Nicht nur Formsache: Wie Verträge die Basis für erfolgreiche IT-Projekte schaffen.
Die Bedeutung von IT-Verträgen in der digitalen Welt
In der heutigen digitalen Welt spielen IT-Projekte eine zentrale Rolle. Die Praxis zeigt jedoch, dass Unternehmen die Mehrheit aller IT-Projekte nicht wie geplant durchführen und abschließen können. Umso wichtiger sind passende IT-Verträge, bilden sie doch die Grundlage und das Sicherheitsnetz für die Projektumsetzung. Sie dienen nicht nur der Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, sondern sind auch essenziell, um klare und verbindliche Regelungen zum Projektinhalt und -ablauf zu treffen. Ohne IT-Verträge greift das Gesetz. Die teils über 100-jährigen Regelungen des BGB sind jedoch nicht auf moderne IT-Projekte ausgelegt. Dies führt ohne geeignete Vertragsregelungen zu erheblichen Lücken und einer oft unangemessenen Risikoallokation.
Lücken schließen und Risiken minimieren
Mit gut ausgearbeiteten IT-Verträgen können viele dieser Regelungslücken geschlossen werden – jeweils angepasst an das konkrete Projekt und die Wünsche der Vertragsparteien. Dadurch können die Vertragsparteien die Risikoallokation situationsgerecht anpassen. Allerdings gibt es Grenzen in der freien vertraglichen Gestaltung. Gesetze bilden gleichzeitig das Grundgerüst und stecken den rechtlichen Rahmen ab – für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ist dieser selbst im B2B-Bereich sehr eng. Dadurch ist der Spielraum für Abweichungen vom Gesetz in AGB deutlich einschränkt. Individuell verhandelte Regelungen bieten hier eine Ausnahme, sofern bestimmte strenge Voraussetzungen erfüllt sind.
Was macht einen guten IT-Vertrag aus?
Ein guter IT-Vertrag bildet das Projekt, die Leistungen und die damit verknüpften Ziele sowie die tatsächliche Zusammenarbeit der Vertragsparteien möglichst zutreffend ab. Holzschnittartige Vertragstemplates helfen oft nur bedingt weiter; zu individuell sind die Anforderungen und Vorstellungen, wenn es nicht nur um den Kauf von Standardsoftware geht. Um überhaupt die jeweiligen Anforderungen und Zielvorstellungen zu kennen und entsprechend vertraglich abbilden zu können, braucht es eine enge Abstimmung zwischen den Legal-, Technik- und Businessteams. Gerade bei dieser interdisziplinären Zusammenarbeit hilft die Ausarbeitung eines individuellen Vertrages dabei, ein gemeinsames Verständnis der Vertragsparteien (und der verschiedenen Teams innerhalb einer Vertragspartei) zu erarbeiten und zu verproben. Bevor etwas konkret formuliert und dadurch präzisiert wird, herrscht oft nur vermeintlich Einigkeit. Ohne einen strukturierten und engen Austausch zeigen sich die unterschiedlichen Vorstellungen und Missverständnisse erst im laufenden Projekt. Nicht selten kommt es dadurch zu Blockaden und gesteigerten Kosten.
Darüber hinaus sind Verständlichkeit und Übersichtlichkeit entscheidend, da die Personen, die den Vertrag erstellen und verhandeln, nicht unbedingt diejenigen sind, die den Vertrag umsetzen. Die Vertragsparteien sollten beim Aufbau und den Formulierungen des Vertrages gerade bei größeren Projekten oder langen Vertragslaufzeiten auf Nachvollziehbarkeit achten. Als Maßstab für die Verständlichkeit sollte dienen, dass an den Verhandlungen bzw. am Projekt selbst nicht beteiligte Fachpersonen im Wesentlichen nachvollziehen können sollen, was gemeint ist.
