Das Private Baurecht soll kodifiziert werden. Wir zeigen die wichtigsten Änderungen im Entwurf des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts auf.
Falls Sie die §§ 650a bis 650u BGB nicht kennen, ist dies nicht weiter schlimm. Bislang liegt nur der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung vor. Diesen hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Ende September vorgelegt.
Die vorgeschlagenen Neuerungen sind teilweise sehr weitreichend. Daher lohnt schon jetzt ein genauer Blick auf den Gesetzesentwurf.
Status Quo: klare gesetzliche Regelungen zum Bauvertragsrecht fehlten
Bislang wird das Bauvertragsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nur am Rande behandelt. Da es sich bei einem Bauvertrag um einen Werkvertrag handelt, sind die Bestimmungen der §§ 631 ff. BGB anwendbar. Nur vereinzelte Gesetzesbestimmungen beziehen sich bereits explizit auf Bauverträge, so z.B. die Sicherungshypothek des Bauunternehmers in § 648 BGB.
Die Grundlagen des Privaten Baurechts mussten daher vornehmlich durch die Rechtsprechung und die juristische Literatur entwickelt werden. Der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen schaffte mit der VOB/B zudem Musterklauseln für einen Bauvertrag, die oftmals zumindest in Teilen Vertragsgrundlage werden. Das Baurecht hat sich hierdurch jedoch zu einer nur noch schwer überblickbaren Spezialmaterie entwickelt. Böse Zungen mögen behaupten, die in jüngerer Vergangenheit aufgetretenen Probleme bei der Realisierung von Großbauvorhaben beruhten auch auf dem Fehlen klarer gesetzlicher Vorgaben.
Gesetzentwurf: Reform des Bauvertragsrechts im BGB
Gesetzliche Regelungen für den Bauvertrag, den Verbraucherbauvertrag, den Architekten- oder Ingenieurvertrag sowie den Bauträgervertrag liegen nun im Entwurf vor.
Leider folgt die beabsichtigte formale Umsetzung dabei dem Trend, möglichst alles im BGB zu regeln. Um nicht den weit über tausend weiteren Paragraphen des BGB, die auf das Werkvertragsrecht folgen, jeweils eine neue Nummerierung zuteilen zu müssen, sollen die neuen Regelungen vornehmlich zwischen § 650 und § 651 BGB „gequetscht″ werden. Hierdurch würden die §§ 650a bis 650u BGB entstehen. Es bleibt also noch Raum für fünf weitere Paragraphen.
Ein eigenes Bauvertragsgesetz dürfte die Gesetzesanwendung wohl wesentlich vereinfachen, dieser Beitrag bräuchte dann jedoch eine neue Überschrift.
Was aber ändert sich durch den Gesetzesentwurf zum Bauvertragsrecht für die Praxis:
1. Bauvertrag
650b BGB gesteht dem Besteller ein bereits aus der VOB/B bekanntes Anordnungsrecht für Leistungsänderungen bei Bauverträgen zu, welches dank nunmehr vermuteter Dringlichkeit leichter mittels einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden könnte. Die Vergütung einer solchen Leistungsänderung bestimmt sich gem. § 650c BGB anhand der tatsächlichen Kosten nebst Zuschlägen für Allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn. Die bislang weitestgehend maßgebliche Urkalkulation soll zwar noch als Vermutung für die geschuldete Vergütungshöhe einer Leistungsänderung dienen können, dies aber nur, wenn der Unternehmer selbst hierauf zurückgreift und sie bei Vertragsschluss hinterlegt worden ist. Dem Unternehmer steht dann pro Nachtrag ein Wahlrecht zwischen Urkalkulation und tatsächlichen Kosten zu. Zumindest die bisherige Faustformel „schlechter Preis bleibt schlechter Preis″ dürfte sich hierdurch im Sinne der Bauunternehmer relativieren.
Bemerkenswert ist auch die unabdingbare Regelung des § 650e Abs. 4 BGB. Hiernach darf der Unternehmer bei verlangten oder vereinbarten Abschlagszahlungen nur noch eine Bauhandwerkersicherung in Höhe von 20% statt 110% der vereinbarten Vergütung beanspruchen.
Nach der vorgesehenen Neufassung des § 640 Abs. 2 BGB soll eine fiktive Abnahme zukünftig auch beim Vorhandensein wesentlicher Mängel erfolgen, wenn der Besteller auf die ihm gesetzte Frist zur Abnahme keine Mängel rügt. Verbraucher sind hierüber in der Fristsetzung zu informieren. Auf Anforderung des Unternehmers hat zudem eine gemeinsame Zustandsfeststellung zu erfolgen, um den Stand des Bauvorhabens zu dokumentieren (§ 650f BGB). Soweit Mängel hierbei nicht dokumentiert wurden, wird bei einer erfolgten Übergabe des Objekts an den Besteller vermutet, dass offenkundige Mängel erst nach der Zustandsfeststellung entstanden sind.
