1. September 2022
E-Signatur Transaktion
Elektronische Signaturen und Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht

E-Signaturen im Transaktionsbereich

Was sind E-Signaturen und welche Möglichkeiten bieten E-Signaturen den Parteien im Rahmen von M&A Transaktionen?

Die Corona-Pandemie hat das Fehlen digitaler Lösungen, gerade auch im Transaktionsbereich, offengelegt. Gleichzeitig hat sie aber auch den Einsatz und die Entwicklung digitaler Lösungen beschleunigt. Viele M&A-Vertragsverhandlungen werden mittlerweile nicht mehr physisch vor Ort, sondern per Online-Videokommunikation geführt. Es werden Entwürfe am Computer-Bildschirm geteilt und in sog. „Live-Drafting Sessions“ endverhandelt. Demgegenüber erscheint die nach wie vor erforderliche physische Präsenz der Parteien beim Notar* für Beurkundungen von Unternehmenskaufverträgen fast schon aus der Zeit gefallen.

Die gute Nachricht ist: Der Gesetzgeber hat die Digitalisierungsdefizite grds. erkannt. Am 1. August 2022 ist das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist die Modernisierung bestimmter Bereiche des Handels- und Gesellschaftsrechts. Das Gesetz ermöglicht u.a. Online-Gründungen von Kapitalgesellschaften und sieht in diesem Rahmen auch Online-Beurkundungen vor.

Die schlechte Nachricht ist: Das DiRUG hat für den Transaktionsbereich keine nennenswerten Erleichterungen geschaffen. Insbesondere Online-Beurkundungen von Unternehmenskaufverträgen sind nach wie vor nicht möglich. Es gibt allerdings bereits jetzt die Möglichkeit, zumindest nicht beurkundungsbedürftige M&A-Verträge ohne physische Unterschrift abzuschließen – nämlich mittels elektronischer Signatur.

Es lohnt sich daher, einen Blick auf die Formen der elektronischen Signatur zu werfen und ihre Einsatzmöglichkeiten im Transaktionsbereich zu prüfen.

Drei Formen der elektronischen Signatur

Unterschieden wird nach der eIDAS-Verordnung zwischen drei Formen der elektronischen Signatur: 1. der einfachen elektronischen Signatur, 2. der fortgeschrittenen elektronischen Signatur und 3. der qualifizierten elektronischen Signatur. 

1. Einfache elektronische Signatur

Die Definition der einfachen elektronischen Signatur ergibt sich aus dem Kontext, dass an diese in der eIDAS-Verordnung, im Gegensatz zur fortgeschrittenen oder qualifizierten elektronischen Signatur, keine weiteren Anforderungen gestellt werden als in Art. 3 Nr. 10 der eIDAS-Verordnung. Für die einfache elektronische Signatur reicht bereits die Unterschrift per Touchscreen oder eine E-Mail-Signatur.

2. Fortgeschrittene elektronische Signatur

Gem. Art. 26 der eIDAS-Verordnung müssen für das Vorliegen der fortgeschrittenen elektronischen Signatur folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen: 

  • eindeutige Zuordnung zum Unterzeichnenden;
  • Möglichkeit der Identifikation des Unterzeichnenden;
  • Erstellung unter Verwendung von elektronischen Signaturerstellungsdaten, die der Unterzeichnende allein unter seiner Kontrolle verwenden kann; und
  • eine Verbindung der Signatur mit den zu unterzeichnenden Daten in der Art, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt wird. 

Die Zuordnung und Identifikation des Unterzeichnenden erfolgt meist durch ein von einschlägigen Dienstleistern wie Adobe Acrobat Sign oder DocuSign vorgegebenes Authentifizierungsverfahren. Die anderen Voraussetzungen werden mittels einer Signatursoftware sichergestellt, die einen Hashwert (ein Code aus Buchstaben und Zahlen) bei der Unterzeichnung durch den Versender erstellt. Um eine nachträgliche Veränderung der Daten zu verhindern, wird beim Empfänger ebenfalls ein solcher Hashwert erstellt und dieser ist dann mit dem ersten Hashwert abgleichbar. 

3. Qualifizierte elektronische Signatur

Die qualifizierte elektronische Signatur erfordert nach Art. 3 Nr. 12 eIDAS-Verordnung neben den Voraussetzungen des Art. 26 eIDAS-Verordnung zusätzlich die Erstellung durch eine Signaturerstellungseinheit und die Verifizierung der Signatur durch ein qualifiziertes Zertifikat. 

