Lange war unklar, ob und inwieweit eine formularmäßig vereinbarte sogenannte Schriftformheilungsklausel rechtlich bindend ist. Der BGH hat nun zu dieser Frage Stellung genommen und entschieden, dass zumindest der in den Mietvertrag gemäß § 566 BGB eintretende Erwerber an diese Regelung grundsätzlich nicht gebunden ist.
Stein des Anstoßes war eine Formulierung, die wortwörtlich oder sinngemäß immer häufiger in Miet- und Pachtverträgen als AGB zu lesen ist: „Den Mietvertragsparteien sind die besonderen gesetzlichen Schriftformerfordernisse der §§ 550, 126 BGB bekannt. Sie verpflichten sich hiermit gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun, und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen.″
Sachverhalt
Die beklagte Mieterin schloss im Jahre 2005 mit der in Insolvenz gefallenen Rechtsvorgängerin der klagenden Vermieterin, vertreten durch den Insolvenzverwalter, einen Mietvertrag über eine Ladenfläche. Der Mietvertrag sah eine feste Laufzeit von Januar 2006 bis Ende 2015 vor. Nach Abschluss des Mietvertrages führten der Insolvenzverwalter und die Beklagte Verhandlungen über Vertragsergänzungen und Zusatzvereinbarungen, denn die Beklagte begehrte mit Schreiben vom November 2005 unter anderem ein vertragliches Kündigungsrecht zum Ende des Jahres 2008. Mit Schreiben vom Dezember 2005 bestätigte der Insolvenzverwalter gegenüber der Beklagten die getroffenen Vereinbarungen unter anderem zur Änderung der Vertragslaufzeit sowie zur Einräumung eines vertraglichen Kündigungsrechts und einer Vertragsverlängerungsoption zu Gunsten der Beklagten.
Nachdem die Klägerin das Grundstück nebst aufstehendem Gebäude, in dem sich die Ladenfläche befand, erwarb und im Grundbuch als neue Eigentümerin eingetragen wurde, sprach sie gegenüber der Beklagten unter Berufung auf die Nichteinhaltung der Schriftform die ordentliche Kündigung aus und begehrte im Klagewege Räumung und Herausgabe der Mietfläche. Nachdem das LG Hamburg die Klage abgewiesen und das OLG Hamburg auf die Berufung der Klägerin hin der Klage stattgegeben hatte, begehrte die Beklagte mit der Revision ihr Klageabweisungsbegehren weiter – und scheiterte vor dem BGH (Urteil vom 22. Januar 2014 – XII ZR 68/10).
Schriftformverstoß
Zwischen den Parteien war unstreitig, dass die nach Abschluss des Mietvertrages zwischen der Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Klägerin, vertreten durch den Insolvenzverwalter, getroffenen Abreden eine „wesentliche″ Änderung des Mietvertrages darstellen und daher diese Abreden unter Einhaltung der §§ 550 Satz 1, 578 Abs. 2 BGB hätten schriftlich fixiert werden müssen, was aber – ebenfalls unstreitig – nicht geschehen ist.
Entscheidend war in diesem Fall vielmehr die Frage, ob die Klägerin die ordentliche Kündigung unter Berufung auf die Nichteinhaltung der Schriftform wirksam ausgesprochen hatte oder ob die Kündigung unwirksam war, weil die Klägerin entsprechend der zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und der Beklagten getroffenen Schriftformheilungsklausel verpflichtet war, einen schriftformgemäßen Nachtrag abzuschließen und damit „alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich (waren), um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun″.
Rechtliche Tragweite von Heilungsklauseln
Die Meinungen über die Wirksamkeit und rechtliche Tragweite von Schriftformheilungsklauseln gehen in der Literatur und obergerichtlichen Rechtsprechung auseinander. Teilweise wird ohne Weiteres davon ausgegangen, Schriftformheilungsklauseln seien wirksam mit der Folge, dass die auf den Formmangel gestützte Kündigung treuwidrig sei, solange nicht erfolglos versucht worden sei, die andere Partei zu einer Heilung des Mangels zu veranlassen. Teilweise wird eine entsprechende Klausel vor allem im Hinblick auf einen möglichen Erwerbsfall für grundsätzlich unwirksam gehalten. Ferner gibt es Stimmen, die eine Heilungsklausel jedenfalls gegenüber einem Grundstückserwerber nicht gelten lassen wollen.
Heilungsklausel bindet Grundstückerwerber nicht
Der BGH stellte in seiner Entscheidung darauf ab, ob einem Erwerber, der gemäß § 566 Abs. 1 BGB in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eingetreten ist, angelastet werden kann, sich treuwidrig zu verhalten, wenn er trotz einer im Mietvertrag enthaltenen Heilungsklausel das Mietverhältnis wegen eines Schriftformmangels kündigt. Der Senat verneint dies.
Zur Begründung führt der BGH aus, dass § 550 BGB in erster Linie sicherstellen will, dass ein späterer Grundstückerwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen kann. Darüber hinaus dient § 550 BGB dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien sicherzustellen und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen. Zwar gibt es zahlreiche Fallgestaltungen, in denen § 550 BGB den Zweck, dem Erwerber letzte Klarheit über die Geltung eines langfristigen Mietvertrags zu verschaffen, nicht umfassend gewährleisten kann (zum Beispiel ob die Vertragsverlängerungsoption ausgeübt wurde).
Aber auch wenn der Schutz des § 550 BGB nicht umfassend sein kann, soll nach Ansicht des BGH erreicht werden, dass der Erwerber die Bedingungen, zu denen er in ein Mietverhältnis eintritt, im Grundsatz aus der Mietvertragsurkunde ersehen kann. Er soll davor geschützt werden, sich auf einen Mietvertrag einzulassen, dessen wirtschaftliche Bedingungen sich, etwa infolge einer Mietreduzierung, anders als erwartet und deshalb finanziell einkalkuliert darstellen. Ist das infolge formunwirksamer, etwa nur mündlicher Abreden gleichwohl der Fall, so hat er die Möglichkeit, sich vorzeitig durch ordentliche Kündigung von dem Mietvertrag zu lösen.
Die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung würde im Übrigen dem Erwerber genommen, wenn er infolge der Heilungsklausel verpflichtet wäre, den langfristigen Bestand des Mietverhältnisses sicherzustellen. Dass dem Erwerber im Fall unterlassener Information über ihm nachteilige formunwirksame Vereinbarungen gegenüber dem Veräußerer Schadensersatzansprüche zustehen mögen, rechtfertigt nicht die Annahme, der Schutzzweck des § 550 BGB trete deshalb zurück. Nach der gesetzlichen Konzeption soll der Erwerber nämlich nicht allein auf Schadensersatzansprüche verwiesen werden, sondern ihm soll ein ordentliches Kündigungsrecht zustehen, um die aus der Mietvertragsurkunde nicht in allen maßgeblichen Einzelheiten erkennbaren Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis beenden zu können. Da bei einer Geltung der Heilungsklausel auch ihm gegenüber diese Möglichkeit im Falle einer vollzogenen Heilung genommen würde, würde der Schutzzweck des § 550 BGB verfehlt.
Der BGH geht sogar soweit und stellt die Wirksamkeit einer individualvertraglich vereinbarten Heilungsklausel in Frage, ohne sich jedoch endgültig dazu zu äußern. Es scheint so, als ob die Tage der Heilungsklausel gezählt sind – das ist wahrlich ein grauer Tag.