2. Verbraucherbauvertrag
Mit dem in §§ 650h bis 650n BGB geregelten Verbraucherbauvertrag wird ein neuer Vertragstypus geschaffen. So muss der Verbraucher etwa vor Vertragsschluss und während der Ausführung umfassend informiert werden. Auch der Inhalt der vertragsgegenständlichen Baubeschreibung wird gesetzlich vorgegeben, wobei im Zweifel die für den Verbraucher günstigere Auslegung Vorrang hat. § 650k räumt dem Verbraucher schließlich ein Widerrufsrecht ein, es sei denn, der Vertrag wurde notariell beurkundet.
Verstöße gegen die Vorschriften zum Verbraucherbauvertrag können nach der geplanten Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 f) UKlaG auch von Verbraucherschutzverbänden im Wege einer Unterlassungsklage geltend gemacht werden.
3. Architekten- oder Ingenieurvertrag
Der Architekten- oder Ingenieurvertrag wird in §§ 650o bis 650s BGB kodifiziert.
Im Sinne der Architekten und Ingenieure sieht § 650s BGB vor, dass diese im Falle einer gesamtschuldnerischen Haftung mit bauausführenden Unternehmen erst nachrangig in Anspruch genommen werden können, wenn zuvor die bauausführenden Unternehmen erfolglos zur Nachbesserung aufgefordert wurden. Ein Sonderkündigungsrecht gem. § 650q BGB mit Erhalt der Planungsgrundlagen und Kostenschätzung nach der Zielfindungsphase soll vor übereiligen Vertragsschlüssen schützen und die bisherige Praxis der Stufenbeauftragung berücksichtigen. Verbraucher sind hierüber vorab zu informieren.
Noch unklar ist, ob das in § 650b BGB vorgesehene Anordnungsrecht für Leistungsänderungen beim Bauvertrag auch auf Architekten- oder Ingenieurverträge Anwendung finden soll. Die Gesetzesbegründung sieht dies bei der Kommentierung zu § 650o BGB vor. In § 650p BGB des Gesetzentwurfs wird die Regelung des § 650b BGB bei den auch auf Architekten- oder Ingenieurverträge anwendbaren Vorschriften des Bauvertrages indes nicht angeführt.
4. Bauträgervertrag
Die Qualifikation des Bauträgervertrags als typengemischter Vertrag wird in § 650t BGB normiert. Für die Bauleistungen finden die Regelungen des Bauvertrages bzw. Verbraucherbauvertrages Anwendung, wobei gewisse Einschränkungen vorgenommen wurden. So steht dem Erwerber etwa entsprechend der bisherigen Rechtsprechung kein freies Kündigungsrecht zu. Für die Eigentumsübertragung sind die Regelungen des Kaufrechts anwendbar.
Darüber hinaus enthält der Gesetzesentwurf noch eine Reihe weiterer Regelungen, die jedoch den Umfang dieses Beitrages sprengen würden. Dies stellen wir in einer Synopse zwischen der aktuellen Gesetzeslage und dem Gesetzesentwurf dar.
Fazit: Bisher nur ein Entwurf – Entwicklung ist abzuwarten
Festzuhalten bleibt, dass ein kleiner Teil der bestehenden Rechtslage in Gesetzesform gegossen werden soll und hierbei auch z.T. wesentliche Änderungen vorgenommen werden.
Der Entwurf zur Reform des Bauvertragsrechts kann aber auch über den formalen Aspekt hinaus kritisiert werden. Wünschenswert wären z.B. klare Vorgaben zu den häufigen Streitpunkten Haftung, Vertragsstrafe und Sicherheiten gewesen. Gerade beim größtenteils unberührten Bauträgervertrag hätte man sich schließlich eine Stärkung der Verbraucherrechte gewünscht, zumal dies gerade die Intention des Gesetzgebungsvorhabens ist. Die weitere Entwicklung des Entwurfs bleibt daher abzuwarten.
Zu guter Letzt soll nun auch der Regelungsgehalt des § 650g BGB aufgelöst werden. Nach dieser – auch für die übrigen vorbenannten Vertragstypen anwendbaren Vorschrift – sind Bauverträge stets schriftlich zu kündigen. Der Gesetzesentwurf setzt für die schriftliche Kündigung einen zusätzlichen Zeitaufwand von 5 Minuten an und kommt bei durchschnittlich ca. 4.186 gekündigten Bauverträgen auf einen jährlichen Mehraufwand für die Bürgerinnen und Bürger von rund 349 Stunden.
Alles also halb so wild. Wir halten Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden.
Nachtrag am 10. März 2017: Eine Synopse zu den Änderungen im Zuge der Reform des Bauvertragsrechts finden Sie auf unserer Webseite.