In der Praxis bedeutet dies, dass die Signatur durch ein Lesegerät oder eine Signaturkarte mittels Signatursoftware erfolgen kann. Die Zertifizierung kann nur durch Vertrauensanbieter der Bundesnetzagentur erfolgen, die unter Bundesnetzagentur-Signatur aufgelistet sind. Die Identifikation erfolgt dabei durch ein Ausweisdokument mit Online-Ausweisfunktion (eID) oder durch ein Video-Ident-Verfahren. 

Durch die erfolgte Signaturprüfung unterliegt die qualifizierte elektronische Signatur im Gegensatz zu den beiden anderen Formen in Bezug auf die Echtheit des Dokuments nicht der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, sondern stellt einen Anscheinsbeweis nach § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO für die Echtheit des Dokuments dar. 

Formvorschriften im Gesetz und ihre Ersetzbarkeit durch E-Signaturen

Wie können die elektronischen Signaturen in der Praxis genutzt werden? Hierfür ist zunächst einmal eine Einordnung der elektronischen Signatur hinsichtlich der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorzunehmen. 

Das BGB sieht folgende Formvorgaben vor:

  • Textform, § 126b BGB – es ist keine Unterschrift erforderlich, sondern die Erklärung muss lediglich als Textdokument festgehalten werden und die Abgabe der Willenserklärung muss erkennbar sein.
  • Schriftform, § 126 BGB – es ist eine eigenhändige Unterschrift erforderlich.
  • Elektronische Form, § 126a BGB i.V.m. § 126 Abs. 3 BGB – die Schriftform kann, sofern das Gesetz nichts Abweichendes bestimmt, durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden.
  • Öffentliche Beglaubigung, § 129 BGB – erforderlich ist eine schriftliche oder – seit dem DiRUG – eine qualifizierte elektronische Erklärung, sofern die elektronische Form für die zu beglaubigende Willenserklärung nicht ausgeschlossen ist. In dem Fall, dass die qualifizierte elektronische Signatur zugelassen ist, kann der Notar die qualifizierte elektronische Signatur in seiner Gegenwart oder nach §§ 39a, 40a BeurkG durch Anerkennung mittels Videokommunikation, durch das von der Bundesnotarkammer gem. § 78p BNotO betriebene System, beglaubigen.
  • Notarielle Beurkundung, § 128 BGB – erforderlich ist eine Verlesung der Erklärungen durch oder vor einem Notar. Die Erklärungen müssen unterschrieben und von dem Notar gegengezeichnet werden. Erforderlich ist die persönliche Anwesenheit des Ausstellers während der gesamten Verlesung.

Einsatzmöglichkeit für die einfache und die fortgeschrittene elektronische Signatur in der M&A-Praxis 

Die einfache elektronische Signatur und die fortgeschrittene elektronische Signatur finden ihre Entsprechung in der Textform gem. § 126b BGB. Weder die einfache noch die elektronische Form kann also die gesetzlichen Schriftformerfordernisse ersetzen. Dieser Umstand ist im Transaktionsbereich auch im Rahmen von Due-Diligence-Prüfungen zu berücksichtigen, wo man vermehrt Gesellschafterbeschlüsse sieht, die mittels elektronischer Signatur durch die einschlägigen Dienstleister unterzeichnet wurden. Hier ist im Einzelfall kritisch zu prüfen, welche Art der elektronischen Signatur zum Einsatz gekommen ist und ob die gewählte Art den gesetzlichen oder (gesellschafts-)‌vertraglichen Anforderungen genügt.

Da Kunden der einschlägigen Dienstleister häufig nur die einfache oder die fortgeschrittene elektronische Signatur nutzen, ist der Anwendungsbereich für elektronische Signaturen in der Praxis beschränkt auf die Bereiche, bei denen die Textform bereits genügt. 

Während die Wahrung der Textform für den „Vertragsalltag“ von Unternehmen häufig ausreichen sollte, sieht das im M&A-Kontext meistens anders aus. Häufig ist die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) bzw. sind ihre Geschäftsanteile Kaufgegenstand der M&A-Transaktion. Der Verkauf und die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen erfordern aber gem. § 15 GmbHG die notarielle Beurkundung. Auch Unternehmenskaufverträge, die den Verkauf oder den Erwerb von Grundstücken (§ 311b Abs. 1 BGB) oder die Veräußerung des Vermögens im Ganzen vorsehen (§ 311b Abs. 3 BGB), sind notariell zu beurkunden. Hinzu kommt eine in der Praxis tendenziell eher weite Auslegung des Gesamtbeurkundungsgrundsatzes, wonach ein grds. nicht formbedürftiges Rechtsgeschäft mitbeurkundet werden muss, wenn es mit dem formbedürftigen Rechtsgeschäft eine Einheit im Rechtssinne bildet, sodass die Parteien häufig, schon um den sichersten Weg zu wählen, auch sämtliche weitere im Zusammenhang mit dem Erwerb stehende Dokumente notariell beurkunden werden.

