstößt. Vor allem für Kunst- und Kulturstiftungen ist das von Bedeutung.
Business Judgement Rule wird kodifiziert, aber ohne eigene Beweislastverteilung
Der Regierungsentwurf folgt dem Referentenentwurf bei der Kodifikation der Business Judgement Rule, also bei der Anerkennung von Einschätzungsprärogativen für zukunftsgerichtete Entscheidungen: Ein Stiftungsorgan verhält sich nicht danach nicht pflichtwidrig, wenn es unter Beachtung gesetzlicher und satzungsmäßiger Vorgaben vernünftiger Weise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln.
Den Nachweis des Verschuldens für die Haftung der Stiftung gegenüber hatte der Referentenentwurf noch der Stiftung überantwortet. Hiervon rückt der Regierungsentwurf nun ab: Es greift die allgemeine zivilrechtliche Beweislastverteilung. Das Verschulden wird vermutet, und ein Organmitglied muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, weder vorsätzlich noch fahrlässig einen Pflichtenverstoß begangen zu haben. Etwas anderes gilt über §§ 86, 31a Abs. 1 S. 3 BGB für ehrenamtliche Organmitglieder.
Eine satzungsmäßige Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit soll weiterhin nur in der Errichtungssatzung durch den Stifter selbst vorgesehen werden können. Auf den mutmaßlichen Stifterwillen soll es insoweit nicht ankommen können (Bereichsausnahme).
Satzungs- und Grundlagenänderungen
Im Bereich der Satzungs- und Grundlagenänderungen übernimmt der Referentenentwurf im Wesentlichen den gestuften Ermächtigungskatalog des Referentenentwurfs. Veränderungen gibt es nur zur Klarstellung der Regelungstechnik.
Die §§ 85 ff. BGB-RegE sehen einheitliche Regelungen über die Voraussetzungen und den Ablauf von einfachen und wesentlichen Satzungsänderungen, Zweckänderungen, die Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung, die Zulegung und Zusammenlegung sowie die Auflösung der Stiftung vor. Für Stiftungen, deren Satzungen in diesen Punkten keine oder nur rudimentäre Regelungen enthalten, bringt der Text eine erhebliche Flexibilisierung und Möglichkeiten zu Anpassungen mit sich.
Die gesetzlichen Ermächtigungsvoraussetzungen sind weiterhin nach der Intensität der einzelnen Maßnahme gestuft und sollen zukünftig für den Stifter nur zum Teil und nur in der Errichtungssatzung dispositiv sein. Zu den Strukturmaßnahmen bleiben primär die Stiftungsorgane ermächtigt. Den Stiftungsbehörden bleibt weiterhin nur die subsidiäre Kompetenz.
Nicht mehr als prägend sieht der Regierungsentwurf die satzungsmäßigen Bestimmungen zur Zusammensetzung und zu den Aufgaben der Stiftungsorgane an. Sie können also unter erleichterten Voraussetzungen und ohne Vorgaben der Errichtungssatzung geändert werden.
Verabschiedung des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts bis September 2021 geplant
Es ist davon auszugehen, dass das Gesetzgebungsverfahren in der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen sein wird. Die Änderungen sollen überwiegend zum 1. Juli 2022 in Kraft treten.
Zum 1. Januar 2026 soll das Stiftungsregister zur Verfügung stehen.
Satzungen sollten überprüft und Satzungsänderungen ggf. vorgezogen werden – bei Neuerrichtungen muss die Reform bereits berücksichtigt werden
Der Regierungsentwurf merzt wichtige Schwachpunkte des Referentenentwurfs aus. Unabhängig davon bringt die Reform erhebliche Veränderungen mit sich, die bestehende und in der Errichtung befindliche Stiftungen beachten sollten.
Für bestehende Stiftungen kann die Reform erweiterte Möglichkeiten zu Grundlagenänderungen, vor allem zu Zweckänderungen, zur Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung oder für die Zu- und Zusammenlegung eröffnen. Letztere sind vor allem für kleine Stiftungen im Niedrigzinsumfeld von Belang, bisher aber häufig wegen fehlender Ermächtigung in der Satzung gesperrt. Hier kann die Reform Handlungsspielräume eröffnen.
Bestehende Stiftungen sollten zugleich vor Augen haben, dass in manchen Bereichen eine Änderung nach der Reform umgekehrt nicht mehr möglich sein wird, weil die Disposition über die gesetzlichen Regelungen nur noch dem Stifter in der Errichtungssatzung offenstehen soll. Den Ruf der Praxis, den Status bestehender Stiftung im Übergangsrecht „einzufrieren″, hat der Regierungsentwurf nicht erhört. Hier besteht also Bedarf, etwaige Satzungs- und Strukturänderungen vorzuziehen.
Stiftungen in der Errichtung müssen die kommende Reform bei der Satzungsgestaltung dringend beachten.