Lange wurde darüber diskutiert, nun ist er (fast) da: Der Mietendeckel für den Berliner Wohnungsmarkt. Inhalt und Auswirkungen beleuchtet dieser Beitrag.
Nach monatelangem politischen Streit hat das Abgeordnetenhaus von Berlin am 30. Januar 2020 das „Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung“ für das Land Berlin beschlossen. Das Gesetz versteht sich als öffentlich-rechtliches Mietpreisrecht. Es soll auf die Marktentwicklung selbst Einfluss nehmen, um die Bezahlbarkeit von Wohnraum bis zu einer Entspannung auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu sichern. Es sieht neben einem Mietenstopp, also einem Einfrieren der zu einem bestimmten Stichtag vereinbarten Mieten, auch absolute Mietobergrenzen für Neuvermietungs- und Bestandsmieten im Sinne eines „Mietendeckels“ vor.
Das Gesetz greift die Eckpunkte auf, die der Berliner Senat am 18. Juni 2019 beschlossen hat. Der nach langwierigen Diskussionen zunächst am 28. November 2019 vorgelegte Gesetzesentwurf wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren wesentlich geändert. Das Gesetz tritt größtenteils am Tag nach seiner Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft, die im Februar 2020 erwartet wird. Der „Mietendeckel“ für Bestandsmieten tritt neun Monate nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft.
Wesentlicher Inhalt des Gesetzes zur Mietmarktregulierung
Das Gesetz gilt für sämtlichen Wohnraum, mit Ausnahme insbesondere des öffentlich geförderten Wohnungsbaus und des Neubaus, also ab dem 1. Januar 2014 erstmals bezugsfertigen Wohnraums. Insgesamt sollen von dem Gesetz etwa 1,5 Millionen Mietwohnungen erfasst werden.
Das Gesetz sieht einen Mietenstopp vor (§ 3 des Gesetzes), der ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB darstellen soll. Danach ist eine Miete (d. h. Nettokaltmiete einschließlich aller Zuschläge) verboten, die die am 18. Juni 2019 (sog. „Stichtag“) wirksam vereinbarte Miete überschreitet. Wurde eine Staffel- oder Indexmiete vereinbart, ist die zum Stichtag geschuldete Miete maßgeblich.
Beträgt die hiernach zulässige Miete weniger als EUR 5,02 je Quadratmeter Wohnfläche, erhöht sich die zulässige Miete bei einer Wiedervermietung um EUR 1, wenn die Wohnung über zwei Merkmale moderner Ausstattung (etwa Einbauküche oder hochwertige Sanitärausstattung) verfügt. Die Erhöhung darf nicht zu einer höheren Miete als EUR 5,02 je Quadratmeter führen.
Die sich aus dem Mietenstopp ergebenden Höchstwerte erhöhen sich ab dem 1. Januar 2022 jährlich um die Inflationsrate, jedoch maximal um 1,3 Prozent. Die ebenfalls vom Gesetz festgeschriebenen Mietobergrenzen (dazu sogleich) dürfen dabei nicht überschritten werden.
Der Mietenstopp wird flankiert durch Mietobergrenzen, die bei einer Wiedervermietung oder erstmaligen Vermietung von Wohnraum nicht überschritten werden dürfen (§ 4 des Gesetzes). Dabei handelt es sich um einen „Mietendeckel“ für Neuvermietungsmieten. Die Obergrenzen ergeben sich aus der im Gesetz enthaltenen Mietentabelle, die den zulässigen Mietpreis anhand der erstmaligen Bezugsfertigkeit der Wohnung und ihrer Ausstattung bestimmt (§ 6 des Gesetzes). Die höchstzulässige Miete kann dabei EUR 3,92 im Falle der erstmaligen Bezugsfertigkeit bis 1918 ohne Sammelheizung und ohne Bad bis hin zu EUR 9,80 bei erstmaliger Bezugsfertigkeit von 2003 bis 2013 mit Sammelheizung und Bad betragen. Für Wohnraum mit moderner Ausstattung (s. o.) erhöht sich die höchstzulässige Miete um EUR 1. Eine modernisierungsbedingte Mieterhöhung ist dann zulässig, wenn sich die dem Mietenstopp genügende Miete um nicht mehr als EUR 1 pro Quadratmeter erhöht und gleichzeitig die jeweilige Mietobergrenze um nicht mehr als EUR 1 pro Quadratmeter überschritten wird (§ 7 des Gesetzes).
Eine Differenzierung nach der Lage des Wohnraums sieht das Gesetz insoweit nicht vor. Eine Wohnung am Kurfürstendamm unterliegt den gleichen Maßstäben wie eine Wohnung in städtischer Randlage.
Im Gesetzgebungsverfahren wesentlich geändert wurde die Regelung zu überhöhten Mieten, also der „Mietendeckel“ für Bestandsmieten (§ 5 des Gesetzes). Überhöht ist eine Miete, die die nach Berücksichtigung der Wohnlage höchstzulässige Miete um mehr als 20 Prozent überschreitet und nicht genehmigt worden ist. Auf die Wohnlage (einfach/mittel/gut) kommt es somit nur beim „Mietendeckel“ für Bestandsmieten an: Bei einfachen und mittleren Wohnlagen sind pauschal EUR 0,28 bzw. EUR 0,09 von der Mietobergrenze abzuziehen, bei guten Wohnlagen EUR 0,74 aufzuschlagen.
