Digitaler Nachlass: Mit dem Update iOS 15.2 führt Apple das digitale Vererben ein. Jedoch betrifft dies bislang nur die Online-Inhalte aus der iCloud.
Der digitale Nachlass war lange Zeit ein großes rechtliches Streitthema. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seiner Facebook-Entscheidung vom 12. Juli 2018 (BGH III ZR 183/17) klargestellt, dass auch ein Facebook-Account vererbbar ist und der Erbe* Zugang zu dem Account des Verstorbenen erhalten muss. Nach Auffassung des BGH ist der digitale Nachlass dem analogen Nachlass praktisch gleichgestellt.
Urteil des BGH zur Vererbbarkeit digitaler Accounts nicht ausreichend praktikabel
Die Auffassung des BGH ist richtig, löst aber die praktischen Probleme kaum. Bereits in der alten analogen Welt war und ist es aufwendig, nach dem Tod einer Person deren Nachlass abzuwickeln. Selbst wenn der Erbe schnell feststeht, muss sich dieser zunächst als Erbe auch legitimieren können. In einer globalen Welt sind das anzuwendende Erbrecht, die Formwirksamkeit von Testamenten und das Verfahren zur Anerkennung als Erbe von Land zu Land sehr unterschiedlich geregelt.
Unser Leben digitalisiert sich immer mehr. Relevante Daten, Inhalte und Informationen sowie immer häufiger auch Vermögenswerte haben wir nicht in unterschiedlichen Schubladen zu Hause, sondern in unterschiedlichen digitalen Formaten und bei unterschiedlichen Anbietern. Wie findet derjenige, der es auch herausfinden soll, Informationen, wo der Verstorbene Accounts hatte?
Dies erhöht einerseits die Komplexität für das Nachlassmanagement und andererseits führt es zu dem ganz praktischen Problem des Zugangs zu diesen digitalen Daten: Viele digitale Anbieter erstellen ihre eigenen Regelungen für den Zugang zu den Daten des Verstorbenen – unabhängig, ob dies mit dem jeweiligen Recht konform ist oder nicht. Das letztgenannte Thema löst Apple nun auf seine Weise mit dem Apple-ID-Nachlasskontakt.
Die Apple Lösung: Nachlasskontakt in Apple-ID
Apple bietet mit dem Update iOS 15.2 (iPadOS 15.2 und macOS 12.1) die Regelung des digitalen Nachlasses an. Der Apple-ID kann ein Nachlasskontakt hinzugefügt werden.
Mit der Funktion des digitalen Nachlasses erhält die Person, die als Nachlasskontakt hinterlegt wird, nach dem Tod des Nutzers den Zugang zu den Apple-ID-Daten und somit zum digitalen Nachlass, der in der iCloud von Apple gespeichert ist. Dies sind meistens E-Mails, Kurznachrichten, Fotos, Notizen etc. Apple stellt dar, auf welche Daten der Nachlasskontakt zugreifen kann:
- iCloud-Fotos
- Notizen
- Kontakte
- Kalender
- Erinnerungen
- Nachrichten in iCloud
- Anrufverlauf
- in iCloud Drive gespeicherte Dateien
- Gesundheitsdaten
- Sprachmemos
- Safari-Lesezeichen und -Leseliste
- iCloud-Backup
Der Nachlasskontakt kann jedoch auf etliche andere Daten nicht zugreifen. Hierzu zählen insbesondere Daten, die bei Drittanbietern gespeichert sind, wie Filme, Musik etc., aber auch lokal auf dem Gerät gespeicherte Daten. Apple stellt mithin weiter dar, auf welche Daten der Nachlasskontakt nicht zugreifen kann:
- lizenzierte Medien, z.B. Filme, Musik und Bücher, die der Accountinhaber gekauft hat;
- In-App-Käufe, z.B. Upgrades, Abonnements, Spielwährung oder andere Inhalte, die innerhalb einer App gekauft wurden;
- Zahlungsdaten, z.B. Apple-ID-Zahlungsinformationen oder Karten, die zur Verwendung mit Apple Pay gesichert wurden;
- Informationen, die im Schlüsselbund des Accountinhabers gespeichert sind, z.B. Safari-Benutzernamen und -passwörter, Internetaccounts (verwendet in Mail, Kontakte, Kalender und Nachrichten), Kreditkartennummern und Ablaufdaten sowie WLAN-Passwörter.
