6. Mai 2020
Immobilienvermögen Erbschaftsteuer
Immobilien in der Nachfolge

Immobilienvermögen erbschaftsteuer- und schenkungsteuerfrei übertragen – Verschonungsregeln für Wohnungsunternehmen

Privilegien der Erbschaftsteuer für Wohnungsunternehmen ermöglichen, Immobilienvermögen begünstigt bis vollkommen steuerfrei auf Nachfolger zu übertragen.

Wann die Voraussetzungen der gesetzlichen Verschonungsregelungen vorliegen und in welchen Fällen Wohnungsunternehmen eine geeignete Gestaltungsalternative in der Nachfolge darstellen können, wird hier erläutert.

Der Grundsatz: Keine Anwendung der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen für vermietete Immobilien

Die Anwendung der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen nach § 13a ff Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) setzt in erster Linie sogenanntes begünstigungsfähiges Vermögen voraus. Hierzu gehört das inländische Betriebsvermögen, u.a. beim Erwerb Betrieben, Anteilen an gewerblichen Personengesellschaften oder der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft bei einer Beteiligungsquote von mehr als 25%.

Neben der Regelverschonung, die einen Verschonungsabschlag von 85% vorsieht, kann begünstigtes Vermögen auf Antrag im Rahmen der sogenannten Optionsverschonung unter bestimmten Voraussetzungen auch vollständig erbschaft- bzw. schenkungsteuerfrei übertragen werden.

Allerdings sind Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke – kurz gesagt vermietete Immobilien – als sog. „Verwaltungsvermögen″ grundsätzlich von diesen Verschonungsregelungen ausgenommen.

Die Ausnahme: Erbschaftsteuerlich privilegierte Wohnungsunternehmen

Das ErbStG sieht dazu in § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG jedoch eine Rückausnahme für im Betriebsvermögen gehaltene Immobilien vor, welche von sogenannten „Wohnungsunternehmen″ fremdvermietet werden. Eine entsprechende Anwendung dieser Regelungen für im Privatvermögen gehaltenen Wohnungsbestand sieht das Gesetz hingegen nicht vor, was der Bundesfinanzhof (BFH) zuletzt in seinem Beschluss vom 29. August 2019 (Az.: II B 79/18, BFH/NV 2020, 22) bestätigt hat. Entscheidend für die Anwendung der Erbschaftsteuerverschonung ist damit die Frage, ob ein „Wohnungsunternehmen″ vorliegt:

Beim Wohnungsunternehmen handelt es sich nicht um einen gesetzlichen Begriff, sondern die gebräuchliche Beschreibung der in der Rückausnahme des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG geregelten Betriebe. Diese setzen voraus, dass

  • die Immobilien zum Betriebsvermögen einer Gesellschaft gehören,
  • der Hauptzweck des Betriebes in der Vermietung von Wohnungen liegt und dies einen
  • wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 Abgabenordnung (AO) erfordert.

Aus der Gesetzesbegründung folgt dazu u.a., dass die Privilegierung solcher Betriebe dadurch gerechtfertigt sei, dass Wohnungsvermietungsunternehmen Arbeitsplätze in nicht unerheblichem Umfang zur Verfügung stellen. Eine Gefährdung solcher Betriebe aufgrund der Bezahlung von Erbschaft-/Schenkungsteuer soll vermieden werden.

Voraussetzung des erforderlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs – „Quantität versus Qualität″?

Vorausgesetzt der Wohnungsbestand des Erblassers oder Schenkers wird im Betriebsvermögen gehalten und die Vermietung der Wohnungen ist der Hauptzweck des Unternehmens, stellt der erforderliche „wirtschaftliche Geschäftsbetrieb″ den wesentlichen Dreh- und Angelpunkt für die Anwendung der erbschaftsteuerlichen Verschonung dar. Hier bestehen allerdings sehr unterschiedliche Auffassungen zwischen Finanzverwaltung und höchstrichterlicher Rechtsprechung:

Die Finanzverwaltung berücksichtigt als Indiz für die Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes im Wesentlichen folgenden Kriterien:

  • Umfang der Geschäfte,
  • Unterhalten eines Büros,
  • Buchführung zur Gewinnermittlung,
  • Umfangreiche Organisationstruktur zur Durchführung der Geschäfte,
  • Bewerbung der Tätigkeit,
  • Anbieten der Dienstleistung/ Produkte einer breiten Öffentlichkeit gegenüber.

