In zwei aktuellen Urteilen haben die Instanzgerichte Käufern von Kunst – in Abweichung der bisherigen Rechtsprechung und in unterschiedlichen Konstellationen – die Möglichkeit eingeräumt, Auktionskäufe rückabzuwickeln. Sollten diese Urteile in Rechtskraft erwachsen, so hätte der Sammler, der Kunst in Auktionen kauft, weitergehende Rechte. Den Handel würden dagegen erweiterte Pflichten treffen.
OLG München: Haftungsausschluss in AGB nur bei „Haftungsbrücke“ wirksam
Das Urteil des OLG München vom 26. Juni 2012 (5 U 2038/11) besagt, dass eine die Gewährleistungshaftung des Kunstauktionators mit der Maßgabe ausschließende Klausel, dass das Auktionshaus ihm vom Käufer binnen Jahresfrist nachgewiesene begründete Mängelrügen dem Einlieferer gegenüber geltend macht unwirksam ist, wenn die Klausel nicht zugleich vorsieht, dass das Auktionshaus das vom Einlieferer aufgrund des Mangels Erlangte an den Versteigerungserwerber auszukehren hat. Dadurch wird eine weitere Facette des Kunstauktions-Rechts beleuchtet, die der BGH in seinem Grundsatzurteil zur Haftung von Kunstauktionatoren aus dem Jahr 1980 offen gelassen hat (BGH NJW 1980, 1619 – Bodensee Kunstauktion). Das Urteil von 1980 besagt, dass ein Kunstauktionshaus nicht für die Unechtheit eines Bildes, das es für einen Einlieferer in Kommission versteigert hatte, haftet, es sei denn ihm ist aufgrund unsorgfältiger Recherche Fahrlässigkeit vorzuwerfen. In diesem Fall greift der Haftungsausschluss nicht. Auf die Abtretung etwaiger Ansprüche des Auktionators gegen den Eilieferer kam es dem BGH seinerzeit nicht an. Anders nun das OLG München: Genau diese „Haftungsbrücke“ wird in dem aktuellen Urteil als Voraussetzung für die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses durch das Auktionshaus gegenüber dem Versteigerer gefordert. Begründet wird dies mit einem Wandel bei der Bewertung und Gewichtung der Verbraucherrechte und des Verbraucherschutzes. Die Revision ist derzeit beim BGH (VIII ZR 224/12) anhängig.
LG Köln: Fahrlässigkeit wegen Unterlassens eines naturwissenschaftlichen Gutachtens
In dem kürzlich vom LG Köln (2 O 457/08) verkündeten Urteil, ging es um die Rückabwicklung des Kaufes eines angeblichen Campendonk, der sich als Werk des durch die Medien bekannt gewordenen Fälschers Beltracchi entpuppte. Die Kölner Richter erlegten einem namhafte deutschen Auktionshaus die Pflicht auf, einen Kauf rückabzuwickeln und den Käufer schadlos zu halten.
Die Klägerin hatte wirksam die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung über die Echtheit des Bildes erklärt. Diese Täuschungshandlung war nicht durch das Auktionshaus selbst, sondern durch die Einlieferin, die Schwägerin des Fälschers ausgeübt worden: Diese hatte bei der Einlieferung dem Auktionshaus gegenüber unwahre Angaben gemacht, die in den Auktionskatalog übernommen wurden. Trotz der Gutgläubigkeit des beklagten Auktionshauses liege eine arglistige Täuschung vor, urteilte das LG Köln, weil in der konkreten Situation auf die Kenntnisse der Einlieferin abzustellen war.
Weiter führte das Gericht aus, dass das Auktionshaus eine vorvertragliche Pflichtverletzung dadurch begangen habe, dass es im Auktionskatalog die Zuschreibung des Bildes ohne hinreiche Grundlage vorgenommen habe. Hierfür sei insbesondere eine naturwissenschaftliche Untersuchung erforderlich gewesen. Eine solches, vom Käufer nach der Auktion beauftragtes Gutachten hatte später die Fälschung anhand des Farbpigments Titanweiß, das von Campendonk nicht verwendet worden sein kann, bewiesen. Das Einholen einer naturwissenschaftlichen Expertise, so das Gericht, sei zwar nicht stets erforderlich, zumal es mit einem den Wert des Werks schmälernden Substanzeingriff verbunden sein kann, doch wäre sie in diesem Fall geboten gewesen, da es sich bei dem Gemälde als Original um einen Rekordfund gehandelt hätte. Ein „ordentlicher Auktionator“, so das Gericht, hätte entweder die Zuschreibung zu Campendonk durch die üblichen Zusätze wie „nach kunsthistorischer Analyse handelt es sich um ein Gemälde Heinrich Campendonks“ relativieren oder eine sichere Zuschreibung auf ein derartiges Gutachten stützen müssen.
Die Berufung ist derzeit beim OLG Köln (19 U 160/12) anhängig.
Auswirkungen für die Praxis:
Es bleibt bei dem vom BGH entwickelten Grundsatz, dass sich der Versteigerer auf Haftungsausschlüsse nicht berufen kann, wenn er fahrlässig gehandelt hat.
Was hierunter zu verstehen ist, könnte sich, sollte das Urteil des LG Köln rechtskräftig werden, zu Gunsten der Käufer von Kunst ändern. Den Handel könnten also künftig weit höhere Sorgfaltspflichten treffen. Naturwissenschaftliche Untersuchungen von Werken könnten ab einem bestimmten Schätzwert zum Standard werden. Auch dürfte der Handel Vorsicht walten lassen und zum einen die Angaben des Einlieferers künftig genauer überprüfen und mit „sicheren“ Zuschreibungen künftig zurückhaltend sein.
Das OLG München stellt zudem die zusätzliche Voraussetzung auf, dass eine Haftungsbrücke zum Ersteigerer geschaffen werden muss, damit der Haftungsausschluss des Auktionshauses wirksam ist. Sollte dieses Urteil rechtskräftig werden, steht der Käufer in Fällen, in denen eine solche Haftungsbrücke nicht gegeben ist, künftig besser da.
Der dem Urteil des LG Köln zugrunde liegende Fälschungsskandal zeigt aber in jedem Fall, dass Käufer von Kunst beim Kauf genau hinsehen sollten und sich auf Katalogbeschreibungen nicht verlassen sollten. Eine fachkundige, unabhängige Beratung, losgelöst von wirtschaftlichen Interessen, ist bei höherwertigen Werken besonders angezeigt.