7. November 2023
Mobilitätsdatengesetz 
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Neues Mobilitätsdatengesetz: Zukunftstreiber im Mobilitätssektor

Bundesregierung legt Eckpunkte zu einem neuen Mobilitätsdatengesetz vor, um das Potential von Mobilitätsdaten besser zu erschließen.

Die Bedeutung von Mobilitätsdaten für Digitalisierung und Nachhaltigkeit ist bereits hoch und nimmt weiter ständig zu. Schon heute werden intelligente Verkehrssysteme (IVS) in Deutschland eingesetzt, um Staus und stockenden Verkehr durch Lichtzeichen- und Verkehrsbeeinflussungsanlagen zu vermeiden. 

In ihnen liegt aber noch mehr Potential, zum Beispiel, um die Klimaneutralität und Verkehrssicherheit voranzubringen: Eine gleichmäßige Fahrweise statt eines häufigen Wechsels zwischen Beschleunigung und Abbremsen erzeugt weniger Emissionen. Fahrzeugverkehr und Verkehrsanlagen wie Ampeln kommunizieren in Echtzeit. Durch automatische Geschwindigkeitsanpassungen und abgestimmte Ampelphasen entsteht ein optimaler Verkehrsfluss. Diese Art des Datenaustauschs im Rahmen der intelligenten Verkehrssysteme bildet zudem die Grundlage für selbstfahrende Autos. Auch in dem Bereich der Digitalisierung fördern Mobilitätsdaten Innovationen: Für einen attraktiven ÖPNV sind nahtlose, barrierefreie und nutzerfreundliche Reisestrecken und Anschlussverbindungen wichtig. Gut aufbereitete Informationen über Buchungssysteme, Wegstrecken und Wartezeiten bieten einen Anreiz vom Individualverkehr auf den ÖPNV umzusteigen. Sie sollten dafür möglichst in einer App erhalten sein, und zwar verkehrsmittelübergreifend. Der Schlüssel ist Intermodalität und multimodales Reisen. 

Um aber zukünftig das volle Potential von Mobilitätsdaten ausschöpfen zu können, werden von Politik, Verbänden und Unternehmen schon länger Änderungen gefordert; diese betreffen beispielsweise Zugangsrechte und Bereitstellungspflichten. Auch auf europäischer Ebene gibt es zahlreiche Aktivitäten, die zum Teil in deutsches Recht umgesetzt werden müssen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat deshalb am 25. Juli 2023 ein Eckpunktepapier zum Mobilitätsdatengesetz vorgelegt. Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, dass mehr und bessere Reise- und Verkehrs-Infrastrukturdaten zu fairen Bedingungen bereitgestellt und wiederverwendet werden. Ein Referentenentwurf des Mobilitätsdatengesetzes soll bis Ende 2023 vorliegen. 

Klar ist bereits jetzt: In Zukunft werden sich mehr Unternehmen und Mobilitätsdienstleister darauf einstellen müssen, Daten bereitzustellen. Damit ist auch das geplante Mobilitätsdatengesetz Teil des neu entstehenden Rechts der Datenwirtschaft. Wie sich das neue Gesetz in die bestehenden Regelungen zum Datenrecht einfügen soll, ist aber noch nicht erkennbar. 

Geplantes Mobilitätsdatengesetz 

Das geplante Mobilitätsdatengesetz soll regeln, wen zukünftig Bereitstellungspflichten treffen und wie der Zugang zu den Daten erfolgt. Mit einer Ausnahme: Daten aus vernetzten Fahrzeugen werden vom Gesetzesvorhaben nicht erfasst. Hierzu wird eine sektorspezifische Verordnung der EU erwartet. Diese wird insbesondere für die „in vehicle data“ spezifische Regelungen treffen. 

Schon im Koalitionsvertrag wurde ein Mobilitätsdatengesetz angekündigt, zu dessen Umsetzung das BMDV zwischen Oktober 2022 und März 2023 einen breit angelegten Stakeholder-Konsultationsprozess durchführte, der den Schwerpunkt darauf legte, wie Daten zur Ermöglichung nahtloser, multimodaler Mobilität besser genutzt werden können. Dabei kristallisierte sich heraus, dass eine hohe Datenqualität sichergestellt und Bereitstellungspflichten durchgesetzt werden müssen.

Das geplante Gesetz berücksichtigt mehrere bereits erlassene oder bald erwartete europäische Datenregelungen, wie die IVS-Richtlinie, die durch verschiedene Delegierte Verordnungen konkretisiert wird. 

