25. Juli 2024
arbeitsrechtliche Umstrukturierung Planung
Chancen durch Transformation

Strategische Planung arbeitsrechtlicher Umstrukturierungen

Die strategische Planung der Maßnahmen ist zentral für das Gelingen arbeitsrechtlicher Umstrukturierungen. Die wichtigsten To-dos erfahren Sie im heutigen Beitrag.

Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Situation sehen sich derzeit viele Unternehmen in Deutschland zu arbeitsrechtlichen Umstrukturierungen gezwungen. Gegenstand der Überlegungen sind dabei regelmäßig wesentliche organisatorische Änderungen auf Ebene mindestens eines Betriebs, teils auch mehrerer Betriebe oder des Unternehmens insgesamt. Personalabbaumaßnahmen gehören nach wie vor zu den erwogenen Maßnahmen, sind aber in jüngerer Zeit – insbesondere wegen des beinahe allgegenwärtigen Fachkräftemangels – etwas seltener geworden.

Eine solide strategische Planung ist bei solchen arbeitsrechtlichen Umstrukturierungen unerlässlich. Doch die Planung muss weit mehr berücksichtigen als nur rechtliche Aspekte, sondern ebenso die wirtschaftlichen und finanziellen, zeitlichen und psychologischen Faktoren umfassen. Die strategische Planung steht am Anfang jeder Umstrukturierung. Je mehr Zeit hier investiert wird, desto problemloser laufen erfahrungsgemäß die nachfolgenden Phasen (Kommunikations-, Beteiligungs- und Umsetzungsphase).

Businessentscheidung und Projektbeschreibung zu Beginn der arbeitsrechtlichen Unternehmensumstrukturierungen

Am Anfang der Planungsphase steht die grundlegende Businessentscheidung und eine darauf aufbauende Projektbeschreibung: Eine Umstrukturierung kann auf außerbetrieblichen Gründen (z.B. Umsatzrückgang) oder innerbetrieblichen Gründen (z.B. die Entscheidung der Anpassung der Personalstärke, Umverteilung des Arbeitsvolumens, Veränderung der Tätigkeitsbereiche, Prozessoptimierung) beruhen. Es ist von zentraler Bedeutung, die Ursachen herauszuarbeiten, auf denen die unternehmerische Entscheidung beruht:

  • Ein typischer (außerbetrieblicher) Auslöser sind Veränderungen des Markts, etwa der Nachfrage oder im Wettbewerbsumfeld, die eine Neuausrichtung der Geschäftsstrategie erforderlich machen – was wiederum zu Umstrukturierungen in verschiedenen Bereichen, zur Einführung neuer Technologien oder zur Änderung von Arbeitsprozessen führen kann. 
  • Ein häufiger (innerbetrieblicher) Grund von Umstrukturierungen ist die Entscheidung, dauerhaft (Personal-) Kosten zu reduzieren, um einen Betrieb/ein Unternehmen profitabler (oder überhaupt weiterhin profitabel) betreiben zu können. Das bedeutet nicht selten einen Personalabbau.
  • Unternehmenszusammenschlüsse oder -übernahmen sind ebenfalls häufige Ursachen für Umstrukturierungen, weil sie regelmäßig zu Überschneidungen in Prozessen, Personal und Ressourcen führen. In solchen Fällen dient eine Neustrukturierung regelmäßig dazu, Doppelungen abzubauen und Synergien zu nutzen. 
  • Schließlich erfordert auch die zunehmende Digitalisierung und der Wandel in der Technologielandschaft oftmals eine Anpassung in der Arbeitsweise, was (betriebliche oder arbeitstechnische) Änderungen, z.B. durch die Einführung neuer Softwarelösungen oder die Automatisierung bestimmter Prozesse, nach sich ziehen kann.

Die wirtschaftliche und finanzielle Analyse ist hierbei essenziell. Wie hierbei unser CMS Advisory Team helfen kann, haben wir bereits in unserer Serie erläutert. Ausgehend von dem Analyseergebnis ist eine Ist- /Sollbetrachtung zu erstellen und damit das unternehmerische und betriebliche Zielbild zu konkretisieren. Diese stellt damit die Projektbeschreibung dar und sollte insbesondere

  • die konkreten Auswirkungen auf einzelne Arbeitsplätze (Wegfall / Verlagerung / Veränderung) und
  • den zeitlichen Ablauf (Wann soll der Wegfall erfolgen? / Wie soll die Umsetzung bis dahin aussehen? / Was geschieht bei vorzeitigem Ausscheiden von Mitarbeitern? / Welches Personal wird bis zu welchem Zeitpunkt zwingend benötigt?)

umfassen.

