14. April 2025
Koalitionsvertrag 2025 Healthcare

Der Gesundheitssektor im Koalitionsvertrag

Das Thema Gesundheit wird ein Schwerpunkt der neuen Koalition: Pharma und Medizintechnik als Leitindustrien, strukturelle Reformen für Gesundheit und Pflege.

Das Kapitel zu Gesundheit und Pflege zählt zu den umfangreichsten des 147-seitigen Koalitionsvertrags. Neben zentralen Aussagen zur Versorgung werden Pharma-, Biotech- und Medtech-Themen mehrfach hervorgehoben. Damit greift der Koalitionsvertrag eine Vielzahl gesundheitspolitischer Punkte auf. Die Bundesregierung plant umfassende Reformen im Gesundheitswesen – mit Fokus auf Prävention, Digitalisierung, Versorgungsqualität und Standortattraktivität.

Dabei bleibt vieles noch im Vagen und Unklaren. Die gesetzgeberischen Aktivitäten werden im Einzelnen zeigen, wie die Vorhaben im Detail aussehen. Unternehmen der Gesundheitswirtschaft sehen es als positives Signal, dass sowohl im Bereich der Gesundheitsindustrie als auch im Bereich der Gesundheitsversorgung Schwerpunkte gesetzt werden und die Versorgungslandschaft in Deutschland verbessert werden solle.

Im Folgenden geben wir einen ersten Überblick über zentrale Inhalte des Koalitionsvertrags.

Pharma und Medtech: Innovation, Versorgungssicherheit und Marktzugang

Die Regierung will die industrielle Gesundheitswirtschaft deutlich stärken. Die pharmazeutische Industrie und die Medizintechnik werden als „Leitwirtschaft“ anerkannt, wie der Koalitionsvertrag es ausdrückt. Sie bekommen also erhebliches gesamtwirtschaftliches Gewicht und dürften damit noch stärker als bisher in den Fokus wirtschaftspolitischer Gestaltung rücken.

Dabei setzt die Regierung auf Kontinuität beim Dialog mit der Pharmaindustrie und der Pharmastrategie. Deutschland soll zum weltweit innovativsten Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort werden. Die Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Produktion von Arzneimitteln, Wirkstoffen und Medizinprodukten möchte die Bundesregierung weiter verbessern und dazu die Nationale Pharmastrategie weiterentwickeln. Die Biotechnologie soll als Schlüsselindustrie gefördert und ihre Anwendungen regulatorisch erleichtert werden. Eines der wesentlichen damit verfolgten Ziele ist der erleichterte Zugang zu innovativen Therapien. Dafür soll unter anderem das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) weiterentwickelt werden, insbesondere zur Förderung personalisierter Medizin – ein Feld mit hohem Marktpotenzial.

Diese Maßnahmen sollen Unternehmen die Möglichkeit bieten, ihre Innovationskraft zu stärken und von einer verbesserten Marktzugänglichkeit zu profitieren. Die Rückverlagerung von Produktionsstandorten für kritische Arzneimittel und Medizinprodukte nach Deutschland und Europa soll die Versorgungssicherheit erhöhen. Dies kann insbesondere für Unternehmen von Vorteil sein, die in der Lage sind, ihre Produktion schnell anzupassen und von den neuen Standortvorteilen zu profitieren.

Hürden in der klinischen Forschung sollen abgebaut werden. Zudem sollen entsprechende Regelungen, etwa im Bereich der CAR-T-Zelltherapien harmonisiert werden. Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung investieren, könnten von einer etwaigen beschleunigten Markteinführung neuer Produkte profitieren. Gleichzeitig kann die Anpassung an neue regulatorische Rahmenbedingungen eine sorgfältige Planung und Umsetzung erfordern, um die Vereinbarkeit damit sicherzustellen und potenzielle Risiken zu minimieren.

Krankenhausreform: Mehr Qualität durch Strukturwandel

Die Regierung bekennt sich zur Fortentwicklung einer qualitativen, bedarfsgerechten und praxistauglichen Krankenhauslandschaft aufbauend auf der Krankenhausreform der letzten Legislaturperiode. Dies soll kurzfristig bis zum Sommer 2025 geregelt werden.

Die Krankenhauslandschaft soll also im Einklang mit der begonnenen Krankenhausreform qualitativ weiterentwickelt werden – mit Fokus auf die Grund- und Notfallversorgung, besonders im ländlichen Raum. Neue Finanzierungsmodelle und sektorenübergreifende Fallpauschalen (Hybrid-DRGs) sollen Effizienz und Zusammenarbeit fördern. Sie sollen die Möglichkeit bieten, die Versorgung flexibler zu gestalten und die Ressourcen effizienter zu nutzen.

Für Kliniken wird dies bedeuten, dass Prozesse optimiert werden müssen, Kooperationen mit ambulanten Anbietern ausgebaut werden können und Vergütungsstrukturen neu gedacht werden müssen – auch in enger Abstimmung mit den Kostenträgern.

Ambulante Versorgung: Primärarztsystem und Entlastung

Die ambulante Versorgung soll durch gezielte Maßnahmen verbessert werden. Geplant sind konkrete Schritte zur Entlastung ärztlicher Praxen und zur Verkürzung von Wartezeiten. Ein verbindliches Primärarztsystem soll für eine gezielte Versorgung sorgen. Ausnahmen gelten für Gynäkologie und Augenheilkunde. Für chronisch Erkrankte sollen individuelle Lösungen wie Jahresüberweisungen erarbeitet werden.