Geltende Rechtslage

Durch die europäische Gesetzgebung ist schon heute geregelt, dass die Daten an einen nationalen Zugangspunkt, kurz NAP (für National Access Point) übermittelt werden, dessen Aufgaben in Deutschland die Mobilithek wahrnimmt. 

Bislang gelten Bereitstellungspflichten nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) nur für Unternehmer und Vermittler von Linien- und Gelegenheitsverkehr, also für Dateninhaber wie Verkehrsbetriebe des ÖPNV oder Unternehmen wie Uber. Es sind lediglich Daten im Zusammenhang mit der Beförderung von Personen im Linienverkehr und Gelegenheitsverkehr bereitzustellen, wobei die Übermittlung von historischen Daten und Auslastungsgeraden ausreichend ist. Zugang zu den Daten haben bisher nur Behörden und registrierte Dritte (§§ 5, 6 MDV). Es besteht keine Pflicht zur Erhebung von Daten, sondern nur eine Pflicht zur Bereitstellung erhobener Daten. Im Falle eines Pflichtverstoßes sind keine Sanktionsmöglichkeit vorgesehen.

Das Eckpunktepapier zum Mobilitätsdatengesetz skizziert mögliche Änderungen der aktuellen Gesetzeslage, die den Zugang zu den Mobilitätsdaten stärken

Das Eckpunktepapier versteht unter dem Begriff der Mobilitätsdaten Reise- und Verkehrs-Infrastrukturdaten, z.B. Fahrpläne, Verspätungsmeldungen, Echtzeit-Verfügbarkeit von Sharing-Fahrzeugen oder Meldungen über Baustellen. Diese können für die Berechnung von Routenalternativen oder zur tatsächlichen Navigation verwendet werden. 

Zukünftig sollen auch Anbieter für Mikromobilität und Anbieter von Sharing-Angebote sowie des Schienenpersonenverkehrs Daten in elektronischer Form an den NAP bereitstellen. Außerdem ist eine Bereitstellungspflicht für Auslastungsdaten in Echtzeit vorgesehen. Eine Pflicht zur Datenergebung besteht aber weiterhin nicht. Ziel des BMDV ist es, einen wirksamen, diskriminierungsfreien und sicheren Zugang zu Mobilitätsdaten zu ermöglichen. Deshalb plant es eine Bereitstellung als Open Data. Im Hinblick auf die Datensouveränität und ihren erheblichen Marktwert reagieren Dateninhaber verhalten und teils ablehnend auf eine offene Bereitstellung. Ein Frühwarnsystem soll gegen Verstöße der Bereitstellungspflichten eingreifen und ein Bußgeld als letztes Sanktionsmittel verhängt werden können. 

Verhältnis des Mobilitätsdatengesetzes zum Data Act

Der EU Data Act und das Mobilitätsdatengesetz verfolgen dieselbe Zielsetzung: Das ungenutzte Potential von Daten soll gehoben werden, der Zugang zu und die Nutzung von Daten soll gefördert werden. Der Data Act, der Teil der europäischen Datenstrategie ist, wird zeitnah als europäische Verordnung in Kraft treten Anders als beim geplanten Mobilitätsdatengesetz müssen Daten nach dem Data Act allerdings keiner zentralen Stelle, wie dem NAP, zur Verfügung gestellt werden. Im Fokus des Data Act steht vielmehr der Nutzer der Daten. Primär ihm gegenüber bestehen die Pflichten von Hersteller bzw. Dateninhaber auf Zugang zu den Daten. Er kann sich dazu eines „Datenmittlers“ als Intermediär bedienen. 

Der Data Act betrifft den Zugang zu und die Nutzung von Daten, die von intelligenten und vernetzten Geräten.  erzeugt werden. Beim Data Act handelt es sich um eine horizontale Regelung, die für alle Wirtschaftszweige gilt und keine sektorspezifischen Vorgaben trifft. Für die Mobilitätsbranche ist der Data Act gleichwohl relevant. Die größte Relevanz dürfte die Verordnung für Daten aus intelligenten Fahrzeugen (smart cars) haben. Diese werden vom Mobilitätsdatengesetz hingegen nicht erfasst. Vielmehr zielt das Gesetz auf Sharing-Angebote, Anbieter für Mikromobilität und des Schienenpersonenverkehrs. Überschneidungen sind aber durchaus denkbar, weil auch bei diesen Verkehren Daten aus vernetzten Geräten anfallen können, die dann vom Hersteller dem Nutzer (Eigentümer oder Mieter) zugänglich gemacht werden müssen.