Konsistenz in ein komplexes, zahlreiche Dokumente umfassendes Vertragswerk zu bringen, ist mehr als nur eine kosmetische Fleißaufgabe. Insbesondere, wenn verschiedene Workstreams parallel am Vertrag arbeiten (z.B. an technischen Dokumenten oder am Vergütungsmechanismus), ist es entscheidend, Widersprüche zwischen verschiedenen Vertragsbestandteilen zu vermeiden. Zentrale Begriffe sollten klar definiert und allen Teams als Glossar zur Verfügung gestellt werden. Regelmäßige Checks auf mögliche Widersprüche und eine ausreichende, teamübergreifende Abstimmung helfen dabei, Inkonsistenzen und Unklarheiten zu vermeiden.
Hilfreiche Richtschnur und Deeskalation im laufenden IT-Projekt
Während des laufenden Projekts bzw. der Leistungserbringung dient ein guter IT-Vertrag als hilfreiche Richtschnur. Ein passender Vertrag regelt, wer was wann zu tun hat und wie. Eine vertragliche Governance-Struktur legt Ansprechpersonen für bestimmte Themen fest (z.B. IT-Sicherheitsvorfälle) und definiert den Meetingrhythmus verschiedener Fachkreise und Governance-Ebenen (z.B. Projektleitung, Lenkungskreis). Zur Governance gehört auch ein passendes Reporting. So kann im Vertrag festgehalten werden, wer in welchen Intervallen welche Berichte erstellt sowie Inhalt und Form dieser Berichte. Durch eine geeignete Governance kann der Projektfortschritt bzw. die Leistungserbringung laufend überwacht werden. Mögliche Probleme werden so frühzeitig erkannt, sodass die Vertragsparteien rechtzeitig gegensteuern können.
Nicht immer – um nicht zu sagen in den wenigsten Fällen – läuft ein IT-Projekt nach Plan. Ein passender IT-Vertrag antizipiert mögliche Herausforderungen und bietet deeskalierende Lösungen. Für Änderungen am Leistungsumfang oder Anpassungen des Projektverlaufs kann ein passendes Change-Request-Verfahren die notwendige Flexibilität und gleichzeitig ein strukturiertes, dokumentiertes Vorgehen bieten. Können Meinungsverschiedenheiten oder Unklarheiten nicht auf der Projektebene gelöst werden, schafft ein klar geregeltes, mehrstufiges Konfliktbeilegungsverfahren Abhilfe.
Realistische Formanforderungen und sonstige Voraussetzungen tragen dazu bei, dass der Vertrag in der Praxis umsetzbar ist. Wo reicht eine E-Mail oder ein Besprechungsprotokoll, was sollte hingegen lieber schriftlich mitgeteilt werden? Die Vorstellungen unterscheiden sich hier sehr stark je nach Projekt sowie Unternehmenskultur. Übermäßig strenge Formvorschriften können dabei ein IT-Projekt in Bürokratie ersticken, zu schwammige Vorgaben führen zu fehlender Dokumentation und Unklarheiten darüber, was eigentlich gilt. Eine saubere Dokumentation von Änderungen im Vertrag oder Scope ist essenziell, um durchgehend eine klare Basis der Zusammenarbeit sicherzustellen. Ein guter IT-Vertrag lebt mit dem Projekt mit – bei einem schlechten Vertrag driften Vertragstext und gelebte Projektrealität immer weiter auseinander.
Ein modular aufgebauter IT-Vertrag schafft weitere Flexibilität, indem er etwa über zusätzliche Statements of Work neue Projekte und Leistungen abbilden kann.
Gestaltung von IT-Verträgen
Dieser Beitrag bildet den Auftakt zu unserer neuen Blog-Serie zur erfolgreichen Vertragsgestaltung bei IT-Projekten. Dabei widmen wir zentralen Aspekten eigene Blog-Beiträge zu Themen wie
- Vertragstyp bei IT-Projekten – eine bewusste Wahl
- Hauptsache (un)klar, Leistungsbeschreibung – konkret und detailliert vs. high-level und flexibel
- Change Management als Erfolgsfaktor im IT-Projekt
- Die Bedeutung von Mitwirkungsleistungen in IT-Projektverträgen
- Abhängigkeiten in IT-Projekten
- Die häufigsten Fehler bei IT-Verträgen.