Neue Technologien und digitaler Wandel bedeuten neue Herausforderungen für die Automobilindustrie, auch bei Unternehmenstransaktionen und W&I-Versicherungen.
Der Wandel in der Automobilindustrie rückt neue Aspekte in den Fokus, auch bei Unternehmenstransaktionen. Die zunehmende Vernetzung von Fahrzeugen und die rasant steigende Leistungsfähigkeit von künstlicher Intelligenz (KI) bedeuten ebenso einen Umbruch für die Automobilbranche wie die Entwicklung und der Ausbau neuer Antriebssysteme, insbesondere der Elektromobilität. Der starke Wettbewerb beschleunigt diesen Prozess.
Der Wandel der Automobilindustrie bringt neue Herausforderungen
Jede technische Entwicklung und jedes neue Geschäftsfeld geht mit neuen Herausforderungen einher. Dies gilt für die Automobilindustrie in besonderer Weise, die in stark zunehmendem Maß Software und insbesondere künstliche Intelligenz einsetzen (muss), um konkurrenzfähig zu bleiben.
Gleichzeitig und hiermit zusammenhängend, wird die Elektromobilität in hohem Maße vorangetrieben und fortentwickelt. Dies wiederum führt zu weiteren Herausforderungen, nämlich etwa den steigenden Bedarf an Batterien und Halbleitern zu gewährleisten, um eine kontinuierliche und verlässliche Produktion sicherzustellen.
Auswirkungen technologischen Wandels auf Unternehmenskaufverträge
Doch was bedeutet dieser technologische Wandel für Unternehmenstransaktionen konkret im Bereich der Automobilindustrie? Neue Herausforderungen können bei Unternehmenstransaktionen schnell zu Fallstricken werden oder die Gewichtung bei Vertragsverhandlungen verschieben.
Eine steigende Produktion von Elektrofahrzeugen führt zu einem veränderten Rohstoffbedarf und Hersteller müssen eine zuverlässige Beschaffung der benötigten Materialien gewährleisten. Der zunehmende Einsatz von künstlicher Intelligenz sowie die mittlerweile hohe und weiterhin steigende Relevanz von Software in der Automobilbranche bedingen, dass spezielle rechtliche Rahmenbedingungen beim Einsatz solcher Technologien immer mehr zu beachten sind. Gleichzeitig steht die Thematik der Nachhaltigkeit verstärkt im Fokus. ESG-Faktoren spielen dabei entlang der gesamten Lieferkette eine immer größere Rolle und deren Beachtung sowie die Einhaltung einer ESG-konformen Lieferkette gewinnt an wachsender Bedeutung. In der Folge muss sich auch ein potenzieller Unternehmenskäufer mit diesen Thematiken beschäftigen. Dieser ist gut beraten, auf vorgenannte Themen bei der Verhandlung des Garantiekatalogs ein besonderes Augenmerk zu legen.
So wird der Käufer eines Unternehmens, das KI-bezogene Technik entwickelt (etwa Softwarekomponenten für Fahrzeuge), sicherstellen wollen, dass diese dem Unternehmen gehören, ausreichend lizensiert sind und keine Rechte Dritter verletzen. Auch spielt die Beachtung des Datenschutzrechts eine hervorgehobene Rolle, insbesondere wenn Fahrzeuge große Datenmengen über den Fahrer / die Umwelt sammeln oder sich vernetzen. Man denke etwa an die Entwicklung autonomer Fahrtechnik. Zunehmend sind hierfür Testfahrzeuge auf den Straßen unterwegs, die zwecks Entwicklung und Verbesserung von Fahrassistenzsystemen etc. den Verkehr filmen, wobei beispielsweise Datenschutzvorschriften, etwa solche der DSGVO, zu beachten sind. Dies muss auch in Unternehmenskaufverträgen abgebildet werden. Unternehmenskaufverträge etwa, die nur hardwarespezifische Aspekte (technisch-physikalische Komponenten) regeln, würden zu kurz greifen.
Erreichen kann der Käufer diese Ziele durch entsprechende Regelungen und Zusicherungen (sogenannte Garantien bzw. Freistellungen) im Unternehmenskaufvertrag. Dies können etwa bestimmte Garantien in Bezug auf alle wesentlichen Verträge sein, um zu gewährleisten, dass die Beschaffung auch nach dem Erwerb des Unternehmens sichergestellt ist. Zudem kommen dahingehende Garantien in Betracht, dass datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen in der Vergangenheit eingehalten wurden oder dass der Verkäufer Inhaber sämtlicher Rechte an der Software ist. Der Käufer hat zudem die Möglichkeit sich zusichern zu lassen, dass (nicht zuletzt für bestimmte KI-Systeme) nur dem Stand der Technik entsprechende IT-Sicherheitssysteme verwendet werden und zudem die Integrität und Verfügbarkeit von Daten gegeben ist. Dies sind nur einige Beispiele für verschiedenste Zusicherungen, die ein Käufer vom Verkäufer fordern kann.