Im arbeitsrechtlichen Transformationsprozess immer wieder unterschätzt: Bereitstellung genügender Ressourcen

Zur strategischen Vorbereitung gehört auch die Planung der Ressourcen. Zu den erforderlichen personellen Ressourcen zählen insbesondere

  • die Personalabteilung, die verfügbar sein muss, etwa um Mitarbeiterdaten zusammenzustellen und ggf. Dokumente zu produzieren und zu versenden,
  • das Verhandlungsteam, welches für die Verhandlung mit Arbeitnehmervertretern zusammengestellt werden muss, und
  • das Kommunikationsteam, das zur Planung und Umsetzung der inner- und außerbetrieblichen Kommunikation dient. 

Zur Unterstützung der personellen Ressourcen kann es sich – abhängig vom Umfang der Umstrukturierung – anbieten, auf spezialisierte technische Lösungen zurückzugreifen, etwa auf Legal Tech Tools wie den CMS Restrukturierungsmanager.

Handlungsoptionen erarbeiten und bewerten

Auf Basis der unternehmerischen Entscheidung und ausgehend von der Projektbeschreibung (= Zielbild) können dann die verschiedenen Handlungsoptionen erarbeitet werden. Hierbei sind die rechtlichen, zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen und Einschränkungen zu berücksichtigen. 

Zu den möglichen Handlungsoptionen gehören insbesondere:

Arbeitsrechtliche Umsetzbarkeit und Prüfung der Beteiligungspflichten 

Eine zentrale Fragestellung ist dabei: Sind die jeweiligen Optionen (arbeits-)rechtlich umsetzbar, oder, besser gefragt, unter welchen Voraussetzungen ist das der Fall? Je nach der arbeitsrechtlichen Landschaft müssen dabei neben tarifrechtlichen Fragestellungen insbesondere die Pflichten des Arbeitgebers zur Beteiligung von Arbeitnehmervertretungsgremien* analysiert werden. In Frage kommen dabei regelmäßig

  • bei Betriebsänderungen die Beteiligung des Betriebsrats gem. §§ 111 ff. BetrVG in Form der Verhandlung eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans sowie ggf. zusätzlich einer Betriebsvereinbarung zur Umsetzung weiterer Maßnahmen, die aus Rechtsgründen nicht im Sozialplan geregelt werden sollten (Beispiel: Freiwilligenprogramm),
  • bei Personalabbau ggf. das Konsultationsverfahren gem. § 17 KSchG,
  • beim Ausspruch von (Änderungs-)Kündigungen die Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG,
  • bei Versetzungen die Anhörung des Betriebsrats gem. § 99 BetrVG,
  • bei der Entlassung schwerbehinderter Personen die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (§ 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX) und des Inklusionsamtes (§§ 168 ff. SGB IX) sowie
  • bei umwandlungsrechtlichen Vorgängen die Zuleitung der Umwandlungsvereinbarungen an den zuständigen Betriebsrat (§§ 5 Abs. 3, 126 Abs. 3, 194 Abs. 2 UmwG).

Beachtet werden müssen auch echte „Show-Stopper“, wie Kündigungsverbote und dergleichen.

Zuständigkeiten auf Betriebsratsseite prüfen

In diesem Zusammenhang sind zunächst die Zuständigkeiten zu klären: Ist der örtliche Betriebsrat zuständig, der Gesamtbetriebsrat oder sogar der Konzernbetriebsrat? Diese Frage mag womöglich nicht als wichtig ins Auge springen, und häufig haben Arbeitgeber insoweit schon aus praktischen Gründen bestimmte Präferenzen. Allerdings stecken hier besondere rechtliche Risiken: Wird das falsche Gremium beteiligt, drohen – je nach Gerichtsbezirk – gar Unterlassungsverfügungen, die das (vermeintlich) richtige Gremium beantragt sowie später finanzielle Schäden durch Nachteilsausgleichsansprüche von Arbeitnehmern.

Dabei gilt im BetrVG der allgemeine Grundsatz, dass jeweils der (örtliche) Betriebsrat zuständig ist. Nur im rechtlichen Ausnahmefall sind der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat zuständig. Nach § 50 Abs. 1 BetrVG ist für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats erforderlich, dass die Angelegenheit (kumulativ)

  • das Gesamtunternehmen oder zumindest mehrere Betriebe des Unternehmens betrifft und
  • nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.

Zu beachten ist außerdem, dass für ein und dieselbe Betriebsänderung verschiedene Gremien zu beteiligen sein können. Selbst bei übergreifenden Projekten, bei denen der Gesamtbetriebsrat für die Verhandlung des Interessenausgleichs zuständig ist, wird für die Verhandlungen über einen Sozialplan in der Regel der (lokale) Betriebsrat zuständig sein. 

