Der digitale Wandel führt in der Automobilindustrie zu neuen Herausforderungen, auch bei Unternehmenstransaktionen und W&I-Versicherungen.
Der Wandel in der Automobilindustrie rückt neue Aspekte in den Fokus, auch bei Unternehmenstransaktionen. Wer hätte vor 15 Jahren gedacht, welchen Stellenwert die heute in den Fahrzeugen verbauten Softwarekomponenten haben. Die Vernetzung der Fahrzeuge und die Infotainmentsysteme haben in den letzten Jahren ebenso rasante Entwicklung erlebt, wie das Mobiltelefon und das Car-Sharing ist dabei, eine echte Alternative zum eigenen Auto zu werden, welches nach und nach den Stellenwert als Statussymbol verliert.
Neue Herausforderungen durch den Wandel der Automobilindustrie
Jede technische Entwicklung und jedes neue Geschäftsfeld geht mit neuen Herausforderungen einher. Diese können bei Unternehmenstransaktionen schnell zu Fallstricken werden oder die Gewichtung bei Vertragsverhandlungen verschieben. Man denke nur an die rechtlichen Rahmenbedingungen, im Hinblick auf das Datenschutzrecht, wenn Fahrzeuge Daten über den Fahrer sammeln oder miteinander kommunizieren. Diese gilt es im Unternehmenskaufvertrag zu adressieren. Ein weiteres Beispiel ist die zunehmende Bedeutung von Software in einem bisher von Technik bestimmten Umfeld. Unternehmenskaufverträge, die nur den technischen Aspekt abbilden, würden zu kurz springen.
Neue Zusicherungen in Unternehmenskaufverträgen
Doch was bedeutet dieser Wandel konkret für Unternehmenstransaktionen aus dem Automobilbereich? Bleiben wir bei den vorgenannten Beispielen: Der Käufer eines Unternehmens aus dem Automobilbereich hat ein Interesse daran, dass die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen in der Vergangenheit eingehalten worden sind und er kein Unternehmen erwirbt, das sich möglicherweise bald hohen Bußgeldforderungen ausgesetzt sieht. Das dieses Risiko real ist, zeigt das jüngst gegen die Marriott Hotels angekündigte Bußgeld von GBP 99 Mio. Der Käufer eines Unternehmens, das Softwarekomponenten für Fahrzeuge herstellt, wird wiederum sicherstellen wollen, dass diese Software dem Unternehmen auch gehört und keine Rechte Dritter verletzt.
Erreichen kann der Käufer beide Ziele jeweils durch entsprechende Zusicherungen im Unternehmenskaufvertrag. Solche können beispielsweise die Einhaltung datenschutzrechtlicher Rahmenbedingungen in der Vergangenheit oder die Inhaberschaft der Rechte an der Software garantieren. Dies sind nur zwei Beispiele für verschiedenste Zusicherungen, die ein Käufer vom Verkäufer fordern kann.
Solche Zusicherungen sind nicht neu. Sie entsprechen sogar der üblichen Praxis bei Unternehmenskäufen. Schließlich geht der Käufer bei der Bewertung des Zielunternehmens und der Kaufpreisermittlung von einem bestimmten Zustand des Unternehmens aus, den es abzusichern gilt. Je nach Branche des Zielunternehmens stehen hierbei unterschiedlichste Faktoren im Fokus. Meist hängt es von den Vertragsverhandlungen ab, welche Zusicherung (sogenannte Garantien) der Verkäufer bereit ist zu gewähren und welchen Umfang der Garantiekatalog im Unternehmenskaufvertrag am Ende haben wird.
Ein solcher Garantiekatalog ist keine neue Entwicklung und auch nicht durch den Wandel der Automobilindustrie bedingt. Neu sind aber bestimmte Zusicherungen, die ihre Relevanz erst durch den Wandel der Automobilindustrie und insbesondere die Digitalisierung erlangt haben. Denn die Einführung neuer Technologien führt nicht nur zu neuen Möglichkeiten und Chancen, sondern eben auch zu neuen Risikofeldern.
Versicherbarkeit von Garantien in Unternehmenskaufverträgen
Schon seit Längerem gibt es eigene Versicherungsprodukte, die Garantien in Unternehmenskaufverträgen absichern, sogenannte W&I-Versicherungen.
W&I-Versicherungen stehen dann ein, wenn Garantien verletzt worden sind (Näheres zu W&I-Versicherungen im M&A-Prozess). Hierdurch wird das wirtschaftliche Risiko einer Garantieverletzung auf die Versicherung verlagert. Der Verkäufer minimiert sein Haftungsrisiko und der Käufer bekommt einen solventen Anspruchsgegner. Die im Transaktionsprozess oft schwierigen Verhandlungen über den Umfang der Garantien oder die Absicherung von Ansprüchen des Käufers können so oft zur Zufriedenheit aller gelöst werden.
Versicherbarkeit von neuen Risiken
Was aber gilt hinsichtlich der neuen Risiken, die der Wandel der Automobilindustrie mit sich bringt? Die gute Nachricht ist: Es gibt W&I-Versicherungen, die Versicherungsprodukte für diese Risiken anbieten oder zumindest einige dieser abdecken. Dies hängt aber immer vom konkreten Geschäftsfeld des Zielunternehmens ab und mit den damit verbundenen konkreten Risiken.
Beispielsweise wird es sicherlich deutlich schwieriger sein, Datenschutzrisiken zu versichern, wenn das Geschäft des Zielunternehmen vornehmlich auf das Sammeln von Daten ausgerichtet ist oder die gesammelten Daten besonders sensitiv sind. Allgemein gilt, dass W&I-Versicherungen grundsätzlich nur unbekannte Risiken absichern. Sollten sich bestimmte Risiken also bereits materialisiert haben, so scheidet eine W&I-Versicherung von vorneherein aus. Möglicherweise kann das Risiko dann allenfalls über eine relativ teure Spezialversicherung abgedeckt werden.
Herausforderungen an den M&A-Prozess
Voraussetzung für die Versicherung der neuen Risiken ist, dass man das einschlägige Risikofeld im Rahmen einer Due Diligence Prüfung untersucht hat. Ungeprüft wird keine Versicherung bereit sein, ein Risiko zu versichern. Vor dem Beginn einer Due Diligence Prüfung für den Erwerb eines Unternehmens aus dem Automobilbereich sollte sich der Erwerber daher genau überlegen, welchen Umfang dieser Prüfung haben soll und hierbei insbesondere die neuen Risiken im Auge behalten, die sich durch den Wandel des Automotive-Sektors ergeben. Für neue Risiken, die nicht versicherbar sind, bleibt es bei dem Grundsatz der schon vor dem Zeitalter der W&I-Versicherungen galt: der Käufer geht entweder das Risiko ein oder versucht, sich beim Verkäufer abzusichern.
Dieser Beitrag ist Teil unserer Serie „M&A im Zeichen des Wandels der Automobilindustrie“. Erschienen sind Beiträge zur „M&A und DSGVO – Wirtschaftssektoren in der digitalen Transformation″, zu der „Automobilbranche in China″ sowie Tipps zur Automotive M&A in unberechenbaren Zeiten. Zuletzt erschien der Beitrag zum Acqui-Hire - Know-how auf Knopfdruck für die Automobilbranche.