Solche und andere Zusicherungen entsprechen der üblichen Praxis bei Unternehmenskäufen. Grund ist, dass der Käufer im Rahmen der Kaufpreisermittlung das Zielunternehmen bewerten muss und dabei von einem bestimmten Zustand des Unternehmens ausgeht, den es abzusichern gilt. Je nach Branche, in welchem das Zielunternehmen tätig ist, stehen hierbei unterschiedlichste Faktoren im Fokus. Meist hängt es vom Verhandlungsgeschick sowie der Verhandlungsmacht der Vertragsparteien ab, welche Zusicherungen der Verkäufer zu gewähren bereit ist und welchen Umfang der Garantiekatalog im Unternehmenskaufvertrag am Ende haben wird.
Ein solcher Garantiekatalog ist keine neue Entwicklung und auch nicht durch den derzeitigen technischen Wandel in der Automobilindustrie bedingt. Neu sind aber bestimmte Zusicherungen, die ihre Relevanz erst durch die Entwicklung und Verwendung neuer Technologien (z.B. künstliche Intelligenz oder Elektromobilität) in der Automobilindustrie erlangt haben. Denn die Einführung neuer Technologien bietet nicht nur neue Chancen und Möglichkeiten, sondern bringt auch neuen Regelungsbedarf mit sich, etwa in Unternehmenskaufverträgen.
Versicherbarkeit von Garantien in Unternehmenskaufverträgen
Seit längerer Zeit gibt es eigene Versicherungsprodukte, die Garantien in Unternehmenskaufverträgen absichern, sogenannte Warranty & Indemnity (W&I)-Versicherungen. Hierdurch wird das wirtschaftliche Risiko von Garantieverletzungen auf die W&I-Versicherung verlagert.
Neben dem Vorteil, dass der Verkäufer auf diese Weise sein Haftungsrisiko minimiert und der Käufer einen solventen Anspruchsgegner bekommt, können so nicht selten die im Transaktionsprozess oft schwierigen Verhandlungen über den Umfang der Garantien oder die Absicherung von Ansprüchen des Käufers zur Zufriedenheit aller gelöst werden. Wie die Ergebnisse der CMS European M&A Study 2023 zeigen, werden W&I-Versicherungen bei M&A-Transaktionen mit steigendem Kaufpreis verstärkt abgeschlossen (2022 war dies beispielsweise in 58 % der Transaktionen der Fall, bei denen der Kaufpreis über EUR 100 Mio. lag).
Versicherbarkeit neuer Risiken
Was aber gilt hinsichtlich der neu hinzukommenden Risiken, die der technologische Wandel in der Automobilindustrie mit sich bringt? Die gute Nachricht ist: Viele Risiken können durch W&I-Versicherungen abgedeckt werden. Die Versicherbarkeit einzelner, insbesondere durch den Einsatz neuer Technologien bedingter Risikofaktoren wird gleichwohl stets sorgfältig zu prüfen sein. Dies ist immer vom konkreten Geschäftsfeld des Zielunternehmens abhängig und den damit verbundenen Risiken im Einzelfall. Deren Versicherbarkeit wird die W&I-Versicherung erst nach Durchführung des Underwriting-Prozesses abschließend bewerten können.
So dürfte es deutlich schwieriger sein, Datenschutzrisiken zu versichern, wenn das Zielunternehmen in der KI-Entwicklung tätig und vornehmlich auf das Sammeln oder Auswerten von Daten von Verbrauchern ausgerichtet ist. Gleiches gilt, wenn die gesammelten Daten besonders sensitiv sind.
Allgemein gilt: W&I-Versicherungen sichern grundsätzlich nur unbekannte Risiken ab. Haben sich bestimmte Risiken dagegen bereits vor Abschluss der Kaufvertragsverhandlungen materialisiert, so scheidet eine W&I-Versicherung aus. Hier bleibt dann gegebenenfalls nur noch die Möglichkeit, diese Risiken über eine Spezialversicherung abzudecken. Um Haftungslücken zu vermeiden, ist ferner darauf zu achten, dass der Unternehmenskaufvertrag und die W&I-Versicherung exakt aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt sind.
Herausforderungen im M&A-Prozess
Zwingende Voraussetzung für die Versicherung von Risiken unter einer W&I-Versicherung ist, dass man das einschlägige Risikofeld im Rahmen einer Due Diligence untersucht hat. Ungeprüft wird kein W&I-Versicherer bereit sein, ein Risiko zu versichern. Möchte ein Käufer ein Unternehmen aus dem Automobilbereich erwerben, sollte sich dieser daher über den Umfang der Due Diligence Gedanken machen und hierbei insbesondere auch die sich aufgrund neuer Technologien in der Automobilbranche ergebenden Risiken in den Blick nehmen.
Besondere Herausforderungen dürften hier insbesondere solche Technologien mit sich bringen, deren Umgang auch rechtlich noch in weiten Teilen ungeklärt ist (z.B. künstliche Intelligenz). Hier gilt, dass eine wohlüberlegte Planung und frühzeitige Einschaltung aller Beteiligten (insb. auch des W&I-Versicherers) spätere (zeitliche) Beeinträchtigungen des M&A-Prozesses minimieren.
Sind indes (neue) Risiken nach Durchlaufen des Underwriting-Prozesses nicht versicherbar, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Käufer dieses Risiko entweder eingehen oder versuchen muss, sich bestmöglich beim Verkäufer abzusichern.