Wie verbindlich ist das, was Behörden im Rahmen eines Anhörungsbescheids mitteilen? Diese Frage stand im Mittelpunkt eines vor dem BGH entschiedenen Mietrechtsprozesses. Das Fazit ist: Behörden können durchaus anders entscheiden als erwartet – voreiliges Handeln ist nicht zu empfehlen.
Der Begriff „Anhörung″ im Rechtssinne kann wie folgt definiert werden: „Gelegenheit des Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens, sich vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in seine Rechte eingreift, zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu äußern. Die Anhörung ist eine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass eines Verwaltungsaktes.″
Auch der BGH hat wohl seiner Entscheidung vom 20. November 2013 (XII ZR 77/12) diese oder zumindest eine ähnliche Definition zu Grunde gelegt. In einem Mietrechtsprozess entschied das Gericht, dass allein die anlässlich einer Anhörung gemäß § 28 VwVfG erfolgte Mitteilung der Behörde an den Mieter, dass die beantragte Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig sei, einen Mangel des Mietobjektes im Sinne des § 536 BGB nicht zu begründen vermag. Damit sei auch eine außerordentliche Kündigung nach § 543 BGB nicht zu rechtfertigen; dem Mieter ist es grundsätzlich zuzumuten, eine Bescheidung seines Nutzungsänderungsantrages abzuwarten.
Zum Sachverhalt
Die beklagte Mieterin und die Klägerin waren durch einen Mietvertrag miteinander verbunden. Nach dem Mietvertrag waren die Flächen zum Betrieb eines Lebensmitteldiscountmarktes zu nutzen. Nach den mietvertraglichen Regelungen hatte die Klägerin als Vermieterin ferner dafür einzustehen, dass alle Genehmigungen vorliegen, die zum Betrieb eines Lebensmitteldiscountmarktes erforderlich sind. Der Geschäftsbetrieb des im Mietobjekt betriebenen Lebensmittelmarktes wurde eingestellt und zwei Jahre nach Betriebseinstellung vermietete die Klägerin die Flächen zur Nutzung als Bettengeschäft unter.
Der Untermietvertrag wurde unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass die Bau-/Nutzungsgenehmigung bis zu einem bestimmten Datum uneingeschränkt erteilt werde. Die Untermieterin beantragte bei der zuständigen Stelle die Genehmigung einer Nutzungsänderung. Einige Zeit nach Antragstellung erließ die zuständige Stelle ein mit „Anhörung gemäß § 28 VwVfG″ betiteltes Schreiben und erklärte darin, der Antrag sei nicht genehmigungsfähig, da das Vorhaben der Bebauungsplanfestsetzung widerspreche.
Die Mieterin forderte daraufhin die Vermieterin widerholt auf, sicherzustellen, dass die Untermieterin die Räume wie beabsichtigt nutzen kann, jedoch vergeblich. Die Mieterin kündigte den Mietvertrag außerordentlich zum Ende September und stellte die Mietzahlungen ab Oktober des gleichen Jahres ein. Fünf Tage nachdem die Mietzahlungen eingestellt wurden, erteilte die zuständige Stelle die vom Untermieter begehrte Genehmigung. Die Vermieterin überzog daraufhin den Mieter mit einem Rechtsstreit und begehrte die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und verlangte die Miete – nach Ansicht des BGH zu Recht.
Rechtliche Erwägungen
Das Fehlen einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung kann einen Mangel darstellen, der einen Grund zur außerordentlichen Kündigung geben kann. Voraussetzung ist jedoch, dass die fehlende Genehmigung eine Aufhebung oder erhebliche Beeinträchtigung der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch zur Folge hat.
Von einer Aufhebung oder erheblichen Beeinträchtigung der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch kann regelmäßig gesprochen werden, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjekts untersagt oder ein behördliches Einschreiten ernstlich zu erwarten ist. Im Einzelfall kann ein möglicher Sachmangel auch darin gesehen werden, dass eine langwährende Unsicherheit über die Zulässigkeit der behördlichen Nutzungsuntersagung die Besorgnis bewirkt, das Grundstück nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen zu können.
In dem hier maßgeblichen Fall lag keiner der dargestellten Fälle vor. Der BGH führt aus, dass die Nutzung als Einzelhandelsgeschäft ohne eine weitere Genehmigung möglich war, weil der Mieter von der ihm bereits erteilten Genehmigung Gebrauch machen konnte. Die bereits einmal erteilte Genehmigung war nämlich nicht erloschen, denn der Untermieter beabsichtigte nicht eine andersartige, von der ursprünglichen Baugenehmigung abweichende Nutzung der Fläche. Eine Nutzungsänderung liegt nämlich dann vor, wenn die jeder Nutzung eigene tatsächliche Bandbreite überschritten wird und der neuen, beabsichtigten Nutzung unter städtebaulichen Gesichtspunkten eine andere Qualität zukommt.
Anhörungsbescheid ist keine endgültige Entscheidung
Das mit „Anhörung gemäß § 28 VwVfG″ betitelte Schreiben durfte der Mieter nach Auffassung des BGH auch nicht als die Androhung eines Einschreitens verstehen. Dies deshalb, weil das Schreiben kein ablehnender Bescheid war, sondern eben nur der „Anhörung″ des Mieters diente. Demnach war die Entscheidung der zuständigen Stelle nicht endgültig gefallen, sondern Mieter und Untermieter konnten die Entscheidung noch beeinflussen. Insofern war es dem Mieter zuzumuten, den Fortgang des Verwaltungsverfahrens abzuwarten und sodann die Kündigung auszusprechen.
Es ist nachvollziehbar, dass ein „Anhörungs″bescheid mit dem dargestellten Inhalt durchaus die Entscheidung der Vertragsparteien stark beeinflusst hat. Denn es entspricht nicht gerade der Üblichkeit, dass Behörden hinsichtlich ihrer rechtlichen Würdigung in dem dann erlassenen Verwaltungsakt von dem „Anhörungs″bescheid abweichen.
Aber in Anbetracht der Tatsache, dass – wie dieser Fall zeigt – die Behörde doch eine andere Entscheidung treffen kann als erwartet und dass die Kündigung eines Mietvertrages einschneidende (wirtschaftliche) Auswirkungen zumindest auf den Kündigungsempfänger haben kann, ist die Entscheidung des BGH nicht zu beanstanden. Den Mietvertragsparteien ist zu empfehlen und auch zuzumuten, nicht voreilig zu reagieren, sondern – dem Grundsatz „pacta sunt servanda″ getreu – solange wie möglich am Bestand des Mietvertrages festzuhalten.