Moratorium zur Novelle der Bauordnung NRW beschlossen. Das Inkrafttreten wurde um ein Jahr verschoben; bis dahin will der Gesetzgeber Anpassungen prüfen.
Vor knapp einem Jahr wurde die Novelle der Bauordnung NRW verkündet. Es handelt sich um die umfangreichste Reform seit dem Jahr 2000. Beabsichtigt wird unter anderem eine Angleichung an die Musterbauordnung.
Die Vorschriften zu Bauarten und Bauprodukten gelten bereits seit dem 28. Juni 2017. Der Großteil der weiteren Vorschriften sollte eigentlich Ende 2017 in Kraft treten. Aufgrund erheblicher Kritik der Verbände hat der dieses Jahr neu gewählte Landtag am 20. Dezember 2017 ein Moratorium beschlossen und das Inkrafttreten der Vorschriften verschoben. Damit hat sich der Landtag weitere Bedenkzeit verschafft. Diese könnte er nun nutzen, um Vereinbarungen der Regierungsparteien im Koalitionsvertrag umzusetzen.
Vom Moratorium betroffene Vorschriften
Es sind unter anderem die folgenden Vorschriften von dem Moratorium betroffen:
- Barrierefreiheit
- Die Baurechtsnovelle sieht eine Ausweitung der Vorschriften zur Barrierefreiheit vor. Öffentlich zugängliche Gebäude müssen insgesamt barrierefrei sein und nicht – wie bislang – nur in den dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen. Auch bei Wohnungen ist eine Verschärfung vorgesehen. Hierfür wird unterschieden zwischen (allgemein) barrierefreien Wohnungen und – insoweit neu – solchen Wohnungen, die zusätzlich rollstuhlgerecht sein müssen. Für rollstuhlgerechte Wohnungen sind zudem feste Quoten vorgesehen. In Gebäuden mit mehr als sechs Wohnungen muss eine und in Gebäuden mit mehr als 15 Wohnungen müssen zwei Wohnungen uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein.
- Brandschutz
- Die bisherige Einteilung von Gebäuden in solche geringer Höhe, mittlerer Höhe und Hochhäuser wird aufgegeben. Stattdessen wird die Gliederung in fünf Gebäudeklassen und eine zusätzliche Stufe der Feuerwiderstandsfähigkeit („hochfeuerhemmend“) aus der Musterbauordnung übernommen. Dies dürfte in vielen Fällen zu erhöhten Brandschutzanforderungen führen.
- Stellplätze
- Über die erforderlichen Stellplätze und Fahrradabstellplätze sollen künftig die Kommunen selbst bestimmen. Sie werden zum Erlass von Stellplatzsatzungen ermächtigt.
- Verfahren
- Das Freistellungsverfahren, das sich nach Ansicht des Gesetzgebers in der Praxis nicht bewährt hat, soll nach der Novelle entfallen. Vorbescheide sollen künftig – ebenso wie Baugenehmigungen – drei Jahre statt wie bisher zwei Jahre lang gültig sein. Das gemeindliche Einvernehmen kann künftig durch die Bauaufsichtsbehörde ersetzt werden.
Kostensteigerungen befürchtet
Im Zentrum der Kritik stehen befürchtete Kostensteigerungen. Insbesondere mit den neuen Anforderungen an die Barrierefreiheit gingen erhöhte Baukosten einher. Hiervon sei nicht nur die Immobilienbranche betroffen. Auch mit höheren Mieten sei zu rechnen. Zwar stellen auch die kritischen Stimmen nicht in Frage, dass mehr barrierefreie Wohnungen benötigt werden. Eine konkrete Bedarfsermittlung sei hier aber zielführender als die in der Gesetzesnovelle vorgesehenen starren Quoten.
Ebenfalls als kostensteigernd wird die Ermächtigung der Kommunen zum Erlass von Stellplatzsatzungen kritisiert. Sollte die Errichtung der notwendigen Stellplätze nicht möglich sein, können die Gemeinden künftig die Zahlung eines Geldbetrages verlangen. Es wird befürchtet, dass die Gemeinden dies als zusätzliche Einnahmequelle nutzen werden. Ganz neu ist die Regelung allerdings nicht. Denn bislang stand die Befreiung von der Stellplatzpflicht gegen Zahlung eines Geldbetrages im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde.
