Ein krass überhöhter Einheitspreis soll bei seiner Fortschreibung zu einer sittenwidrigen weil wucherähnlichen Nachtragsvergütung führen, es sei denn, der Auftragnehmer weist nach, dass ihn keine sittlich verwerfliche Gesinnung trifft.
Für das IBU-Update 2/2010, das pünktlich zur EXPO REAL erscheinen wird, haben wir den Beschluss des BGH (Beschluss vom 25.03.2010 – VII ZR 160/09) zur Frage Sittenwidrigkeit von Nachtragsvergütungen bei krass überhöhten Einheitspreisen kommentiert.
Rufen wir uns den Fall, der nunmehr bereits fünf Instanzen beschäftigt hat, kurz in Erinnerung: Der Auftragnehmer hatte Bewehrungsstahl zu einem Einheitspreis von 2.210 DM/kg angeboten. Dieser Einheitspreis lag über 894-mal (!) so hoch wie der angemessene und ortsübliche Preis, der bei 2,47 DM/kg lag. Es kommt, wie es kommen muss: Die Menge des benötigten Stahls erhöht sich um rund 1.400 kg und der Auftragnehmer macht hierfür Mehrkosten in Höhe von rund 3,3 Mio. DM geltend.
Rechtsprechung vom sittenwidrigen Einheitspreis
Die offensichtlich krasse Überhöhung der Stahlpreise haben die Karlsruher Richter bekanntlich nicht mitgemacht. In ihrer bahnbrechenden Entscheidung (Urteil vom 18.12.2008, VII ZR 201/06) haben sie die Rechtsprechung vom sittenwidrigen Einheitspreis entwickelt. Ein krass überhöhter Einheitspreis soll bei seiner Fortschreibung zu einer sittenwidrigen weil wucherähnlichen Nachtragsvergütung führen, es sei denn, der Auftragnehmer weist nach, dass ihn keine sittlich verwerfliche Gesinnung trifft.
Lassen wir einmal alle (berechtigte) Kritik gegen diese Entscheidung beiseite, akzeptieren das Judikat der Karlsruher Richter und wenden uns der für die Praxis alles entscheidenden Frage zu: Wann beginnt die Sittenwidrigkeit bzw. Wucherähnlichkeit des Preises, weil er zu sehr von dem angemessenen und ortsüblichen Preis abweicht?
Ein Einheitspreis dürfte selbst bei fünffacher Überschreitung sittenwidrig sein
Der BGH sagt hierzu – wohl bewusst – wenig und stellt lediglich fest, dass sowohl eine 894-fache als auch eine 200-fache Überhöhung wucherähnlich sind. Kann man antizipieren, was der BGH als gerade noch akzeptabel ansehen wird? Wäre eine 100-fache Überschreitung in Ordnung (klares Nein)? Oder eine 50-fache Überschreitung (immer noch ein klares Nein)? Gibt es überhaupt eine starre Grenze, oder kommt es auf den Einzelfall an, z.B. auch auf die Masse und damit durch die Hintertür doch wieder auf die Erhöhung des Gesamtpreises?
Ich lehne mich hier einmal sehr weit aus dem Fenster und wage die Prognose, dass der BGH bereits ab einer fünffachen Überschreitung einen wucherähnlichen Preis annehmen wird. Was mich zu dieser Annahme bewegt? Außerhalb des Bauvertrags werden teilweise schon doppelt überteuerte Preise als wucherähnlich eingestuft (vgl. die Übersicht bei Palandt-Ellenberger, BGB, 69. Aufl. 2010, § 138, Rn. 34d). Wenn es dem BGH ernst mit der Kampfansage gegen Spekulationspreise ist – und davon gehe ich aus – dann muss er die Grenze ziemlich niedrig ansetzen, damit seine Rechtsprechung auch die gewünschte Wirkung zeigt. Aber diskutieren Sie doch mit, vielleicht liefert Ihre Glaskugel genauere Ergebnisse als meine…