Nach Ablauf der Brexit-Übergangsphase Ende 2020 gelten für Produkte auf dem britischen Markt neue Vorgaben. Das "UKCA marking" ersetzt die CE-Kennzeichnung.
Zahlreiche Arten von Produkten müssen, bevor sie auf dem europäischen Markt bereitgestellt werden dürfen, mit dem bekannten CE-Kennzeichen versehen werden. Das reicht von Maschinen über Spielzeug, elektronische Geräte bis hin zu persönlicher Schutzausrüstung.
Mit der Anbringung dieser Kennzeichnung bestätigt der Hersteller des Produkts (oder dessen Bevollmächtigter), dass dieses den harmonisierten europäischen Vorgaben für gleichartige Produkte – insbesondere den grundlegenden Sicherheitsanforderungen – genügt. Mit dem CE-Kennzeichen erhält das Produkt sozusagen einen „europäischen Reisepass″, der den Warenverkehr in der EU ermöglicht. Welche Anforderungen an die Produkte im Einzelfall gestellt werden, ist durch europaweit geltende CE-Richtlinien bestimmt. In Deutschland sind diese Richtlinien u.a. in Verordnungen zum Produktsicherheitsgesetz umgesetzt worden.
Bislang gilt dies auch für Produkte, die für den britischen Markt bestimmt sind. Und auch trotz des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU wurden die genannten Anforderungen für die Brexit-Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 beibehalten. Ab dem 1. Januar 2021 sind die europäischen Regelungen im Vereinigten Königreich allerdings nicht mehr anwendbar. Damit werden sich die Vorgaben zu Produktsicherheit und -konformität ändern.
Um Herstellern, die ihre Produkte auch nach 2020 weiterhin in Großbritannien anbieten wollen, die Umstellung zu erleichtern, hat die britische Regierung Anfang September Leitlinien für die Bereitstellung von Produkten in Großbritannien ab dem 1. Januar 2021 veröffentlicht.
Ab 2021 ist die UKCA Kennzeichnung erforderlich
Während die bisherigen technischen Anforderungen an Produkte und der Ablauf der Konformitätsbewertungsverfahren zunächst im Wesentlichen unverändert in das Recht des Vereinigten Königreichs übernommen werden, steht im Hinblick auf die Produktkennzeichnung eine wesentliche Änderung bevor:
Grundsätzlich müssen Produkte, die auf dem britischen Markt, d.h. England, Wales und Schottland, bereitgestellt werden, ab dem 1. Januar 2021 mit dem UK Conformety Assessed Mark – der sog. UKCA-Kennzeichnung – versehen werden (zur Bereitstellung von Produkten in Nordirland s.u.).
Diese Kennzeichnungspflicht gilt für alle Produkte, für die bisher eine CE-Kennzeichnungspflicht bestand und zusätzlich auch für Aerosole. Spezielle Regelungen bestehen z.B. für die Kennzeichnung von Medizinprodukten, Bauprodukten, Explosivstoffen für zivile Zwecke und von Produkten, die speziellen Vorgaben im Hinblick auf Ökodesign und Energiekennzeichnung unterliegen.
Zeitpunkt des Inverkehrbringens entscheidend, aber Abverkauf möglich
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Produktkonformität ist die erstmalige Bereitstellung – sprich das sogenannte Inverkehrbringen – auf dem Markt. Darunter fällt jede (entgeltliche oder unentgeltliche) Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung. Produkte, die vor dem 1. Januar 2021 im Einklang mit den bisherigen Regelungen auf dem europäischen Markt (einschließlich Großbritannien) in Verkehr gebracht wurden, müssen daher nachträglich nicht mehr verändert werden und sind auch ohne das UKCA-Kennzeichen weiterhin verkehrsfähig.
Nach den von der britischen Regierung erlassenen Übergangsvorschriften können außerdem auch Produkte, die noch vor dem 1. Januar 2021 nach den bislang geltenden Vorschriften fertig produziert und mit dem CE-Kennzeichen gekennzeichnet wurden, noch im Vereinigten Königreich abverkauft werden.