Insbesondere geht die Finanzverwaltung aber davon aus, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb regelmäßiganzunehmen ist, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält. Die Gestaltung eines im Sinne der Finanzverwaltung verschonungsfähigen Wohnungsunternehmens unterhalb dieser Grenze stellt in der Praxis daher eine erhebliche Herausforderung dar.

Dieser quantitativen Betrachtungsweise hatte der BFH mit Urteil vom 24. Oktober 2017 (Az.: II R 44/15) eine klare Absage erteilt. Er beurteilt vielmehr nach qualitativen Gesichtspunkten unter Heranziehung ertragsteuerlicher Kriterien, wann ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO vorliegt. Nach Auffassung des BFH gehören danach von einer Wohnungsvermietungsgesellschaft vermietete Immobilien nur zum begünstigten Vermögen i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG, wenn die Gesellschaft neben der Vermietung im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs Zusatzleistungen erbringt, die das bei langfristigen Vermietungen übliche Maß überschreiten. Diese Sonderleistungen müssen der Vermietungstätigkeit einen originär gewerblichen Charakter (in Abgrenzung zur reinen Vermögensverwaltung) verleihen. Auf die Anzahl der vermieteten Wohnungen komme es hingegen nicht an. Das Erbringen von solchen nichtvermietertypischen Sonderleistungen nimmt der BFH z.B. an, wenn

  • die Reinigung der vermieteten Wohnungen übernommen wird,
  • das Gebäude überwacht wird,
  • die Räume in der mit dem Mieter vereinbarten Weise ausgestattet werden,
  • Bettwäsche überlassen und monatlich gewechselt wird,
  • ein Aufenthaltsraum mit Fernsehapparat und ein Krankenzimmer bereitgehalten werden,
  • ein Hausmeister bestellt wird.

Nach Auffassung des BFH kann damit auch bei einem Wohnungsbestand von weniger als 300 Wohnungen ein sog. Wohnungsunternehmen gegeben sein.

Auf dieses Urteil hat die Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass reagiert. Sie ist weiterhin – auch nach den neuen Erbschaftsteuerrichtlinien vom 16. Dezember 2019 – R E 13b.17 ErbStR 2019 – der Auffassung, dass an der bisherigen quantitativen Betrachtungsweise festzuhalten sei. Neben den oben genannten Indizien kommt es daher für die Finanzverwaltung nach wie vor wesentlich auch auf die mengenmäßige Betrachtung des Wohnungsbestandes an.

Erbschaftsteuer bei Wohnungsunternehmen: Mitbegünstigung gewerblicher Vermietungsobjekte möglich

Voraussetzung der Begünstigung ist, dass der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von eigenen Wohnungen besteht. Die Beurteilung richtet sich nach dem Verhältnis der Grundbesitzwerte der vermieteten Wohnungen zu den Grundbesitzwerten aller vermieteten Grundstücke (R E 13b.17 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2019).

Ist diese Voraussetzung erfüllt, rechnen nach Auffassung der Finanzverwaltung auch die zu gewerblichen Zwecken vermieteten Grundstücke nicht zum Verwaltungsvermögen und können aufgrund dieser großzügigen Auffassung der Finanzverwaltung ebenfalls von den erbschaftsteuerlichen Begünstigungen profitieren – anders als wenn derartige vermietete Grundstücke in einem anderen Betriebsvermögen vorhanden sind. Wichtig ist allerdings, dass das Wertverhältnis der Wohngrundstücke und der weiteren Grundstücke überwacht wird.

Rechtsformwahl und Steuerfolgen bei der Errichtung von Wohnungsunternehmen

Die grundlegende Entscheidung, die bei der Gründung eines Wohnungsunternehmens getroffen werden muss, ist die Frage der Rechtsform. Da es sich um betriebliches Vermögen handeln muss, kommen die GmbH oder die (gewerblich geprägte) GmbH & Co. KG in Betracht. Meist hängt die Entscheidung für die eine oder andere Rechtsform von den laufenden Steuerfolgen und denen bei Transfer der Immobilien in die Gesellschaft ab.