Unklar ist, in welchem Verhältnis beide Regelungen zueinander stehen werden. Die Eckpunkte zum Mobilitätsdatengesetz enthalten keine Regelung dazu. Es muss daher wohl davon ausgegangen werden, dass Data Act und Mobilitätsdatengesetz nebeneinander anwendbar sein werden. 

Verhältnis des Mobilitätsdatengesetzes zur DSGVO

Mobilitätsdaten (Straßendaten, Verkehrsdaten oder Reisedaten) enthalten im Wesentlichen Sachdaten, wie Informationen zu Baustellen oder Witterungsverhältnissen, Daten zu Fahrplänen oder Angaben zu Auslastungen von Straßen, Parkplätzen und Verkehrsmitteln. Ein Bezug zu (natürlichen) Personen dürfte daher im Regelfall nicht gegeben sein, ist aber nicht ausgeschlossen: Denn auch Mobilitätsdaten können in Ausnahmefällen durch Zuordnung zu einer Person mittels einer Kennnummer (wie z.B. das KfZ-Kennzeichen), Standortdaten, Videoaufnahmen oder Fotos, Personenbezug haben. Handelt es sich bei Mobilitätsdaten zugleich um personenbezogene Daten, muss die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beachtet werden. Es stellt sich daher die Frage, wie der Mobilitätsanbieter, der derartige Daten nach dem Mobilitätsdatengesetz zur Verfügung stellen muss, gewährleisten kann, dass die Datenbereitstellung im Rahmen der Vorgaben der DSGVO erfolgt. Muss zuvor eine Anonymisierung erfolgen? Stellt das Mobilitätsdatengesetz selbst eine Rechtsgrundlage zur Verfügung? Klarstellungen im Mobilitätsdatengesetz wären wünschenswert. 

Ausblick: Europarechtliche Initiativen mit Einfluss auf die deutsche Gesetzgebung zu Mobilitätsdaten

Auf europarechtlicher Ebene werden derzeit weitere Verordnungen diskutiert, die Einfluss auf die deutsche Gesetzgebung haben könnten. Zunächst gibt es Bestrebungen die EU-Verordnung 2017/1926 (MMTIS-VO) zu multimodalen Informationsdiensten zu ändern. Das sieht zum einen die Initiative zu EU-weitem multimodalen Reisen mit neuen Spezifikationen für Reiseinformationsdienste vor. Durch die Initiative sollen mehr Daten über multimodale digitale Mobilitätsdienste bereitgestellt werden, sprich die nahtlose sowie verkehrsmittelübergreifende Reiseplanung könnte erleichtert werden. Hierfür liegt bereits ein Kommissionsvorschlag in englischer Sprache vor. 

Zum anderen beabsichtigt die Initiative zu Multimodalen digitalen Mobilitätsdiensten (MDMS) ebenfalls Änderungen der MMTIS-VO. Die Initiative definiert MDMS als Systeme, die Informationen unter anderem über den Standort von Verkehrsmitteln, Fahrplänen, Verfügbarkeit und Tarife von mehr als einem Verkehrsanbieter bereitstellen, mit oder ohne die Möglichkeit, Reservierungen bzw. Zahlungen vorzunehmen oder Fahrscheine auszustellen (z.B. Routenplaner, Online-Ticketverkäufer, Ticketvermittler). Ihr Ziel ist es, Lücken in der Mobilitätsplanung zu schließen, die durch Lücken im Mikromobilitätsangebot entstehen. Das betrifft etwa Routen mit E-Scootern oder E-Bikes, die häufig am Anfang oder am Ende einer Reise stehen, aber von App-Anwendungen nicht als Anschlussmöglichkeiten aufgezeigt werden. Beispielsweise erfasst Google Maps neben ÖPNV-Routen zwar auch Fahrradstrecken, kombiniert diese aber nicht miteinander und zeigt auch keine Standorte von verfügbaren Mietfahrrädern an. 

Ein Gesetzesentwurf für die Initiative wurde jedoch kürzlich vom Ausschuss für Regulierungskontrolle innerhalb der EU-Kommission gestoppt. Ein erneuter Anlauf könnte erst nächstes Jahr gelingen. 

In unserer Blog-Serie „#CMSdatalaw″ gehen wir auf die für die Wirtschaft, Forschung und Industrie maßgeblichen Schritte ein, mit denen die EU-Kommission die Ziele ihrer Digital- und Datenstrategie erreichen möchte. Besuchen Sie zum Datenrecht zudem gern unsere CMS Insight-Seite „Data Law“.

Tags: Data Act Datenschutz Datenwirtschaft freier Zugang zu Verkehrsdaten Mobilität Mobilitätsdaten Mobilitätsdatengesetz