Harte Umstellung oder Übergangsfrist? Es kommt drauf an…
Eine weitere gute Nachricht für Hersteller: In vielen Fällen gilt eine einjährige Übergangsfrist, innerhalb derer Produkte für den britischen Markt auch weiterhin mit dem CE-Kennzeichen versehen werden können. Nach Ablauf dieser Übergangsfrist wird für die Bereitstellung auf dem UK-Markt dann aber spätestens ab dem 1. Januar 2022 die UKCA-Kennzeichnung verpflichtend.
Update: Nachdem die Übergangsfrist, in der neben dem UKCA marking auch die CE-Kennzeichnung anerkannt wird, 2021 zunächst um ein Jahr verlängert worden war, hat die britische Regierung am 14. November 2022 eine erneute Verlängerung bis Ende 2024 verkündet. Die ausschließliche Verwendung der UKCA-Kennzeichnung wird für die betroffenen Produkte damit erst ab dem 1. Januar 2025 verpflichtend. Die Leitlinien wurden entsprechend aktualisiert.
Voraussetzung für die Ausschöpfung dieser Übergangsfrist ist, dass die produktbezogenen Vorschriften des Vereinigten Königreichs während dieses Zeitraums nicht von den EU-Vorgaben abweichen, das Produkt also weiterhin alle in der EU und in Großbritannien geltenden Vorgaben erfüllt. Ändern sich während dieser Übergangszeit die relevanten europäischen Vorschriften, oder erlässt das Vereinigte Königreiche neue Vorgaben, die von den bisherigen europäischen Standards abweichen, wird die UKCA-Kennzeichnung mit diesem Zeitpunkt verpflichtend. Das heißt, Hersteller müssen ab 1. Januar 2021 noch genauer als ohnehin schon beobachten, ob sich die Produktvorschriften verändern.
EU-Sitz der Konformitätsbewertungsstelle erforderlich für Weiternutzung der CE-Kennzeichnung
Wenn für die CE-Kennzeichnung eine Konformitätsbewertung unter Einschaltung einer notifizierten Konformitätsbewertungsstelle vorgeschrieben ist, ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Übergangsregelung weiter, dass diese Bewertung durch eine in der EU ansässige Bewertungsstelle erfolgt ist. Konformitätsbewertungsstellen mit Sitz in Großbritannien können ab dem 1. Januar 2021 nur noch die Konformität mit den Anforderungen für die UKCA-Kennzeichnung bescheinigen.
Wurde eine gesetzlich vorgeschriebene Konformitätsbewertung bislang durch eine britische Bewertungsstelle durchgeführt und werden die entsprechenden Unterlagen nicht bis zum 1. Januar 2021 an eine Bewertungsstelle mit Sitz in der EU übertragen, gilt die Übergangsfrist daher nicht und die für den britischen Markt bestimmten Produkte dürfen ab diesem Zeitpunkt nur noch mit dem UKCA-Kennzeichen versehen werden.
Hersteller, die bislang die Dienste einer britischen Konformitätsbewertungsstelle in Anspruch genommen haben, müssen daher jetzt reagieren, wenn sie ihre Produkte auch weiterhin mit der CE-Kennzeichnung versehen möchten.
Anforderungen an die Gestaltung des UKCA-Kennzeichens
Wie für die CE-Kennzeichnung bestehen künftig auch für das UKCA-Zeichen genaue Vorgaben zur Gestaltung und Anbringung. Das Zeichen muss der gesetzlich festgelegten Darstellung entsprechen und leicht erkennbar und gut lesbar sein (weshalb in der Regel eine Mindestgröße von 5 mm Höhe vorgeschrieben ist).
Grundsätzlich muss auch die UKCA-Kennzeichnung dauerhaft direkt auf dem Produkt angebracht werden. Um den Unternehmen bei der Umstellung entgegenzukommen, besteht hier aber ebenfalls eine Übergangsfrist: Bis zum 1. Januar 2023 darf die Kennzeichnung (sofern nicht die o.g. Sonderregeln etwas anderes vorschreiben) auch auf einem an dem Produkt angebrachten Label oder in Begleitdokumenten erfolgen.