Inkrafttreten verschoben: Gesetzgeber gibt sich ein weiteres Jahr Bedenkzeit
Die Einwände der Kritiker hatten zumindest teilweise Erfolg: Mit dem am 20. Dezember 2017 verabschiedeten Moratorium hat der Gesetzgeber beschlossen, das Inkrafttreten der weiteren Teile der Baurechtsnovelle um ein Jahr zu verschieben. Die Landesregierung beabsichtigt, einzelne Vorschriften des Gesetzes vor dem Inkrafttreten zum 01. Januar 2019 zu überarbeiten. Die Verkündung des Moratoriums soll umgehend erfolgen.
Welche Änderungen der Bauordnung zu erwarten sind
Welche Änderungen der Gesetzgeber beabsichtigt, lässt die Gesetzesbegründung zum Moratorium offen. Geplant sind aber offenbar umfangreiche Anpassungen. Die Landesregierung will den Bau neuer Wohnungen vereinfachen und plant hierfür eine Überarbeitung der Regelungen zu Barrierefreiheit und Stellplätzen. Vorgeschlagen wurden auch verbindliche Bearbeitungsfristen für Bauanträge, um Baugenehmigungsverfahren zu beschleunigen. Außerdem könnte das Freistellungsverfahren nun doch beibehalten werden. Hierauf hatten sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag geeinigt.
Die Anpassungen könnten bereits im ersten Halbjahr 2018 feststehen. Bis zum Sommer soll nach der derzeitigen Planung die Reform der Reform beschlossen sein.
Sonstiger Anpassungsbedarf
Neben den Änderungen der bereits verabschiedeten Novelle besteht weiterer Anpassungsbedarf:
Ausstehend ist die Anpassung an das störfallrechtliche Abstandsgebot. Danach ist zwischen Anlagen, in denen erhebliche Mengen gefährlicher Stoffe vorhanden sind, und schutzwürdigen Nutzungen ein ausreichender Sicherheitsabstand einzuhalten. Ein Anpassungsbedarf an die EU-Vorgaben wurde im Zuge der Mücksch-Rechtsprechung festgestellt. Sofern die erforderlichen Abstände nicht bereits im Bebauungsplanverfahren betrachtet wurden, ist hierüber auf der Ebene der Einzelgenehmigung zu entscheiden.
Die im Immissionsschutzrecht erforderlichen Anpassungen wurden durch den Bundesgesetzgeber in der Zwischenzeit umgesetzt. Die erforderlichen Anpassungen der Landesbauordnung sind bisher lediglich in Sachsen, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen erfolgt. Eine Anpassung der Bauordnung NRW, die ursprünglich im Zuge der Baurechtsnovelle erfolgen sollte, wurde aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt noch unklaren Gesetzeslage auf Bundesebene zunächst zurückgestellt. Es besteht daher weiterhin Überarbeitungsbedarf.
Nicht umgesetzt wurde zudem der Vorschlag verschiedener Verbände, die Tiefe der Abstandsflächen zu verringern. Eine erneute Überprüfung der Abstandsflächen-Regelung wurde im Hinblick auf die zum damaligen Zeitpunkt noch bevorstehende und zwischenzeitlich erfolgte Einführung des „urbanen Gebiets“ angekündigt. Im Zuge der Überarbeitung der Bauordnung könnte nun auch eine Anpassung der Abstandsflächen-Regelung erfolgen, um die innerstädtische Nachverdichtung zu erleichtern. Dieses Ziel haben die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag ausdrücklich festgeschrieben.
Was gilt wann? Ein Überblick
Bereits in Kraft getreten sind die Vorschriften zu Bauarten und Bauprodukten. Diese gelten seit dem 28. Juni 2017. Sie dienen in erster Linie der Anpassung an das europäische Bauprodukterecht.
Die übrigen Vorschriften und damit das Gros der Reform sollte ursprünglich zum 28. Dezember 2017 in Kraft treten. Nach dem Moratorium ist der 1. Januar 2019 vorgesehen.
Dies gilt auch für die Neuregelung zu Stellplätzen und Fahrradabstellplätzen. Nach der angepassten Übergangsregelung tritt die Vorschrift ein Jahr später außer Kraft als ursprünglich vorgesehen, nämlich zum 1. Januar 2020. Zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 1. Januar 2020 ist die bisherige Vorschrift zu Stellplätzen anzuwenden, sofern eine Kommune keine Stellplatzsatzung erlassen hat.
Praxistipp: Bauanträge rechtzeitig und vollständig einreichen
Von Bedeutung für die Praxis ist schließlich die Übergangsregelung für Bauanträge: Werden diese vor dem 1. Oktober 2018 vollständig und ohne erhebliche Mängel eingereicht, finden die bisher geltenden Vorschriften Anwendung. Diese Frist sollte insbesondere beachtet werden, sofern sich die bis zum Sommer 2018 beabsichtigte Reform der Novelle verzögert.