Investorenbetriebene Medizinische Versorgungszentren (iMVZ): Transparenzpflichten im Fokus

Eine der konkretesten Aussagen im Gesundheitsbereich findet sich zu investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren. Die Regierung werde ein Gesetz zur Regulierung investorenbetriebener Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ-Regulierungsgesetz) erlassen, das Transparenz über die Eigentümerstruktur sowie die systemgerechte Verwendung der Beitragsmittel sicherstelle. Damit scheint ein lang und kontrovers diskutiertes Thema dahingehend gelöst zu werden, dass nicht mehr in Frage gestellt wird, ob medizinische Versorgungszentren auch von Investoren betrieben werden dürfen, sondern dass es primär um Fragen der Transparenz und Ausgestaltung gehen soll. Für Investoren kann dies höhere Anforderungen an Offenlegung und die interne Governance bedeuten. Gleichzeitig soll mit der erweiterten Transparenz das Vertrauen der Patienten und der Öffentlichkeit in iMVZ steigen. Die konkreten Ausführungen zu iMVZ im Koalitionsvertrag sprechen dafür, dass eine weitgehende Beschränkung der Zulassung von iMVZ, wie sie in der Vergangenheit zwischenzeitlich angedacht war, vorerst nicht umgesetzt werden soll.

Apotheken: Stärkung der Vor-Ort-Apotheken

Die Vor-Ort-Apotheken sollen als erste Anlaufstelle in der Gesundheitsversorgung gestärkt werden. Das Fremdbesitzverbot soll bekräftigt und insbesondere Apotheken im ländlichen Raum unterstützt werden. Das Skontiverbot soll abgeschafft werden. Strukturen für Präventionsleistungen sollen ausgebaut werden und bürokratische Hürden abgebaut werden. Die Vorgaben für vor Ort Apotheken und Versandapotheken sollen vereinheitlicht werden.

Digitalisierung und Telemedizin: Hürdenabbau und erweiterte Kooperationsmöglichkeiten

Die Digitalisierung sieht die Regierung als Schlüssel zur Zukunft des Gesundheitswesens. Ein Bürokratieentlastungsgesetz soll insbesondere die Dokumentationspflichten reduzieren. Ein verbesserter Datenaustausch soll die Effizienz der Gesundheitsversorgung, auch im Bereich der präventiven Gesundheitsförderung, erhöhen. Die Gesetze in diesem Bereich sollen einem Praxis-Check unterzogen werden, um ihre Effizienz zu überprüfen.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen soll insbesondere mit dem weiteren Ausrollen der elektronischen Patientenakte und der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Telemedizin in den Bereichen Videosprechstunden, Telemonitoring und Telepharmazie vorangetrieben werden.

Setzt die Regierung entsprechende Vorhaben tatsächlich um, kann dies der Digitalisierung im Gesundheitsbereich weiteren Schub verleihen. Für Unternehmen in diesem Feld können sich entsprechend erweiterte oder neue Betätigungsfelder ergeben, etwa im Bereich Telemedizin. Auf der anderen Seite scheint die neue Koalition auch daran Interesse zu haben, in bestimmten Bereichen bestehende Geschäftsfelder einzugrenzen. So soll die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen über private Online-Plattformen ausgeschlossen werden.

Cannabis

Für Herbst 2025 ist eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis vorgesehen. Hier könnten sich – je nach Ergebnis – neue wirtschaftliche Optionen ergeben.

Krisenfeste Versorgung

Die Regierung nimmt sich vor, gesetzliche Rahmenbedingen für den Gesundheitssektor und den Rettungsdienst im Zivilschutz- sowie Verteidigungs- und Bündnisfall mit abgestimmter Koordinierung und eindeutigen Zuständigkeiten zu schaffen. Hier zeigt sich die Verzahnung des Gesundheitssektors mit dem Zivilschutz und der Verteidigungspolitik.

Fazit: Gesundheitspolitik als Impulsgeber

Der Gesundheitsbereich spielt an verschiedenen Stellen des Koalitionsvertrags eine wichtige Rolle. Die Regierung erkennt sowohl die wirtschaftspolitische als auch die gesamtgesellschaftlich zentrale Rolle dieses Sektors.

In weiten Teilen bleiben die Inhalte noch recht vage, wer Aussagen über konkrete Maßnahmen oder klare Konzepte sucht, wird nur an wenigen Stellen fündig. Umso wichtiger wird sein, welche konkreten Schritte der neue Gesundheitsminister und die Bundesregierung in den verschiedenen Feldern unternehmen werden. Für Unternehmen der Gesundheitswirtschaft – sowohl der industriellen Gesundheitswirtschaft als auch den Leistungserbringern – dürfte aber feststehen, dass ihr Sektor künftig noch mehr Bedeutung erhalten wird als bisher. Das wird einerseits vielfältige Chancen eröffnen, andererseits mit Blick auf die Kosten des Gesundheitssystems und geforderte Effizienzgewinne wohl auch strukturelle Anpassungen erfordern.

Entscheidend wird sein, die gesundheitspolitischen und gesetzgeberischen Aktivitäten genau zu beobachten, sich gegebenenfalls einzubringen – und frühzeitig auf Änderungen einzustellen. Wer agil bleibt, wird von den bevorstehenden Anpassungen profitieren und sich entsprechend strategisch ausrichten können.

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Tags: Gesundheitssektor Koalitionsvertrag 2025