Ursprünglich war vorgesehen, dass die zuständige Senatsverwaltung auf Antrag des Mieters die Miete absenkt. Nunmehr sieht das Gesetz lediglich vor, dass eine überhöhte Miete verboten ist. Auch dabei soll es sich wohl um ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB handeln. Es ist damit dem Mieter aufgegeben, überhöhte Mietforderungen des Vermieters abzuwehren und überhöhte Mietzahlungen vom Vermieter zurückzufordern. Die daraus erwachsenen Streitigkeiten sind den Zivilgerichten überantwortet. Die zuständige Senatsverwaltung überwacht die Einhaltung des Verbots und kann von Amts wegen alle Maßnahmen treffen, die zu seiner Durchsetzung erforderlich sind. Der „Mietendeckel“ für Bestandsmieten tritt erst neun Monate nach Verkündung des Gesetzes in Kraft.
Eine höhere Miete kann zur Vermeidung unbilliger Härten im Rahmen einer Härtefallklausel genehmigt werden (§ 8 des Gesetzes). Hierfür ist die Investitionsbank Berlin zuständig. Eine unbillige Härte liegt nach dem Gesetz vor, wenn die Beibehaltung der nach dem Gesetz zulässigen Miete auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zur Substanzgefährdung der Wirtschaftseinheit führt. Die Möglichkeit einer im Einzelfall höheren Miete wird durch die Möglichkeit eines Mietzuschusses für den betroffenen Mieter ergänzt (§ 9 des Gesetzes).
Das Gesetz sieht schließlich Ordnungswidrigkeiten vor, insbesondere für das Fordern einer unzulässigen Miete. Diese können mit einer Geldbuße bis zu EUR 500.000 geahndet werden (§ 11 des Gesetzes).
Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes weiter in Streit
Erwartungsgemäß haben sich die politischen Streitigkeiten nach Vorliegen des Gesetzesentwurfs fortgesetzt. Auch die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommenen Änderungen haben die Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes nicht ausräumen können.
Weiterhin wird vielfach die Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin angezweifelt. Hierzu wird vorgebracht, der Bund habe mit der Mietpreisregulierung im Bürgerlichen Gesetzbuch eine abschließende Regelung getroffen. Tatsächlich können Vermieter infolge des Gesetzes von der Möglichkeit, unter Beachtung der Grenzen der Mietpreisbremse eine Miete zu erhöhen, keinen Gebrauch mehr machen. Darüber hinaus wird vertreten, dass das Gesetz in unverhältnismäßiger Weise in das Eigentumsgrundrecht der Vermieter eingreift. Die Anknüpfung des Mietenstopps an den Stichtag 18. Juni 2019 wird unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung erörtert, die verfassungsrechtlich nur in engen Grenzen zulässig ist.
Die Opposition im Abgeordnetenhaus von Berlin hat angekündigt, das Gesetz im Wege der abstrakten Normenkontrolle vom Berliner Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen. Ein entsprechender Antrag soll noch vor der Sommerpause eingereicht werden. Unabhängig davon ist nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen zivilgerichtlicher Verfahren zwischen Mietern und Vermietern oder mit gesonderten Anträgen auch das Bundesverfassungsgericht mit dem Gesetz konfrontiert wird. Erst eine höchstrichterliche Entscheidung wird für Rechtsklarheit sorgen.
Praktische Folgen: Erreicht das Gesetz sein Ziel?
Bis zur abschließenden Bewertung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sollten Vermieter die Regelungen des Gesetzes befolgen.
Bereits jetzt sind erste Auswirkungen des Gesetzes auf den Berliner Wohnungsmarkt zu beobachten – wenngleich nicht solche, die mit dem Gesetz bezweckt werden. Viele Vermieter haben ihre Investitionen für den Neubau und für Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen zurückgefahren. Zudem ist zu beobachten, dass Vermieter gleichzeitig zwei Mieten vereinbaren: Einerseits eine „Mietendeckel-Miete“, die den Vorgaben des Gesetzes genügt, und andererseits eine „reguläre“ Miete für den Fall, dass das Gesetz der verfassungsgerichtlichen Überprüfung nicht standhalten wird. Schließlich gibt es bereits Anzeichen einer zurückhaltenderen Bewertung Berliner Immobilien.
Das Gesetz wird nun seine Praxistauglichkeit unter Beweis stellen müssen. Viel wird davon abhängen, ob Mieter tatsächlich gegen nach dem Gesetz unzulässige Mieten vorgehen und welche Rolle die Berliner Verwaltung bei der Durchsetzung des Gesetzes einnimmt. Sollte die Berliner Art der Mietmarktregulierung Erfolg haben, dürften Nachahmer nicht lange auf sich warten lassen.