Nach dem Tod des Nutzers kann die als Nachlasskontakt hinterlegte Person bei Apple bspw. online den Zugriff auf die Daten anfordern. Hierzu benötigt sie (i) den Zugriffsschlüssel und (ii) die Sterbeurkunde des Nutzers. Der Zugriffsschlüssel wird generiert, wenn der Nutzer die Person als Nachlasskontakt hinzufügt. Anschließend kann der Nutzer den Zugriffsschlüssel an die Kontaktperson versenden.
Digitaler Nachlass ist ein Trendthema
Apple folgt damit einem Trend. Zum einen bieten mittlerweile Banken, Versicherungen etc. die Regelung des sog. digitalen Nachlasses an. Zum anderen beginnt dieser Markt generell zu boomen.
Die Regelung von Apple zeigt das aktuelle Problem auf: Der Anbieter kann der festgelegten Kontaktperson nur Zugang zu dem bei ihm hinterlegten Account und den online verfügbaren Daten gewähren. Sämtliche Daten, die nicht dem Zugriff des Anbieters unterliegen, kann er der Kontaktperson nicht vermitteln. Darüber hinaus kann er weder das Eigentum an Gegenständen, bspw. an dem Pkw des Verstorbenen, vermitteln noch den Zugriff auf das Guthaben auf einem Bankkonto, die Kryptowährung oder die Token des Verstorbenen gewähren.
Einige Anbieter suggerieren, dass sie die Zuweisung von Vermögenswerten an den sog. digitalen Erben ermöglichen würden. Dies ist nicht der Fall. Grundsätzlich wird nur der Erbe oder der Vermächtnisnehmer letztlich Eigentümer eines Vermögenswertes nach dem Todesfall. Werden Zugangsdaten zu Drittanbietern, bspw. der Online-Zugang zu einem Bankkonto, an einen sog. digitalen Erben vermittelt, stellt dies lediglich die Möglichkeit des Zugriffs dar. Rechtlich wird dadurch kein Eigentum vermittelt. Hierzu wird in Deutschland noch immer ein Testament oder eine sog. lebzeitige Verfügung auf den Todesfall benötigt (bspw. Schenkung auf den Todesfall; Übertragung aufschiebend bedingt auf den Todesfall).
Aktuell bieten heute schon Family-Offices oder Anwaltskanzleien wie CMS ihren Kunden an, die wesentlichen Informationen und Dokumente sicher digital zu verwahren, die digitale und analoge Welt rechtssicher zu verknüpfen und sie bei dem anschließenden Nachlassmanagement zu unterstützen. Die vollständige Verknüpfung dieses digitalen Dokumentenmanagements mit den weiteren vorhandenen Anbietern, wie Banken, Krankenkassen, Hausverwaltungen, Versicherungen etc., und die vorgenannte rechtssichere Verknüpfung zur analogen Welt des Erben und Vermächtnisnehmers würden die Gesamtlösung des digitalen Nachlasses darstellen. Es ist zu vermuten, dass diese Schnittstellenfunktion per App jedermann bald angeboten wird.
Das aktuelle Update von Apple ist daher nur ein kleiner Schritt. Apple stellt dem Nutzer lediglich eine technische Einrichtung zur Verfügung, damit die vom Nutzer benannte Kontaktperson zügig auf die Online-Daten des Verstorbenen bei Apple zugreifen kann. Bei Apple liegt jedoch die Vermutung nahe, dass möglicherweise demnächst das bekannte „one more thing“-Phänomen eintritt und Apple eine echte digitale Nachlassregelung anbietet.
Umfassende Nachlassverwaltung in App wünschenswert
Es bleibt damit spannend, ob Apple mit der Regelung des digitalen Nachlasses lediglich eine erste Lösung des Praxisproblems für den eigenen Apple-Account eingeführt hat. Es ist davon auszugehen, dass entweder Apple oder ein anderer Anbieter in nicht ferner Zeit eine umfassende Lösung für die digitale Nachlassverwaltung per App anbieten wird.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.