2. Oktober 2024
Interne Untersuchung Staatsanwaltschaft
Interne Untersuchungen

Interne Ermittlungen und Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft

Hinsichtlich der Frage des Ob und des Wie der Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft im Rahmen von internen Untersuchungen stellen sich zahlreiche und vielschichtige rechtliche und taktische Fragestellungen, welche es in der Praxis sorgfältig abzuwägen gilt. 

Nach deutschem Recht existiert grundsätzlich keine Pflicht, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten anzuzeigen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur in besonderen Fällen, z.B. bei Nichtanzeige besonders schwerer Straftaten (u.a. Mord, Totschlag und Raub, vgl. § 138 StGB) oder bei Verdacht auf Geldwäsche. § 138 StGB ist im Zusammenhang mit Wirtschaftsstraftaten bzw. unternehmensbezogenen Straftaten regelmäßig nicht einschlägig.

Kooperation mit der Staatsanwaltschaft? Kein Richtig oder Falsch, sondern eine Einzelfallentscheidung 

Daher handelt es sich bei der Entscheidung, ob die Ermittlungsbehörden beim Auftauchen strafrechtlicher Verdachtsmomente eingeschaltet werden oder nicht, um eine unternehmerische Entscheidung, die nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile im konkreten Fall – insbesondere auch unter taktischen Gesichtspunkten – zu treffen ist. Unabhängig von der grundsätzlich nicht bestehenden Anzeigepflicht kann jedoch im Einzelfall eine zivil- oder gesellschaftsrechtliche Verpflichtung bestehen, Hinweisen auf rechtswidriges oder strafrechtlich relevantes Verhalten nachzugehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Fortsetzung des fraglichen Verhaltens zu einer Schädigung des Unternehmens oder des Unternehmensvermögens führen kann. 

Argumente für und gegen eine Kooperation mit der Staatsanwaltschaft

Für die Einbeziehung der Ermittlungsbehörden und/oder die Erstattung einer Strafanzeige kann sprechen, dass das Unternehmen damit ein klares und eindeutiges Compliance-Bekenntnis abgibt und dies seitens der Ermittlungsbehörden in aller Regel als vertrauensbildende und -fördernde Maßnahme eingeordnet wird. Darüber hinaus kann im Zuge einer Kooperation mit den Ermittlungsbehörden unter Umständen verhindert werden, dass diese im weiteren Verlauf strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, wie z.B. Durchsuchungen oder Vermögensarreste, ergreifen. 

Die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden birgt jedoch auch Risiken. So werden die Ermittlungen mit der Folge „aus der Hand gegeben″, dass nicht mehr allein das Unternehmen über die weitere Aufklärung des Sachverhalts entscheiden kann, sondern die Ermittlungsbehörden in die Entscheidungsfindung und die ggf. zu ergreifenden Maßnahmen einzubeziehen sind (Kontroll- und Steuerungsverlust). Zudem besteht die Gefahr, dass die Einbeziehung der Ermittlungsbehörden zu einer zeitlichen Verzögerung im Rahmen der weiteren Sachverhaltsaufarbeitung führt. Unbeschadet der Tatsache, dass die Ermittlungsbehörden bei Vorliegen eines Anfangsverdachts zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verpflichtet sind, verfügen sie über einen erheblichen Ermessensspielraum hinsichtlich des Ob und Wie der im Einzelfall zu ergreifenden Ermittlungsmaßnahmen. Hinzu kommt, dass die Strafverfolgungsbehörden teilweise stark überlastet sind, was ebenfalls zu erheblichen Verzögerungen führen kann. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Ermittlungsbehörden im Anschluss an deren Einbeziehung oder eine Strafanzeige strafprozessuale Zwangsmaßnahmen wie z.B. Durchsuchungen durchführen. Dies kann zu Unruhe im Unternehmen und unter Umständen sogar zu einem öffentlichen Bekanntwerden mit möglicher negativer Außenwirkung führen. 

Am Anfang das Ende und die möglichen Worst-Case-Szenarien vorausdenken: Entscheidung zur Kooperation nur schwer revidierbar 

Die vorstehend lediglich beispielhaft aufgeführten Pro- und Contra-Argumente machen deutlich, dass es für die Frage, ob ein strafrechtlicher Verdacht im Unternehmen mit oder ohne Einschaltung der Ermittlungsbehörden aufgeklärt werden soll, keine allgemeingültige Antwort gibt, sondern es sich stets um eine Entscheidung handelt, die unter sorgfältiger Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu treffen ist. 