In der Regel befinden sich die Immobilien (noch) nicht in einer gewerblichen Gesellschaft, sondern müssen erst in diese transferiert werden. Die steuerlichen Folgen bei Einbringung des Wohnungsbestandes in die Gesellschaft sind damit maßgeblich von der Rechtsform des Wohnungsunternehmens abhängig.

Die Übertragung der Immobilien kann insbesondere Grunderwerbsteuer oder Einkommensteuer auslösen. Während sich die Grunderwerbsteuerbelastung bei der Übertragung in eine Kapitalgesellschaft regelmäßig nicht vermeiden lässt, kann die Übertragung in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft auch ohne Grunderwerbsteuer umgesetzt werden. Entsprechendes gilt für die Einkommensteuer, wenn die Grundstücke noch nicht länger als 10 Jahre im Bestand sind.

Die Übertragung „älterer″ Grundstücke ist jedoch in beiden Fällen steuerfrei. Eine ausführliche Darstellung der Rechtsfolgen bei Übertragung von Immobilien in eine Gesellschaft erfolgt im Beitrag zur Besteuerung des Familienpools mit Immobilien.

Steuerfolgen der laufenden Besteuerung von Wohnungsunternehmen

Auch die laufenden Steuerfolgen sind von der Rechtsform abhängig. Ein wesentlicher ertragsteuerlicher Nachteil des Betriebsvermögens ist hier die Steuerpflicht von Wertsteigerungen.

Im Betriebsvermögen unterliegen die Vermietungseinkünfte zudem der Gewerbesteuer. Durch Anwendung der erweiterten Kürzung kann die Gewerbesteuer vermieden werden, wodurch sich insbesondere bei der GmbH als Wohnungsunternehmen eine günstigere Steuerbelastung ergeben kann. Wird das Wohnungsunternehmen allein nach der typisierenden Auffassung der Finanzverwaltung mit mehr als 300 Wohnungen strukturiert, dürfte sich auch die Begünstigung bei der Gewerbesteuer erreichen lassen.

Erbringt die Gesellschaft – wie vom BFH gefordert – dagegen gewerbliche Zusatzleistungen, wird die Gewerbesteuer nicht vermeidbar sein.

Fazit: Wohnungsunternehmen als mögliche Gestaltungsoption vor allem bei umfangreichem Immobilienvermögen

Sofern der Erblasser oder Schenker über umfangreiches Immobilienvermögen verfügt und sein Unternehmen mehr als 300 Wohnungen hauptzweckmäßig vermietet, ist vorbehaltlich der Betrachtung der Gesamtumstände weiterhin davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung bei Übertragung des Wohnungsunternehmens die erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen anwenden wird.

Obwohl die Finanzverwaltung der dargelegten Auffassung des BFH bislang nicht folgt und zum jetzigen Zeitpunkt keine Umstände ersichtlich sind, aus denen sich Anderes ergeben könnte, ist eine Änderung der bisherigen Praxis dennoch möglich. Es ist daher empfehlenswert, sich frühzeitig mit der Übertragung eines „Wohnungsunternehmens im Sinne der Finanzverwaltung″ auf die nachfolgende Generation zu befassen, solange von der günstigen, typisierenden Auslegung der Verwaltung noch profitiert werden kann. Zur Absicherung der Auffassung der Finanzverwaltung könnte vor einer Übertragung eine verbindliche Auskunft eingeholt werden.

Andernfalls gilt – und das auch für Unternehmen, die weniger als 300 Wohnungen hauptzweckmäßig vermieten –, dass über eine mögliche Strukturierung des Unternehmens nachgedacht werden kann, die eine Implementierung der Sonderleistungen nach der Auslegung des BFH beinhaltet, um potentiell in den Genuss der erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen zu kommen.

In der Gesamtbetrachtung dürfte die Strukturierung eines Wohnungsunternehmens von Vorteil sein. Eventuelle ertragsteuerliche Nachteile dürften durch die Vorteile bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer deutlich überkompensiert werden.

Die Übersicht zur Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist der erste Beitrag unserer Serie zu Immobilien in der Nachfolge. In weiteren Beiträgen befassen wir uns mit der Immobilienbewertung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, der Steuerbefreiung des Familienheims und der Strukturierung und Übertragung von Immobilienvermögen. Zuletzt sind wir auf die Besteuerung des Familienpools mit Immobilien eingegangen.

Tags: Erbschaftsteuer Schenkungssteuer Verschonungsregelung Wohnungsimmobilien