20. März 2024
Gewerbemiete Schriftform 550 BGB
Real Estate

Die neue Textform im Gewerbemietvertrag – Bürokratieabbau oder Fallstrick?

Die Bundesregierung will die Textform für Gewerbemietverträge einführen. Die Gefahr von Formverstößen, die zur Kündigung führen, wird damit nicht gebannt.

Als Gewerberaummieter* rasch per E-Mail mit dem Vermieter das Mietobjekt um einen frei gewordenen Lagerraum erweitern – nach bisheriger Rechtslage wäre das ein grober Schnitzer. E-Mails erfüllen nämlich nicht das Schriftformerfordernis des § 550 BGB, wonach eine von beiden Seiten handschriftlich unterschriebene Vereinbarung erforderlich ist. 

Die Rechtsfolge kann gravierend sein: Zwar ist die Vereinbarung wirksam, d.h. die Lagerfläche wäre gesichert, aber der Verstoß gegen das Schriftformerfordernis führt dazu, dass der gesamte Mietvertrag nach § 580a BGB jederzeit vorzeitig gekündigt werden kann, weil er trotz seiner festen Laufzeit durch den Formverstoß gemäß §§ 578 Abs. 2, 550 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.

Der am 13. März beschlossene Regierungsentwurf zum Bürokratieentlastungsgesetz IV beschränkt das Formerfordernis für langfristige Gewerberaummietverträge auf die bloße Textform. Sollte der Entwurf in seiner jetzigen Form in Kraft treten, könnten langfristige Gewerberaummietverträge nunmehr per E-Mail oder sogar Textnachricht abgeschlossen und angepasst werden, ohne eine vorzeitige Kündbarkeit des Mietvertrags zu riskieren. 

Anforderungen an die Einheitlichkeit des Mietvertrags werden fortgelten

Allerdings dürfte sich in der Praxis zumindest für sorgfältig agierende Parteien am Ende weniger ändern, als zunächst vermutet werden könnte. 

Denn das Schriftformerfordernis beschränkt sich nicht auf die eigenhändige Unterschrift der Parteien, sondern wird durch die umfangreiche Rechtsprechung des BGH zur „Einheitlichkeit der Urkunde“ ergänzt, wonach alle wesentlichen Regelungen des Mietvertrages in einer Urkunde enthalten sein müssen. 

Der BGH hat dieses Kriterium zwar dahingehend aufgelockert, dass es keiner festen körperlichen Verbindung mit dem Ursprungsmietvertrag bedarf – stattdessen muss sich die Einheitlichkeit des Mietvertrages z.B. aus einer fortlaufenden Paginierung und/oder fortlaufenden Paragrafen ergeben. Bei Nachträgen (und Anlagen) ergibt sie sich aus einer ausreichenden Bezugnahme auf den Ursprungsvertrag und einem Verweis auf die Regelungen des Ursprungsvertrages. Hintergrund dieser Rechtsprechung und des Formerfordernisses als solches ist der Erwerberschutz: Weil der Erwerber einer Immobilie kraft Gesetzes (§ 566 BGB) in die bestehenden mietvertraglichen Rechte und Pflichten für die Zeit ab dem Eigentumsübergang eintritt, soll er in der Lage sein, sich vorher vollständig über die auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zu unterrichten.

Der Regierungsentwurf zum Bürokratieentlastungsgesetz stellt die von der Rechtsprechung herausgebildeten Anforderungen an die Einheitlichkeit der Urkunde nicht infrage. Man wird deswegen davon ausgehen müssen, dass die strengen Anforderungen an die Einheitlichkeit des Mietvertrags auch in Verbindung mit dem neuen Textformerfordernis gelten werden.

Weiterhin sorgfältige Dokumentation erforderlich

Daher werden Nachträge in formlosen, locker formulierten E-Mails auch unter Geltung des neuen Gesetzes ein erhebliches Risiko für Formverstöße bergen. So dürfte es bei einer Folge von vertragsändernden E-Mails schwerfallen, eine durchgehende Kette von Inbezugnahmen aufrechtzuerhalten. Insbesondere bei längerem E-Mail-Verkehr droht die Grenze zwischen Verhandlung und Vereinbarung zudem zu verschwimmen, so dass es schwierig sein wird, zuverlässig festzustellen, welche E-Mails die textformbedürftigen Vereinbarungen in verbindlicher Fassung enthalten. Man stelle sich z.B. eine Verhandlung vor, in der sich die Parteien über die Mietdauer relativ schnell einig sind, der Mietpreis aber über mehrere E-Mails mit unterschiedlichen Angeboten strittig bleibt, die Einigung zunächst ausbleibt und erst Wochen oder Monate später zustande kommt, weil eine der Parteien bei Uneinigkeit über die letzte Nebenkostenabrechnung einen Kompromiss vorschlägt, der an die alten Verhandlungen anknüpft und erst dadurch zu einem für beide Seiten zufriedenstellenden Gesamtpaket führt. Elemente der vertraglichen Einigung können bei solchen komplexen, aber durchaus üblichen Verhandlungen über eine Vielzahl von Nachrichten aus einem längeren Zeitraum verteilt sein – wer sich hier durch die Textform zukünftig in Sicherheit wiegt, sollte die Anforderungen an die Einheitlichkeit des Mietvertrags nicht aus den Augen verlieren. Sorgfältige Akteure werden deswegen vermutlich weiterhin Nachträge nach heutigem Standard erstellen, nur eben ohne den letzten Schritt der Ausfertigung mit händischer Unterschrift.

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Regierungsentwurf die Vertragsabwicklung zwar vereinfacht, aber vorerst nur in überschaubarem Umfang. Auf der anderen Seite dürften sich gerade im Bereich von Vertragsänderungen bei einer Vielzahl von Fällen neue Unsicherheiten bei der Einhaltung der Formerfordernisse einstellen. Ob der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund sein Ziel des Bürokratieabbaus erreichen kann, bleibt abzuwarten. Das Gesetz wird nun im Bundestag beraten, wo der Regierungsentwurf noch angepasst werden kann. 

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Gewerbemiete Real Estate Schriftformerfordernis Textform
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Nicolás Fischer Rodriguez