In der Praxis ist es wichtig, die vorgenannten Vor- und Nachteile sowie Chancen und Risiken einer möglichen Kooperation mit den Ermittlungsbehörden vor dem etwaigen Beginn einer internen Untersuchung sorgfältig, ausführlich und offen mit den Unternehmensverantwortlichen zu besprechen und abzuwägen. Denn ist die grundsätzliche Entscheidung für eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden erst einmal gefallen und der Weg der Kooperation eingeschlagen, gibt es in der Regel kein Zurück mehr. Dieser Umstand kann nicht deutlich genug betont werden und gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die grundsätzliche Entscheidung, ob mit den Ermittlungsbehörden kooperiert werden soll, häufig zu einem sehr frühen Zeitpunkt getroffen werden muss, zu dem die Einzelheiten der im Raum stehenden Verdachtsmomente bzw. die weiteren Auswirkungen derselben oder die hiervon betroffenen Personen noch gar nicht konkret absehbar sind. In der Praxis kommt es durchaus nicht selten vor, dass interne Untersuchungen zunächst mit einer sehr ausgeprägten Aufklärungs- und Kooperationsbereitschaft geführt werden, die sich jedoch z.B. dann ins Gegenteil verkehrt, wenn noch im Unternehmen tätige Organe oder Führungspersonen in den Fokus der internen Ermittlungen geraten. Wie bereits ausgeführt, ist es in der Praxis jedoch regelmäßig nur schwer bzw. nur mit nicht unerheblichen Nachteilen möglich, die einmal getroffene Grundsatzentscheidung zur Kooperation zu revidieren. Ist der Weg der Kooperation erst einmal beschritten, erwarten die Ermittlungsbehörden in der Regel, dass dieser Weg auch konsequent zu Ende gegangen wird. 

Offener Austausch mit der Staatsanwaltschaft über die Rahmenbedingungen der Kooperation, um etwaigen Missverständnissen bzw. fehlerhaften Erwartungshaltungen vorzubeugen 

Wenn die grundsätzliche Entscheidung für eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden gefallen ist, ist zu empfehlen, die Art und Weise sowie die konkrete Ausgestaltung und die Rahmenbedingungen der Kooperation offen und konstruktiv mit den Ermittlungsbehörden zu besprechen sowie den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der internen Untersuchung „abzustecken“. Nur so kann etwaigen Missverständnissen und/oder einer fehlerhaften bzw. nicht realistischen Erwartungshaltung auf beiden Seiten vorgebeugt werden. 

Erwartungshaltung der Staatsanwaltschaft: objektive und neutrale interne Untersuchung unter Einhaltung der strafprozessualen Grundsätze 

Die Erwartungshaltung der Ermittlungsbehörden geht z.B. dahin, dass eine objektive, kritische und unabhängige Sachverhaltsaufarbeitung bzw. interne Untersuchung vorausgesetzt wird. Auch die spätere Übergabe des internen Untersuchungsberichts an die Ermittlungsbehörden wird regelmäßig erwartet und ist daher Bestandteil einer ernsthaften Kooperation. Wichtig ist auch die Einhaltung strafprozessualer Grundsätze, wie z.B. die ordnungsgemäße Belehrung im Rahmen von Befragungen, die sorgfältige und vollständige Protokollierung von Interviews oder die sorgfältige Trennung zwischen den Interessen des Unternehmens und den Interessen von betroffenen Einzelpersonen. Stellt sich beispielsweise im Rahmen einer internen Untersuchung heraus, dass strafrechtliche Verdachtsmomente gegen Organe oder Mitarbeiter des Unternehmens bestehen, ist von zentraler Bedeutung, dass diesen Personen rechtzeitig – und vor dem Zeitpunkt deren Befragung im Rahmen von Interviews – die Möglichkeit gegeben wird, externe Individualverteidiger (aus einer anderen als der die interne Untersuchung durchführenden Kanzlei) hinzuzuziehen und sich von diesen unabhängig beraten und vertreten zu lassen. Auch auf die sorgfältige und transparente Dokumentation des Ablaufs der internen Untersuchung sowie der Art und Weise der „Beweisfindung“ legen die Ermittlungsbehörden in der Regel großen Wert. Daher ist es zum Beispiel auch wichtig, den Ablauf und die Art und Weise der Durchführung einer forensischen Datenanalyse (eScan) einschließlich der zugrunde gelegten Suchmethodik und Stichwörter etc. sorgfältig und für einen objektiven Dritten nachvollziehbar zu dokumentieren. 

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