Mehr zu Sustainable Finance Plänen der Ampel zu Nachhaltigkeitsrisiken, Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung und ESG-Ratings.
In der Präambel des am 25. November 2021 vorgestellten Koalitionsvertrags heißt es:
Die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen, hat für uns oberste Priorität. Klimaschutz sichert Freiheit, Gerechtigkeit und nachhaltigen Wohlstand.
Nach den Plänen der Ampel-Koalition sollen die Klimaziele u.a. durch den Kohleausstieg bis 2030 erreicht werden. Ermöglicht wird der vorzeitige Ausstieg durch den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und die Errichtung moderner Gaskraftwerke. Zudem sollen bis 2030 mindestens 15 Millionen Elektro-PKW auf den Straßen unterwegs sein. Zur Verwirklichung dieser und weiterer ambitionierter Ziele bedarf es einer Vielzahl von (privaten) Investitionen, u.a. in Erneuerbare-Energie-Projekte und Unternehmen.
Mit anderen Worten: Die Transformation der Wirtschaft muss privat finanziert werden. Dem Finanzsektor kommt hier eine Hebelfunktion zu. Er muss das Kapital für die entsprechenden Transformationsprojekte mobilisieren.
Sustainable Finance erstmals in einem Koalitionsvertrag
Der Koalitionsvertrag enthält daher unter der Überschrift „Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Finanzen“ erstmals in der Geschichte einer Bundesregierung einen Abschnitt zu Sustainable Finance. Erklärtes Ziel der Ampel ist es danach, Deutschland zum führenden Standort nachhaltiger Finanzierung zu machen.
Nachhaltigkeitsrisiken sind Finanzrisiken
Der Koalitionsvertrag stellt klar, dass Nachhaltigkeitsrisiken Finanzrisiken sind. Bereits dem Aktionsplan der EU-Kommission zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums lag die Erkenntnis zugrunde, dass sich u.a. aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit und der Umweltzerstörung finanzielle Risiken ergeben, und es wurden bereits regulatorische Schritte zur Integration von Nachhaltigkeitsrisiken ins Risikomanagement von Finanzmarktteilnehmern eingeleitet. So sind Finanzmarktteilnehmer bereits nach Art. 3 Offenlegungs-VO verpflichtet darzulegen, inwieweit Nachhaltigkeitsrisiken im Investitionsprozess berücksichtigt wurden.
Die BaFin hat Ende 2019 in ihrem Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken eine Handlungsanleitung zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. In diesem Zusammenhang hat sie Nachhaltigkeitsrisiken als Finanzrisiko anerkannt, aber nicht als separate Risikoart, sondern als Teilaspekt bekannter Risikoarten (z.B. Kreditrisiko, Marktpreisrisiko, Liquiditätsrisiko, versicherungstechnisches Risiko) qualifiziert.
Mindestanforderungen für ESG-Ratings
Die Koalition will sich für europäische Mindestanforderungen im Markt für ESG-Ratings (Environmental, Social, Governance) und die verbindliche Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in Kreditratings der großen Ratingagenturen einsetzen. Ob es hierfür noch viel Überzeugungsarbeit bei der EU braucht, bleibt offen. Bereits im Juli 2021 hat die EU-Kommission im Rahmen ihrer Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft Maßnahmen angekündigt, um sicherzustellen, dass relevante ESG-Risiken systematisch und transparent in Ratings und Rating-Ausblicken erfasst werden.
Einheitlicher Transparenzstandard für Nachhaltigkeitsinformationen
Die Koalition will sich auf europäischer Ebene für einen einheitlichen Transparenzstandard für Nachhaltigkeitsinformationen einsetzen und unterstützt das Vorhaben der EU-Kommission eine „Corporate Sustainability Reporting Directive“ zu entwickeln. In diesem Zusammenhang wird ausgeführt:
Ökologische und gegebenenfalls soziale Werte wollen wir im Dialog mit der Wirtschaft in bestehende Rechnungslegungsstandards integrieren (…).
Zur Anpassung der CSR-Richtlinie hat die EU-Kommission im April 2021 bereits einen Vorschlag für die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorgelegt. Hiernach soll die Berichtspflicht über Nachhaltigkeitsfragen umfassender werden und es sollen neue verbindliche Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung eingeführt werden. Deren Standards werden derzeit von der EFRAG (European Financial Reporting Agency Group) erarbeitet, die die EU-Kommission bei der Entwicklung von Berichtsstandards unterstützt.
Im Juli 2021 hat die EU-Kommission zudem einen Vorschlag für eine soziale Taxonomie zur Konsultation gestellt. Die Kriterien der sozialen Taxonomie dürften perspektivisch auch in die Berichtspflichten unter der CSRD integriert werden. Warum die Koalitionsparteien den Zusatz „gegebenenfalls“ in Hinblick auf die Integration von sozialen Werten eingefügt haben, bleibt somit offen.
Koalitionsvertrag ohne Informationen zur Taxonomie-VO
Schuldig bleibt der Koalitionsvertrag zudem eine Positionierung der Ampel zum Thema Kernenergie und Erdgas in der Taxonomie-VO. Streitig ist unter den EU-Mitgliedsstaaten, ob sie als nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten in die Taxonomie-VO aufgenommen werden können. Die alte Bundesregierung hatte sich bisher dagegen ausgesprochen. Zuletzt hat sich neben vielen anderen Stakeholdern Eurosif (The European Sustainable Investment Forum) gegen eine Aufnahme von Kernenergie und Gas in die EU-Taxonomie ausgesprochen.
Koalition will eine Sustainable Finance Strategie mit internationaler Reichweite auf den Weg bringen
Erfreulich ist, dass der Koalitionsvertrag erstmals einen Abschnitt zum Thema Sustainable Finance enthält. Darüber hinaus enthält er keine Überraschungen. Viele der behandelten Themen sind bereits auf EU-Ebene angestoßen und der Detaillierungsgrad der Ausführungen ist im Vergleich zu anderen Bereichen im Koalitionsvertrag recht kurz.
Bemerkenswert ist jedoch, dass sich die Ampel an den Empfehlungen des Sustainable Finance-Beirats orientieren und damit eine Sustainable-Finance-Strategie mit internationaler Reichweite erarbeiten will. Der im März 2021 vom Beirat veröffentlichte Bericht „Shifting the Trillions – Ein nachhaltiges Finanzsystem für die Große Transformation“ enthält insgesamt 31 Empfehlungen an die Bundesregierung und lässt damit weitere und vor allem konkretere Sustainable-Finance-Maßnahmen erwarten.
In unserer Blog-Serie „Ampel 21 – Auswirkungen des Koalitionsvertrages“ halten wir Sie zu den Auswirkungen des Koalitionsvertrages für in den verschiedenen Sektoren tätige Unternehmen auf dem Laufenden.