31. Juli 2020
Brexit Übergangsphase Freihandelsabkommen
Brexit

Brexit: Die Übergangsphase läuft ab und die Verhandlungen über das Handelsabkommen stocken

Was derzeit die Knackpunkte in den laufenden Verhandlungen sind und was passiert, wenn keine Einigung zustande kommt.

Seit 1. Februar 2020 ist das Vereinigte Königreich kein EU-Mitgliedstaat mehr und hat mit dem Austritt sein Mitsprachrecht in EU-Institutionen verloren. Zwar findet während der im Austrittsabkommen vereinbarten, noch bis zum 31. Dezember 2020 dauernden Übergangsphase bislang EU-Recht weiter Anwendung auf das Vereinigte Königreich. Eine Verlängerung der Übergangsphase ist aber nicht mehr möglich. Dafür wäre bis zum 1. Juli 2020 eine gemeinsame Entscheidung vom Vereinigten Königreich und der EU erforderlich gewesen.

Damit ist das Vereinigte Königreich ab 1. Januar 2021 nicht mehr Teil des EU Binnenmarkt und der Zollunion. Aktuell befinden sich die EU und das Vereinigte Königreich in der Verhandlungsphase für ihre zukünftige Partnerschaft. Der Rahmen für die Verhandlungen wurde, durch die neben dem Austrittsabkommen vereinbarte Politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen abgesteckt.

Die Verhandlungen laufen schleppend. Der Chef EU-Unterhändler Michel Barnier hat sich zuletzt am 23. Juli 2020 im Anschluss an die sechste Verhandlungsrunde geäußert, dass er es für unwahrscheinlich hält, dass ein rechtzeitiger Abschluss eines Handelsabkommens noch vor Ablauf der Übergangsphase Ende 2020 gelingen kann. Bis Oktober 2020 müsse eine Vereinbarung stehen, damit diese von beiden Seiten noch rechtzeitig vor dem Ende der Übergangsfrist ratifiziert werden kann. Relevant dürfte im Rahmen des Zeitplans auch der für den 15./16. Oktober angesetzte EU-Ratsgipfel sein.

Knackpunkte in den Verhandlungen sind derzeit die Vereinbarung eines Level Playing Field, die Umsetzung des zukünftigen Verhältnisses und Fischereirechte

Level Playing Field: Dumping soll verhindert werden

Zwar verfolgen beide Verhandlungsparteien für ihre zukünftige Wirtschaftspartnerschaft einen Handelsverkehr, bei dem keine Zölle, Abgaben, Quoten und sonstige Beschränkungen anfallen. Die EU will aber darüber hinaus einen unfairen Wettbewerb zum Nachteil europäischer Bürger und Unternehmen etwa durch Dumping verhindern und verfolgt daher die Vereinbarung eines sogenannten Level Playing Field, in dem sich die Vertragsparteien verpflichten unter anderem in den Bereichen Beihilferecht, Steuern, Arbeitsrecht und Umweltschutz den Schutz der anderen Vertragspartei nicht zu unterbieten.

Insbesondere im Bereich Beihilfe sind nach Ansicht der EU klare Regelungen erforderlich, um den Binnenmarkt für britische Produkte zu öffnen, ohne Gefahr zu laufen, durch lockerere Standards unterboten zu werden.

Dem gegenüber will das Vereinigte Königreich aber möglichst wenig an EU Regeln und Standards gebunden sein. Dies hat unter anderem politische Gründe, weil das Ende der Bindung an EU Gesetze und an die Rechtsprechung der EU eines der Versprechen des EU Referendum im Jahr 2016 war.

Governance: Streitfrage ist Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs

Des Weiteren stocken die Gespräche bei der Umsetzung des zukünftigen Verhältnisses (Governance). Uneinigkeit herrscht hier im Rahmen der Einrichtung eines Streitbeilegungsmechanismus, konkret bei der Rolle des Europäischen Gerichtshofs.