Budgetierung der arbeitsrechtlichen Umstrukturierung im Blick behalten

Natürlich darf bei alledem die Budgetierung, d. h. die Kalkulation der Kosten für die jeweilige Handlungsoption, nicht fehlen. Die wesentlichen Kostenblöcke bei einem Personalabbau sind 

  • die Personalkosten bis zur Umsetzung der Maßnahme gemäß Zeitplan, 
  • etwaige Retention-Boni zur Sicherung des ordnungsgemäßen Betriebsablaufs, 
  • Leistungen zur Milderung der mit dem Arbeitsplatzverlust verbundenen Nachteile (insbesondere Abfindungen)
  • sowie ggf. weitere Kosten, etwa für Outplacement-Leistungen, eine Transfergesellschaft, den Ausgleich von Vergütungsdifferenzen und dergleichen.

Erfahrungsgemäß wird die Abfindungshöhe neben tariflichen Vorgaben vor allem durch die bisherige Praxis (d. h. in der Vergangenheit im Unternehmen eingesetzte Abfindungsfaktoren) sowie die Branchenüblichkeit, regionale Besonderheiten, und die aktuelle Arbeitsmarktlage bestimmt. Gute Anhaltspunkte bietet hier die CMS Sozialplanstudie

Zeit- und Ablaufplan

Die Handlungsoptionen sind auch nach ihrer zeitlichen Umsetzbarkeit zu bewerten. Nicht nur für die Planung, sondern insbesondere auch für die Beteiligung der verschiedenen Gremien ist ausreichend Zeit einzuplanen. Das kann etwa einen – ggf. mitbestimmten – Aufsichtsrat betreffen, vor allem aber das zuständige Betriebsratsgremium bei einer etwaig erforderlichen Beteiligung in Bezug auf eine vorliegende Betriebsänderung.

Liegt eine Betriebsänderung vor, sind regelmäßig Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln. Hierfür sollten mindestens drei bis vier Monate eingeplant werden, je nach Umfang der Umstrukturierung können die Verhandlungen aber auch mehr Zeit benötigen. Das gilt insbesondere, wenn der zuständige Betriebsrat „auf Zeit spielt“ und versucht, die Verhandlungen zu verzögern. Bewusste Verzögerungen können dabei unserer Erfahrung nach am besten durch eine transparente und vertrauensvolle Zusammenarbeit verhindert werden.

Vorbereitung der arbeitsrechtlich relevanten Dokumente

Zu den arbeitsrechtlich relevanten Dokumenten, die vorbereitet werden sollten, können insbesondere zählen: 

  • der Interessenausgleich,
  • der Sozialplan,
  • eine begleitende Betriebsvereinbarung,
  • eine oder mehrerer Massenentlassungsanzeigen,
  • Betriebsratsanhörungsschreiben,
  • Kündigungs- und Versetzungsschreiben, sowie
  • Aufhebungsverträge und Abwicklungsverträge.

Zum Inhalt von Interessenausgleich und Sozialplan werden wir in einem gesonderten Beitrag unserer Blogreihe berichten.

Last but not least: Die richtige Kommunikation

Die Kommunikationsplanung ist bei arbeitsrechtlichen Umstrukturierungen von zentraler Bedeutung, da sie maßgeblich zur Akzeptanz und zum Erfolg der Maßnahmen beiträgt. Wohlüberlegt sollte sein, 

  • wann
  • wo / durch wen und
  • wie, d.h. mit welchen Mitteln/Kommunikationskanälen, 

die beabsichtigte Umstrukturierung bekanntgegeben wird. 

Eine klare, offene und zeitgerechte Kommunikation hilft, Unsicherheiten und Ängste bei den Mitarbeitenden zu reduzieren und Gerüchte zu vermeiden. Sie fördert das Verständnis für die Notwendigkeit der Veränderungen und kann die Unterstützung der Belegschaft sichern. Zudem trägt eine gut durchdachte Kommunikationsstrategie dazu bei, das Vertrauen in das Management zu stärken und die Unternehmenskultur auch in schwierigen Zeiten zu bewahren. Dadurch wird nicht nur die rechtliche und soziale Akzeptanz der Umstrukturierung erhöht, sondern auch die Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung und eine positive zukünftige Entwicklung des Unternehmens gelegt. 

Checkliste einer arbeitsrechtlichen Transformation im Unternehmen

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass gute Planung Zeit, Geld und Nerven spart. Die wichtigsten Planungsschritte sind, zusammengefasst:

  • Begründung der Maßnahme, Erstellung der Projektbeschreibung,
  • Aufstellung der Ressourcen,
  • Erarbeitung der Handlungsoptionen,
  • Prüfung der (arbeits-)rechtliche Umsetzbarkeit, insbesondere der Beteiligungspflichten,
  • Budgetierung,
  • Erstellung eines Zeit- und Ablaufplans,
  • Vorbereitung der wesentlichen Dokumente und
  • Erstellung eines Kommunikationsplans.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitsrecht Chancen durch Transformation Umstrukturierung