Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat ihre Q&As zum Prospektrecht aktualisiert.
Am 31. Januar 2019 hat die ESMA die 29. Ausgabe ihrer Questions and Answers (Q&A) zum Europäischen Prospektregime gemäß Richtlinie 2003/71/EG (und Änderungen, einschließlich der Änderungsrichtlinie 2010/73/EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (EU-Prospektrichtlinie), veröffentlicht. Ziel der Q&As ist es unter anderem, gemeinsame Ansätze und Praktiken der nationalen Aufsichtsbehörden hinsichtlich der Anwendung des Europäischen Prospektregimes und ihrer Durchführungsmaßnahmen zu fördern.
Die aktualisierten Q&As der ESMA wurden um zwei Fragestellungen ergänzt (siehe Frage 103 und 104), die Anwendung finden, wenn es am 29. März 2019 zu einem Austritt Großbritanniens (Brexit) aus der Europäischen Union (EU) ohne entsprechende Vereinbarung zwischen Großbritannien und den EU-Mitgliedsstaaten kommen sollte (sog. harter Brexit).
Möglichkeit eines Drittstaatenemittenten sich seinen Herkunftsstaat gem. Art. 2 Abs. 1 (m)(iii) EU-Prospektrichtlinie auszuwählen
Betroffen von den Folgen eines harten Brexits sind insbesondere Emittenten, die ihren satzungsmäßigen Gesellschaftssitz in Großbritannien haben (siehe Art. 2 Abs. 1 (m)(i) EU-Prospektrichtlinie) oder Drittstaatenemittenten, die Großbritannien aufgrund eines erstmaligen öffentlichen Angebots von Wertpapieren in Großbritannien oder einer erstmaligen Antragsstellung auf Zulassung ihrer Wertpapiere zum Handel in Großbritannien, als Herkunftsstaat gewählt haben (siehe Art. 2 Abs. 1 (m)(iii) EU-Prospektrichtlinie). Die Zuordnung des Herkunftsstaats dient vor allem dazu, die für die Billigung des Wertpapierprospekts zuständige nationale Behörde zu bestimmen.
Die erste Neuerung in den Q&As adressiert die Frage, welche Alternative Emittenten von Wertpapieren haben, deren Herkunftsmitgliedsstaat vor dem harten Brexit Großbritannien ist und die im Anschluss daran Wertpapiere in Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) öffentlich anbieten oder Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt innerhalb des EWR zulassen wollen.
Die Q&As führen diesbezüglich aus, dass den betroffenen Emittenten mit bisherigem Herkunftsstaat Großbritannien, ein Wahlrecht gemäß den Grundsätzen des Art. 2 Abs. 1 (m)(iii) EU-Prospektrichtlinie zusteht. Demzufolge hat der Emittent die Möglichkeit sich nunmehr einen neuen EWR Mitgliedstaat, in dem Wertpapiere öffentlich angeboten werden sollen oder in dem der erste Antrag auf Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt gestellt werden wird, als Herkunftsstaat zu wählen. Die bisherige Wahl des Emittenten, Großbritannien, wird zum Zeitpunkt des harten Brexits unwirksam werden.
Bei dem Wahlrecht handelt es sich um ein einmaliges Wahlrecht, wodurch der Herkunftsstaat für alle künftigen Emissionen von entsprechenden Wertpapieren festgelegt wird. Nicht betroffen ist die Ausnahmeregelung für Nichtdividendenwerten gem. Art. 2 Abs. 1 (m)(ii) EU-Prospektrichtlinie.
Verwendung von Wertpapierprospekten, die durch die britische Aufsichtsbehörde FCA (Financial Conduct Authority) gebilligt wurden.
Die zweite Ergänzung in den Q&As adressiert die Frage, wie in Folge eines harten Brexits mit Wertpapierprospekten und deren Nachträgen in den Mitgliedsstaaten des EWR verfahren werden soll, die vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU von der britischen Finanzbehörde FCA gebilligt und gegebenenfalls auch notifiziert wurden.
Die Q&A regeln nunmehr, dass vor dem möglichen harten Brexit gebilligte Prospekte wie auch Nachträge der FCA, nach einem solchen nicht mehr unter das Notifizierungsregime gem. Art. 18 EU-Prospektrichtlinie fallen. Sofern ein gebilligter Prospekt bereits vor dem harten Brexit in einen anderen EWR Mitgliedsstaat notifiziert wurde, kann für diesen nach einem harten Brexit kein Nachtrag erstellt werden. Zurückzuführen ist dies auf die Tatsache, dass nach einem harten Brexit, Großbritannien als Drittstaat, Prospekte wie auch Nachträge nicht mehr gemäß der EU-Prospektrichtlinie billigen kann und diese darüber hinaus auch nicht in die EWR Mitgliedsstaaten notifizieren darf.
Für bereits in ein oder mehrere EWR Mitgliedsstaaten vor dem möglichen harten Brexit notifizierte Prospekte oder Nachträge, bedeutet dies darüber hinaus, dass sie nach einem solchen nicht mehr für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren, der Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt in einem Mitgliedsstaat des EWR oder für öffentliche Angebote, die bereits vor dem harten Brexit gestartet wurden, jedoch auch im Nachgang des harten Brexits fortgesetzt werden sollten, genutzt werden dürfen. Ohne jedoch die Möglichkeit zu haben, den Prospekt durch einen notwendigen Nachtrag abzuändern oder zu ergänzen, besteht das Risiko, dass ein wesentlicher neuer Faktor, wesentliche Fehler oder Ungenauigkeiten auftreten könnten, ohne dass der Emittent in der Lage wäre, die Investoren gemäß den Anforderungen aus Art. 16 EU-Prospektrichtlinie zu informieren.
Rechtssicherheit für Investoren in den EWR Mitgliedstaaten
Im Falle eines harten Brexits müssen sich Finanzmarkteilnehmer in den EWR Mitgliedsstaaten bei laufenden und neuen öffentlichen Angeboten bzw. Zulassungsverfahren in Mitgliedsstaaten des EWR darauf einstellen, dass Emittenten einen neuen Herkunftsstaat gem. EU-Prospektrichtlinie auswählen und ein neuen von der zuständigen Behörde des gewählten Mitgliedsstaats zu billigenden Prospekt erstellen müssen. Dies kann zu zeitlichen Verzögerungen im Rahmen der Transaktion führen, da die Wahl des Herkunftsmitgliedsstaats und der entsprechende Billigungsprozess eines Prospekts erst mit dem tatsächlichen Austritt Großbritanniens aus der EU erfolgen und das öffentliche Angebot oder der Zulassungsantrag nur mit gebilligten Prospekt gestartet werden kann.
Nichts desto trotz ist es zu begrüßen, dass die ESMA mit der Aktualisierung ihrer Q&As für den Fall eines harten Brexits für mehr Klarheit und Rechtssicherheit gesorgt hat.
Update: Verschiebung des Austrittsverfahrens
Nachdem sich Großbritannien und die Europäische Union am 21. März 2019 über eine Verschiebung des Austrittsverfahrens verständigt haben, hat die ESMA am 28. März 2019 im Rahmen einer Veröffentlichung klargestellt, dass auch die von ihr veröffentlichten Publikationen mit Verweisen auf einen harten Brexit angepasst werden. Demnach werden die zwei oben beschriebenen Fragestellungen aus den aktualisierten Q&As der ESMA erst anwendbar, sofern es am 12. April 2019 zu einem harten Brexit kommen sollte.