Die Ampelparteien und der Tierschutz - Rot/Gelb/Grüner-Koalitionsvertrag sieht die Einführung einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung vor.
Um den Rot/Gelb/Grün-Koalitionsvertrag ist es bis zum Schluss spannend geblieben. Am 24. November 2021 sind die künftigen Regierungsparteien mit ihren Plänen nun an die Öffentlichkeit getreten. Im Bereich Tierschutz plant das Trio die Einführung einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung ab 2022.
Wir haben uns angesehen, was bisher galt, was sich mit der Einführung des Tierhaltungskennzeichens ändern soll und was das für die Beteiligten eigentlich genau bedeutet.
Gesetzesentwurf zur Einführung und Verwendung eines Tierwohlkennzeichens des vorherigen Bundeskabinetts ohne Mehrheit im Bundestag
Bis dato existiert in Deutschland nur für Frischeier eine verbindliche Haltungskennzeichnung, die ihre Grundlage in den EU-Vermarktungsnormen für Eier findet. Zu einem flächendeckenden verbindlichen staatlichen Tierhaltungskennzeichen für Lebensmittel tierischer Herkunft konnte der deutsche Gesetzgeber sich bisher jedoch nicht durchringen – dies ist bisher Sache der Wirtschaft, des Handels und zahlreicher Brancheninitiativen.
Zwar hatte auch die bisherige Regierung unter Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Einführung eines Tierwohlkennzeichens vorbereitet. Das Bundeskabinett hatte Anfang September 2019 sogar den Entwurf eines entsprechenden Gesetzes zur Einführung und Verwendung eines Tierwohlkennzeichens (TierWKG) beschlossen. Dieses sollte allerdings nicht als klassisches Haltungskennzeichen ausgestaltet werden. Stattdessen sollte es bei Lebensmitteln tierischer Herkunft zum Einsatz kommen, wenn der gesetzlich vorgeschriebene Standard bei der Haltung, dem Transport und der Schlachtung der Tiere, von denen die Lebensmittel gewonnen wurden, eindeutig übertroffen wurde. Zudem sollte das Kennzeichen freiwilliger Natur und dreistufig sein.
In Kraft getreten ist das TierWKG in der 19. Legislaturperiode jedoch nicht, da der Gesetzesentwurf im Bundestag keine Mehrheit gefunden hat.
Für 2022 Einführung einer verbindlichen staatlichen Tierhaltungskennzeichnung geplant
SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben sich zum Ziel gesetzt, ab 2022 eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung einzuführen. Die geplante Kennzeichnung soll sich dabei nicht allein auf den Bereich Tierhaltung beschränken, sondern auch den Transport und die Schlachtung der Tiere umfassen.
Geplant ist, die Einführung mit einer Kampagne zur Information und Aufklärung zu begleiten. Auch wollen die Ampelparteien langfristig verbindliche EU-weite Standards etablieren. Schließlich sieht der neue Koalitionsvertrag eine umfassende Herkunftskennzeichnung vor. Genauere Einzelheiten zur tatsächlichen Ausgestaltung der geplanten Kennzeichen sind bisher allerdings nicht bekannt.
Verstöße gegen geplante Tierhaltungskennzeichnung voraussichtlich bußgeldbewehrt
Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Kennzeichnungsvorschriften können nicht nur zu privatrechtlichen Auseinandersetzungen führen, sondern auch Bußgelder nach sich ziehen. Je nach Verstoß kommt sogar eine strafrechtliche Relevanz in Betracht.
Die für Lebensmittel und deren Kennzeichnung und Werbung relevanten Vorschriften finden sich hierbei insbesondere im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch sowie in der Lebensmittel-Informationsverordnung. Marktteilnehmer können je nach Art und Schwere des Verstoßes Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren, Geldstrafen und Bußgelder bis zu EUR 100.000 drohen. Welche bußgeld- und/oder strafrechtlichen Konsequenzen ein Verstoß gegen die geplante Kennzeichnungspflicht in diesem Rahmen mit sich bringen wird, bleibt daher abzuwarten.
Geplante Tierhaltungskennzeichnung und Irreführung
Mit der Einführung einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnungspflicht werden absehbar auch Verstöße mit lauterkeitsrechtlichen Konsequenzen, allen voran Verboten und Geboten sowie Unterlassungsforderungen, einhergehen. Hauptsächlich dürften hierbei die Irreführungstatbestände der §§ 5, 5a UWG und der Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG eine Rolle spielen.