In all diesen Fällen scheidet die Anwendung der einfachen und der fortgeschrittenen elektronischen Signatur aus.

Einsatzmöglichkeit für die qualifizierte elektronische Signatur in der M&A-Praxis

Die qualifizierte elektronische Signatur wahrt demgegenüber zwar gem. § 126 Abs. 3 i.V.m. § 126a BGB in den meisten Fällen die Schriftform. Ihre Verbreitung ist in der Praxis allerdings im Vergleich zu den anderen elektronischen Signaturen gering. Denn sie ist relativ schwierig zu implementieren und setzt registrierte Nutzer voraus. Die Endnutzer müssen vor der Erstnutzung eine persönliche bzw. digitale persönliche Identifizierung vornehmen und im Anschluss hieran bei jeder Anmeldung eine Zwei-Faktor-Authentifizierung durchlaufen. 

Für den Unternehmensalltag ist die qualifizierte elektronische Signatur meistens nicht erforderlich und zu teuer. Viele Vertragsabschlüsse sind formlos möglich und können unproblematisch mit der einfachen oder der fortgeschrittenen elektronischen Signatur abgeschlossen werden. Für Unternehmenskaufverträge oder Beschlussfassungen im M&A-Kontext, die beurkundungspflichtig sind, stellt sie wiederum keine Alternative dar. Denn die notarielle Beurkundung setzt gem. § 128 BGB grds. voraus, dass die Erklärungen durch einen oder vor einem Notar verlesen werden. Für beurkundungspflichtige Rechtsgeschäfte wie bspw. Unternehmenskaufverträge, die den Verkauf und die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen vorsehen, oder für im M&A-Kontext beurkundungspflichtige Gesellschafterbeschlüsse (bspw. § 179a AktG) ist es daher nach wie vor erforderlich, dass die Parteien den Gang zum Notar antreten oder der Notar den Gang zu den Parteien antritt. 

Zu beachten ist ferner, dass die qualifizierte elektronische Signatur darüber hinaus auch nicht in allen Fällen die Schriftform ersetzen kann. Insbesondere im Arbeitsrecht gibt es diesbezüglich zahlreiche Einschränkungen. Etwa bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses (§ 623 BGB) oder bei der Niederschrift der Arbeitsbedingungen gem. NachwG reicht die qualifizierte elektronische Signatur nicht aus. Allerdings können nach dem DiRUG seit dem 1. August 2022 Handelsregisteranmeldungen mit elektronisch qualifizierter Signatur mittels Videokommunikation durch den Notar beglaubigt werden. Es bleibt abzuwarten, ob das in Zukunft zu einer höheren Akzeptanz der qualifizierten elektronischen Signatur führen wird.

E-Signaturen im Transaktionsbereich kaum praxisrelevant

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die elektronischen Signaturen für den Transaktionsbereich derzeit keinen nennenswerten Mehrwert schaffen. Die qualifizierte elektronische Signatur kann grds. die Schriftform ersetzen und mit ihr sind Online-Beglaubigungen durch den Notar möglich. Sie hat allerdings relativ hohe technische und logistische Anforderungen und schafft daher keine wirkliche Erleichterung für die M&A-Praxis. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass man ihr in der M&A-Praxis de facto nicht begegnet, obwohl die Möglichkeit ihres Einsatzes bereits seit 2001 besteht. Für die im Transaktionsgeschäft im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen oftmals relevante notarielle Beurkundungspflicht gibt es weiterhin keine digitale bzw. keine elektronische Lösung.

Auch wenn das DiRUG keine digitalen Lösungen für den Transaktionsbereich vorsieht, kann es doch dessen Digitalisierung anstoßen. Denn der Gesetzgeber wird sich kritisch fragen lassen müssen, warum die Beurkundung eines Kauf- und Abtretungsvertrags nur physisch vor dem Notar erfolgen können soll, während die beurkundungspflichtige Online-Bargründung einer GmbH ohne physische Präsenz erfolgen kann. Es ist damit zu rechnen, dass der Druck auf den Gesetzgeber, digitale Erleichterungen für die Parteien zu schaffen, auch im Transaktionsbereich steigen wird. Letztendlich geht es ein Stück weit auch um die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Rechtsmarktes. Im Ausland sind notarielle Beurkundungserfordernisse im Transaktionsbereich die Ausnahme, sodass die Hürden für den Einsatz digitaler Lösungen im Ausland schon jetzt vergleichsweise geringer sein dürften. 

In unserem CMS-Blog informieren wir Sie fortlaufend mit aktuellen Beiträgen über elektronische Signaturen und die Nutzung von Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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