Parallelkennzeichnung möglich
Nach den Richtlinien der britischen Regierung können Produkte, die sowohl den gesetzlichen Vorgaben der EU als auch den UK-Regelungen entsprechen, sowohl mit dem CE- als auch dem UKCA-Kennzeichen versehen werden. In Deutschland ist eine derartige Parallelkennzeichnung grds. bisher ebenfalls kein Problem gewesen.
Europäische Händler und Hersteller werden zu Importeuren in Großbritannien
Auch wichtig: Hersteller oder Händler mit Sitz in der EU, die ihre Produkte (auch) in Großbritannien anbieten, werden mit Ablauf der Übergangsphase produktrechtlich zu Importeuren in Großbritannien, was insbesondere für Unternehmen, die bislang lediglich als Händler einzustufen waren, zusätzliche Verpflichtungen mit sich bringen kann.
So müssen Importeure, die ihren Sitz nicht im Vereinigten Königreich haben, auch nach den neuen UK-Vorgaben einen inländischen Bevollmächtigten bestellen und sicherstellen, dass die Produkte mit dem Firmennamen dieses Bevollmächtigten und einer (inländischen) Kontaktadresse versehen werden. Auch hier gilt übergangsweise, dass bis Ende 2022 diese Informationen noch nicht unmittelbar auf dem Produkt selbst angebracht werden müssen, sondern auch in Begleitdokumenten enthalten sein können.
Weiter sind die Importeure verpflichtet, zu überprüfen, ob die Produkte die jeweils maßgeblichen Bewertungsprozesse durchlaufen haben, mit den erforderlichen Kennzeichnungen versehen wurden, ob die ggf. erforderliche technische Dokumentation vorliegt und ob die Waren den einschlägigen wesentlichen (Sicherheit-)Anforderungen genügen. Erforderliche Konformitätsbewertungen sind vom Importeur 10 Jahre lang aufzubewahren.
Umgekehrt gilt aber ab 1. Januar 2021 auch, dass Großbritannien – auch produktsicherheitsrechtlich – als Nicht-EU-Gebiet anzusehen ist, mit allen Konsequenzen für z.B. die produktsicherheitsrechtliche Verantwortlichkeit des Importeurs.
Sonderfall Nordirland
Das Nordirland-Protokoll zum Austrittsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sieht vor, dass Nordirland Teil des EU-Binnenmarktes für Waren bleibt. Die neuen Regelungen zur UKCA-Kennzeichnung finden daher keine Anwendung auf Produkte, die für den Markt von Nordirland bestimmt sind. Hier ist weiterhin die CE-Kennzeichnung oder eine Kennzeichnung mit dem speziellen UKNI marking erforderlich. Einzelheiten dazu finden sich in separaten Leitlinien.
Hersteller und Händler sind gefordert
Hersteller und Händler, die ihre Produkte auch im nächsten Jahr weiter im Vereinigten Königreich vertreiben wollen, sollten die weiteren Entwicklungen im Auge behalten und sich möglichst frühzeitig auf die neuen Produktanforderungen einstellen. Zwar verschafft die nunmehr bis Ende 2024 geltende Übergangsregelung, nach der die CE-Kennzeichnung weiterverwendet werden kann, in vielen Fällen etwas Luft. Dies sollte aber nicht zum Anlass genommen werden, die Umstellung länger als nötig hinauszuzögern, da die Übergangsregelung nur gilt, solange die für das jeweilige Produkt geltenden Anforderungen in der EU und im Vereinigten Königreich identisch bleiben.
Hersteller, die für verpflichtende EU-Konformitätsbewertungen bislang Konformitätsbewertungsstellen mit Sitz in Großbritannien beauftragt haben, sollten, wenn sie von der Übergangsregelung in Großbritannien Gebrauch machen oder ihre Produkte weiterhin (auch) in der EU vertreiben wollen, schnellstmöglich den Wechsel zu einer Bewertungsstelle mit Sitz in der EU veranlassen. Nur dann können die europäischen Kennzeichnungsvorgaben weiterhin erfüllt und die CE-Kennzeichnung weiter genutzt werden.