Die EU möchte, dass bei Streitfällen der Europäische Gerichtshof seine Zuständigkeit für die Bereiche der künftigen Beziehungen, die sich aus EU-Recht ergeben behält. Sie schlägt in ihrem Vertragsentwurf die Einrichtung eines Schiedsgerichts vor. Der Europäische Gerichtshof soll aber das maßgebliche Forum bleiben, um über alle Fragen des EU-Rechts zu entscheiden.

Das Vereinigte Königreich hat während der Verhandlungen wiederholt erklärt, keine Rolle des Europäischen Gerichtshofs im Rahmen des Abkommens zu akzeptieren.

Fischereirechte: Fangquote vs. souveräne Kontrolle

Die Fischereirechte spielen eine große Rolle bei den Verhandlungen. Im Vereinigten Königreich war die Gemeinsame Fischereipolitik der EU, die EU-Mitgliedstaaten einen gleichberechtigten Zugang für Fischereischiffe zu Gewässern gewährt und eine Quotenregelung zur Aufteilung der Fangmenge vorsieht, schon lange umstritten. Das Ziel, ein „independent coastal state″ (unabhängiger Küstenstaat) zu werden, war Teil der Brexit-Kampagne während des Austrittsreferendums.

Für die EU spielt das Thema ebenfalls eine große Rolle, weil die Existenz vieler Fischer aus der EU (u.a. Spanien, Frankreich, Portugal, Belgien) vom Fischfang in britischen Hoheitsgewässern abhängt. Daher möchte die EU eine Vereinbarung über dauerhafte Fangquoten als Teil des Freihandelsabkommens. Das Vereinigte Königreich möchte unter Verweis auf seine neue nationale Souveränität Kontrolle über seine Fischereigewässer. Es schlägt im Rahmen eines knappen Fischerei-Rahmenabkommen jährliche Gespräche über Fangrechte der jeweils anderen Partei vor ohne feste Zusagen zu gewähren. Gleichzeitig fordert es jedoch den freien Zugang seiner Fischereierzeugnisse zum EU-Markt.

An dieser Stelle könnten die gemeinsamen Fischbestände, die sich sowohl in den Gewässern der EU als auch in den Gewässern des Vereinigten Königreichs aufhalten, den Ausschlag beim Ausgang der Verhandlungen geben.

Ab 1. Januar 2021 nimmt das Vereinigte Königreich nicht mehr an EU-Binnenmarkt und Zollunion teil

Unabhängig davon, wie die Verhandlungen zu diesen und zu weiteren strittigen Punkten ausgehen, steht bereits jetzt fest, dass sich ab 1. Januar 2021 das Verhältnis von der aktuellen Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt unterscheiden wird. Ab 1. Januar 2021 wird unter anderem eine Zollgrenze zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich entstehen und es werden Zollformalitäten zu beachten sein. Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission am 9. Juli eine Mitteilung zur Vorbereitung auf des Ende des Übergangszeitraums verabschiedet.

Was passiert, wenn das Freihandelsabkommen nicht zustande kommt?

Kommt bis zum Ende des Übergangsphase Ende 2020 kein Freihandelsabkommen zustande, so werden durch das Austrittsabkommen und die dort getroffenen Regelungen nur einzelne Bereiche abgedeckt. Viele Punkte bleiben ungeregelt.

Unter anderem unterliegt dann ab 1. Januar 2021 der gesamte Warenverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich Zöllen und Kontingenten. Es würden dann die sogenannten Meistbegünstigungszollsätze auf das Vereinigte Königreich Anwendung finden. Nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz der WTO sind die Vorteile, die einem Handelspartner eingeräumt werden, auch allen anderen WTO-Mitgliedern zu gewähren. Von dieser Regel kann lediglich bei einer Präferenzregelung wie einem Freihandelsabkommen abgewichen werden.

Das britische Ministerium für Internationalen Handel hat im Mai diesen Jahres ein neues Zolltarif-System für Produkte bekanntgegeben, die ab 1. Januar 2021 nach Großbritannien eingeführt werden. Die Tarife gelten für Einfuhren aus Ländern, mit denen das Vereinigte Königreich kein Handelsabkommen hat und finden dann auch auf den Handel mit der EU Anwendung.

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