Zunächst könnten fehlende oder falsche Tierhaltungskennzeichnungen nämlich eine Irreführung von Verbrauchern nach den genannten Vorschriften darstellen. Denn die geplante Tierhaltungskennzeichnung soll Verbraucher vor allem zu einer informierten Entscheidung befähigen. Fehlende oder falsche Tierhaltungskennzeichnungen könnten eine solche informierte Entscheidung gefährden und insbesondere vor dem Hintergrund des in der Bevölkerung wachsenden Umwelt- und Tierschutzbewusstseins zu Kaufentscheidungen führen, die die adressierten Verbraucher bei (zutreffender) Tierhaltungskennzeichnung nicht getroffen hätten.
Um den wettbewerbsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden, dürfte mit Einführung der geplanten verbindlichen staatlichen Tierhaltungskennzeichnung zudem ein besonderes Augenmerk auf die Kongruenz zwischen dieser Kennzeichnung und der auf die Haltungsform anspielenden sonstigen Produktgestaltung zu legen sein. So hat das Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil v. 31. Januar 2020 – 19 O 5336/19) festgestellt, dass die Gestaltung einer Verpackung für Schweinefleisch aus konventioneller Stallhaltung mit einem Foto von auf grüner Wiese grasenden Schweinen wegen Irreführung der Verbraucher unzulässig ist. Dies auch dann, wenn sich neben diesem Foto der Hinweis findet: „Konventionelle Stallhaltung – entspricht dem gesetzlichen Standard“. Sollte die Produktgestaltung daher in der Gesamtschau den Eindruck vermitteln, dass das Tierprodukt in Bezug auf die Tierhaltung einer höheren Stufe zuzuordnen ist, als das Tierhaltungs-Label es hergibt, dürfte das Risiko, dass die Rechtsprechung von einer Irreführung der Verbraucher ausgeht, hoch ausfallen.
Da die geplante Einführung der Tierhaltungskennzeichnung dem Schutz der rationalen Verbraucherentscheidung dient, werden die der Tierhaltungskennzeichnung zugrundeliegenden Normen zudem als Marktverhaltensregeln zu qualifizieren sein. Und auch Artikel 7 der Lebensmittel-Informationsverordnung stellt eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG dar. Wer seine Lebensmittel tierischer Herkunft nach Einführung der geplanten verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung nicht oder falsch kennzeichnet oder insoweit irreführend bewirbt, riskiert daher auch einen unlauteren Rechtsbruch nach § 3a UWG.
Schließlich führt die Einordnung der geplanten Tierhaltungskennzeichnung, der §§ 5 und 5a UWG sowie des Artikels 7 der Lebensmittel-Informationsverordnung als verbraucherschützende Normen dazu, dass Verstöße gegen die geplante Tierhaltungskennzeichnung auch Ansprüche aus dem Unterlassungsklagengesetz nach sich ziehen könnten.
Weitere Stärkung des Tierschutzes geplant
Auch jenseits der Einführung einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung sieht der Koalitionsvertrag eine allgemeine Stärkung artgerechter Tierhaltung vor. Dafür soll ein „durch Marktteilnehmer getragenes System“ etabliert werden und die Erlangung von Investitionsförderungen eng an die Verbesserung der Haltungskriterien gebunden sein. In diesem Kontext betont die Ampel auch die Klimaneutralität, die unter anderem erreicht werden soll, indem Landwirte beim artgerechten Umbau der Nutztierhaltung unterstützt werden. Und auch auf EU-Ebene will die neue Regierung sich für bessere Regelungen des Tiertransports einsetzen.
Im Bereich Tierschutz wird es also spannend. Es bleibt abzuwarten, wie schnell die Koalitionsparteien ihre Pläne zur Förderung des Tierwohls – insbesondere auch die bereits seit einiger Zeit von Bündnis 90/Die Grünen angestrebte Reform des Tierschutzgesetzes – in die Tat umsetzen werden und welche Auswirkungen hiermit dann schlussendlich für den Markt und seine betroffenen Teilnehmer einhergehen werden.
In unserer Blog-Serie „Ampel 21 – Auswirkungen des Koalitionsvertrages“ halten wir Sie zu den Auswirkungen des Koalitionsvertrages für in den verschiedenen Sektoren tätige Unternehmen auf dem Laufenden.